Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

Und nach einem raschen Gruße eilte ich in meine Wohnung,
das Geld zu holen.

Als ich mich später am bezeichneten Orte einfand, ging
sie unruhig auf und nieder. Sie mußte schwere Zweifel in
die Wahrheit meiner Versprechung gesetzt haben; denn bei
meinem Anblick schien es ihr wie eine Last von der Seele zu
fallen. Ich lenkte sie in die dunkle, menschenleere Kirche hin¬
ein und überreichte ihr die erforderliche Summe. Sie zögerte
noch einen Augenblick, dieselbe anzunehmen. Dann aber drückte
sie mit ihren beiden Händen warm die meine. "O, mein
Herr", sagte sie, "wie soll ich Ihnen danken! Sie wissen
nicht, welchen Dienst Sie mir erweisen. Sie sollen alsbald
wieder im Besitze des Ihrigen sein -- gleich morgen will ich
den Schmuck verpfänden."

"Thun Sie das nicht", sagte ich. "Sie haben mir ja
gestanden, daß Sie ihn nur gegen schwere Demüthigungen er¬
halten. Sie kämen vielleicht in eine unwürdige Abhängigkeit
zu der Person, die Ihnen denselben anvertraut. Geben Sie
die Juwelen sogleich wieder zurück. Mit meinem Gelde hat
es keine Eile. Ich will zufrieden sein, wenn ich in Folge
dieses Darlehens das Glück habe, Sie einmal wiederzusehen."

Sie war durch diese letzten Worte offenbar peinlich be¬
rührt worden und hatte Mühe, eine ablehnende Geberde zu
unterdrücken. Aber wie von einem plötzlichen Gedanken durch¬
zuckt, sagte sie rasch: "Allerdings; es wird mich unendlich

Und nach einem raſchen Gruße eilte ich in meine Wohnung,
das Geld zu holen.

Als ich mich ſpäter am bezeichneten Orte einfand, ging
ſie unruhig auf und nieder. Sie mußte ſchwere Zweifel in
die Wahrheit meiner Verſprechung geſetzt haben; denn bei
meinem Anblick ſchien es ihr wie eine Laſt von der Seele zu
fallen. Ich lenkte ſie in die dunkle, menſchenleere Kirche hin¬
ein und überreichte ihr die erforderliche Summe. Sie zögerte
noch einen Augenblick, dieſelbe anzunehmen. Dann aber drückte
ſie mit ihren beiden Händen warm die meine. „O, mein
Herr“, ſagte ſie, „wie ſoll ich Ihnen danken! Sie wiſſen
nicht, welchen Dienſt Sie mir erweiſen. Sie ſollen alsbald
wieder im Beſitze des Ihrigen ſein — gleich morgen will ich
den Schmuck verpfänden.“

„Thun Sie das nicht“, ſagte ich. „Sie haben mir ja
geſtanden, daß Sie ihn nur gegen ſchwere Demüthigungen er¬
halten. Sie kämen vielleicht in eine unwürdige Abhängigkeit
zu der Perſon, die Ihnen denſelben anvertraut. Geben Sie
die Juwelen ſogleich wieder zurück. Mit meinem Gelde hat
es keine Eile. Ich will zufrieden ſein, wenn ich in Folge
dieſes Darlehens das Glück habe, Sie einmal wiederzuſehen.“

