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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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ein Dorf angewiesen sei, welches noch eine Wegstunde entfernt
lag. Selbst der Beisatz, der verheißend klingen sollte: daß
ich für meine Person in einem freiherrlichen Schlosse Aufnahme
finden würde, hatte eben nichts Tröstliches. War ich doch ge¬
wohnt, die Marschtage als ein willkommenes Aufathmen aus
der Zwangsjacke des Garnisonsdienstes zu betrachten, wo ich
mich in fröhlicher Ungebundenheit meinen Neigungen überlassen
konnte -- und nun drohte mir eine vornehme Gastfreundschaft,
die mich vielleicht zu einem steifen gesellschaftlichen Verkehr
mit unbekannten, mir gänzlich ferne stehenden Menschen ver¬
pflichtete. Indessen galt es, sich in das Unvermeidliche zu
fügen, und so befahl ich meine Leute, die gleich mir verdrossen
vor sich hinsahen, zum Abmarsch, indem ich die Trommel
rühren ließ. Eine ziemlich breite Seitenstraße führte uns an¬
fänglich in einen scharf abgegrenzten Fichtenbestand, und nach¬
dem wir denselben durchschritten hatten, zog sie sich in mehr¬
fachen Krümmungen zwischen weit ausgebreiteten Kornfeldern
hin. Still brütete die Mittagshitze über der schnittreifen Frucht,
und am Ende der sonnigen Fläche ragte aus verfallenen Stroh¬
dächern der Kirchthurm des Dorfes empor, während uns das
Schloß, auf einer mäßigen, dicht bewaldeten Höhe gelegen, hell
und glänzend entgegenschimmerte.

Endlich hatten wir das Dorf erreicht und ich war eben
daran, einige letzte Befehle zu ertheilen und die Mannschaft
in ihre Quartiere zu entlassen, als ein wohl gekleideter, behäbig

ein Dorf angewieſen ſei, welches noch eine Wegſtunde entfernt
lag. Selbſt der Beiſatz, der verheißend klingen ſollte: daß
ich für meine Perſon in einem freiherrlichen Schloſſe Aufnahme
finden würde, hatte eben nichts Tröſtliches. War ich doch ge¬
wohnt, die Marſchtage als ein willkommenes Aufathmen aus
der Zwangsjacke des Garniſonsdienſtes zu betrachten, wo ich
mich in fröhlicher Ungebundenheit meinen Neigungen überlaſſen
konnte — und nun drohte mir eine vornehme Gaſtfreundſchaft,
die mich vielleicht zu einem ſteifen geſellſchaftlichen Verkehr
mit unbekannten, mir gänzlich ferne ſtehenden Menſchen ver¬
pflichtete. Indeſſen galt es, ſich in das Unvermeidliche zu
fügen, und ſo befahl ich meine Leute, die gleich mir verdroſſen
vor ſich hinſahen, zum Abmarſch, indem ich die Trommel
rühren ließ. Eine ziemlich breite Seitenſtraße führte uns an¬
fänglich in einen ſcharf abgegrenzten Fichtenbeſtand, und nach¬
dem wir denſelben durchſchritten hatten, zog ſie ſich in mehr¬
fachen Krümmungen zwiſchen weit ausgebreiteten Kornfeldern
hin. Still brütete die Mittagshitze über der ſchnittreifen Frucht,
und am Ende der ſonnigen Fläche ragte aus verfallenen Stroh¬
dächern der Kirchthurm des Dorfes empor, während uns das
Schloß, auf einer mäßigen, dicht bewaldeten Höhe gelegen, hell
und glänzend entgegenſchimmerte.

Endlich hatten wir das Dorf erreicht und ich war eben
daran, einige letzte Befehle zu ertheilen und die Mannſchaft
in ihre Quartiere zu entlaſſen, als ein wohl gekleideter, behäbig

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[248/0264] ein Dorf angewieſen ſei, welches noch eine Wegſtunde entfernt lag. Selbſt der Beiſatz, der verheißend klingen ſollte: daß ich für meine Perſon in einem freiherrlichen Schloſſe Aufnahme finden würde, hatte eben nichts Tröſtliches. War ich doch ge¬ wohnt, die Marſchtage als ein willkommenes Aufathmen aus der Zwangsjacke des Garniſonsdienſtes zu betrachten, wo ich mich in fröhlicher Ungebundenheit meinen Neigungen überlaſſen konnte — und nun drohte mir eine vornehme Gaſtfreundſchaft, die mich vielleicht zu einem ſteifen geſellſchaftlichen Verkehr mit unbekannten, mir gänzlich ferne ſtehenden Menſchen ver¬ pflichtete. Indeſſen galt es, ſich in das Unvermeidliche zu fügen, und ſo befahl ich meine Leute, die gleich mir verdroſſen vor ſich hinſahen, zum Abmarſch, indem ich die Trommel rühren ließ. Eine ziemlich breite Seitenſtraße führte uns an¬ fänglich in einen ſcharf abgegrenzten Fichtenbeſtand, und nach¬ dem wir denſelben durchſchritten hatten, zog ſie ſich in mehr¬ fachen Krümmungen zwiſchen weit ausgebreiteten Kornfeldern hin. Still brütete die Mittagshitze über der ſchnittreifen Frucht, und am Ende der ſonnigen Fläche ragte aus verfallenen Stroh¬ dächern der Kirchthurm des Dorfes empor, während uns das Schloß, auf einer mäßigen, dicht bewaldeten Höhe gelegen, hell und glänzend entgegenſchimmerte. Endlich hatten wir das Dorf erreicht und ich war eben daran, einige letzte Befehle zu ertheilen und die Mannſchaft in ihre Quartiere zu entlaſſen, als ein wohl gekleideter, behäbig

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/264>, abgerufen am 23.11.2024.