zu Statten. So lag ich in der stillen Kühle, sog den Duft des Flieders ein und lauschte dem Zwitschern eines Vogels über meinem Haupte, als ich plötzlich in einiger Entfernung hinter mir nahende Schritte vernahm, und bald ging eine hohe Gestalt in geistlicher Ordenstracht ohne mich zu bemerken an mir vorüber. Es mußte, wie mein Vorgänger gesagt hatte, der Pfaffe sein, der neben der Kirche wohnte. Das waren ja die langen Beine und die schlenkernde Soutane, welche dem Baron so lächerlich erschienen; selbst das Buch unter dem Arme fehlte nicht.
Der Priester war an die Brustwehr getreten. Dort nahm er sein schwarzes Sammtkäppchen ab; man wußte nicht, that er es aus Andacht vor der Natur, in die er hinausblickte, oder um sein Haupt der Luft preiszugeben, die über die Bastei strich und mit seinen leicht ergrauten Haaren spielte.
Nach einer Weile wandte er sich und schlug die Richtung gegen das Blockhaus ein. Er schien mich noch immer nicht zu bemerken, obgleich er gerade auf die Stelle losging, wo ich lag. Ich erinnerte mich unwillkürlich an die Aeußerung des Barons, daß der Priester beständig in's Blaue sähe, ob¬ gleich er gegenwärtig mehr in sich hineinzublicken schien. End¬ lich gewahrte er mich. Er schrack leicht zusammen und eine feine Röthe flog über sein schmales, blasses Gesicht. Aber diese Verwirrung dauerte nur einen Augenblick. Gleichgültig, ohne mich mehr mit einem Blicke zu streifen, ging er an mir
zu Statten. So lag ich in der ſtillen Kühle, ſog den Duft des Flieders ein und lauſchte dem Zwitſchern eines Vogels über meinem Haupte, als ich plötzlich in einiger Entfernung hinter mir nahende Schritte vernahm, und bald ging eine hohe Geſtalt in geiſtlicher Ordenstracht ohne mich zu bemerken an mir vorüber. Es mußte, wie mein Vorgänger geſagt hatte, der Pfaffe ſein, der neben der Kirche wohnte. Das waren ja die langen Beine und die ſchlenkernde Soutane, welche dem Baron ſo lächerlich erſchienen; ſelbſt das Buch unter dem Arme fehlte nicht.
Der Prieſter war an die Bruſtwehr getreten. Dort nahm er ſein ſchwarzes Sammtkäppchen ab; man wußte nicht, that er es aus Andacht vor der Natur, in die er hinausblickte, oder um ſein Haupt der Luft preiszugeben, die über die Baſtei ſtrich und mit ſeinen leicht ergrauten Haaren ſpielte.
Nach einer Weile wandte er ſich und ſchlug die Richtung gegen das Blockhaus ein. Er ſchien mich noch immer nicht zu bemerken, obgleich er gerade auf die Stelle losging, wo ich lag. Ich erinnerte mich unwillkürlich an die Aeußerung des Barons, daß der Prieſter beſtändig in's Blaue ſähe, ob¬ gleich er gegenwärtig mehr in ſich hineinzublicken ſchien. End¬ lich gewahrte er mich. Er ſchrack leicht zuſammen und eine feine Röthe flog über ſein ſchmales, blaſſes Geſicht. Aber dieſe Verwirrung dauerte nur einen Augenblick. Gleichgültig, ohne mich mehr mit einem Blicke zu ſtreifen, ging er an mir
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zu Statten. So lag ich in der ſtillen Kühle, ſog den Duft
des Flieders ein und lauſchte dem Zwitſchern eines Vogels
über meinem Haupte, als ich plötzlich in einiger Entfernung
hinter mir nahende Schritte vernahm, und bald ging eine
hohe Geſtalt in geiſtlicher Ordenstracht ohne mich zu bemerken
an mir vorüber. Es mußte, wie mein Vorgänger geſagt hatte,
der Pfaffe ſein, der neben der Kirche wohnte. Das waren
ja die langen Beine und die ſchlenkernde Soutane, welche dem
Baron ſo lächerlich erſchienen; ſelbſt das Buch unter dem
Arme fehlte nicht.
Der Prieſter war an die Bruſtwehr getreten. Dort
nahm er ſein ſchwarzes Sammtkäppchen ab; man wußte nicht,
that er es aus Andacht vor der Natur, in die er hinausblickte,
oder um ſein Haupt der Luft preiszugeben, die über die Baſtei
ſtrich und mit ſeinen leicht ergrauten Haaren ſpielte.
Nach einer Weile wandte er ſich und ſchlug die Richtung
gegen das Blockhaus ein. Er ſchien mich noch immer nicht
zu bemerken, obgleich er gerade auf die Stelle losging, wo
ich lag. Ich erinnerte mich unwillkürlich an die Aeußerung
des Barons, daß der Prieſter beſtändig in's Blaue ſähe, ob¬
gleich er gegenwärtig mehr in ſich hineinzublicken ſchien. End¬
lich gewahrte er mich. Er ſchrack leicht zuſammen und eine
feine Röthe flog über ſein ſchmales, blaſſes Geſicht. Aber
dieſe Verwirrung dauerte nur einen Augenblick. Gleichgültig,
ohne mich mehr mit einem Blicke zu ſtreifen, ging er an mir
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/25>, abgerufen am 29.04.2024.
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