Sie war durch dieſe letzten Worte offenbar peinlich be¬
rührt worden und hatte Mühe, eine ablehnende Geberde zu
unterdrücken. Aber wie von einem plötzlichen Gedanken durch¬
zuckt, ſagte ſie raſch: „Allerdings; es wird mich unendlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0224" n="208"/>
Und nach einem ra&#x017F;chen Gruße eilte ich in meine Wohnung,<lb/>
das Geld zu holen.</p><lb/>
        <p>Als ich mich &#x017F;päter am bezeichneten Orte einfand, ging<lb/>
&#x017F;ie unruhig auf und nieder. Sie mußte &#x017F;chwere Zweifel in<lb/>
die Wahrheit meiner Ver&#x017F;prechung ge&#x017F;etzt haben; denn bei<lb/>
meinem Anblick &#x017F;chien es ihr wie eine La&#x017F;t von der Seele zu<lb/>
fallen. Ich lenkte &#x017F;ie in die dunkle, men&#x017F;chenleere Kirche hin¬<lb/>
ein und überreichte ihr die erforderliche Summe. Sie zögerte<lb/>
noch einen Augenblick, die&#x017F;elbe anzunehmen. Dann aber drückte<lb/>
&#x017F;ie mit ihren beiden Händen warm die meine. &#x201E;O, mein<lb/>
Herr&#x201C;, &#x017F;agte &#x017F;ie, &#x201E;wie &#x017F;oll ich Ihnen danken! Sie wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
nicht, welchen Dien&#x017F;t Sie mir erwei&#x017F;en. Sie &#x017F;ollen alsbald<lb/>
wieder im Be&#x017F;itze des Ihrigen &#x017F;ein &#x2014; gleich morgen will ich<lb/>
den Schmuck verpfänden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Thun Sie das nicht&#x201C;, &#x017F;agte ich. &#x201E;Sie haben mir ja<lb/>
ge&#x017F;tanden, daß Sie ihn nur gegen &#x017F;chwere Demüthigungen er¬<lb/>
halten. Sie kämen vielleicht in eine unwürdige Abhängigkeit<lb/>
zu der Per&#x017F;on, die Ihnen den&#x017F;elben anvertraut. Geben Sie<lb/>
die Juwelen &#x017F;ogleich wieder zurück. Mit meinem Gelde hat<lb/>
es keine Eile. Ich will zufrieden &#x017F;ein, wenn ich in Folge<lb/>
die&#x017F;es Darlehens das Glück habe, Sie einmal wiederzu&#x017F;ehen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie war durch die&#x017F;e letzten Worte offenbar peinlich be¬<lb/>
rührt worden und hatte Mühe, eine ablehnende Geberde zu<lb/>
unterdrücken. Aber wie von einem plötzlichen Gedanken durch¬<lb/>
zuckt, &#x017F;agte &#x017F;ie ra&#x017F;ch: &#x201E;Allerdings; es wird mich unendlich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[208/0224] Und nach einem raſchen Gruße eilte ich in meine Wohnung, das Geld zu holen. Als ich mich ſpäter am bezeichneten Orte einfand, ging ſie unruhig auf und nieder. Sie mußte ſchwere Zweifel in die Wahrheit meiner Verſprechung geſetzt haben; denn bei meinem Anblick ſchien es ihr wie eine Laſt von der Seele zu fallen. Ich lenkte ſie in die dunkle, menſchenleere Kirche hin¬ ein und überreichte ihr die erforderliche Summe. Sie zögerte noch einen Augenblick, dieſelbe anzunehmen. Dann aber drückte ſie mit ihren beiden Händen warm die meine. „O, mein Herr“, ſagte ſie, „wie ſoll ich Ihnen danken! Sie wiſſen nicht, welchen Dienſt Sie mir erweiſen. Sie ſollen alsbald wieder im Beſitze des Ihrigen ſein — gleich morgen will ich den Schmuck verpfänden.“ „Thun Sie das nicht“, ſagte ich. „Sie haben mir ja geſtanden, daß Sie ihn nur gegen ſchwere Demüthigungen er¬ halten. Sie kämen vielleicht in eine unwürdige Abhängigkeit zu der Perſon, die Ihnen denſelben anvertraut. Geben Sie die Juwelen ſogleich wieder zurück. Mit meinem Gelde hat es keine Eile. Ich will zufrieden ſein, wenn ich in Folge dieſes Darlehens das Glück habe, Sie einmal wiederzuſehen.“ Sie war durch dieſe letzten Worte offenbar peinlich be¬ rührt worden und hatte Mühe, eine ablehnende Geberde zu unterdrücken. Aber wie von einem plötzlichen Gedanken durch¬ zuckt, ſagte ſie raſch: „Allerdings; es wird mich unendlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/224
Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/224>, abgerufen am 23.11.2024.