aussehender Mann auf mich zu kam. Er gab sich, höflich grüßend, als Verwalter des Schlosses zu erkennen und hatte ein leichtes, mit kräftigen Braunen bespanntes Gefährt mitge¬ bracht, welches ich auf seine Einladung mit ihm und meinem Diener bestieg. Während er nun, an meiner Seite sitzend, den Pferden die Zügel schießen ließ, und wir auf einem be¬ quemen Parkwege die Höhe hinanrollten, fragte ich ihn, wer denn eigentlich der Herr des Schlosses sei.
"Seine Excellenz, der Freiherr von Reichegg", antwortete er mit einer gewissen bescheidenen Wichtigkeit.
"Der Staatsrath Reichegg?" fuhr ich überrascht fort. --
"Ja wohl. Seine Excellenz sind auch gegenwärtig mit Gemahlin und Tochter hier anwesend."
Ich versank in ein eigenthümlich bewegtes Schweigen; auf eine solche Begegnung war ich nicht vorbereitet gewesen. Der Freiherr gehörte zu den bekanntesten und genanntesten politischen Persönlichkeiten jener Zeit. Im Staatsdienste und in der Schule Metternich's ergraut, stand er mit an der Spitze aller rückläufigen Bestrebungen, welche in Oesterreich nach dem Jahre Achtundvierzig mehr und mehr Platz griffen. Seine streng aristokratischen und feudalen Grundsätze, so wie seine unter¬ würfige Hinneigung zu den Gewalten der Kirche waren sprich¬ wörtlich geworden und er wurde allgemein als einer der Haupturheber des Concordates bezeichnet, das man vor Kurzem
ausſehender Mann auf mich zu kam. Er gab ſich, höflich grüßend, als Verwalter des Schloſſes zu erkennen und hatte ein leichtes, mit kräftigen Braunen beſpanntes Gefährt mitge¬ bracht, welches ich auf ſeine Einladung mit ihm und meinem Diener beſtieg. Während er nun, an meiner Seite ſitzend, den Pferden die Zügel ſchießen ließ, und wir auf einem be¬ quemen Parkwege die Höhe hinanrollten, fragte ich ihn, wer denn eigentlich der Herr des Schloſſes ſei.
„Seine Excellenz, der Freiherr von Reichegg“, antwortete er mit einer gewiſſen beſcheidenen Wichtigkeit.
„Der Staatsrath Reichegg?“ fuhr ich überraſcht fort. —
„Ja wohl. Seine Excellenz ſind auch gegenwärtig mit Gemahlin und Tochter hier anweſend.“
Ich verſank in ein eigenthümlich bewegtes Schweigen; auf eine ſolche Begegnung war ich nicht vorbereitet geweſen. Der Freiherr gehörte zu den bekannteſten und genannteſten politiſchen Perſönlichkeiten jener Zeit. Im Staatsdienſte und in der Schule Metternich's ergraut, ſtand er mit an der Spitze aller rückläufigen Beſtrebungen, welche in Oeſterreich nach dem Jahre Achtundvierzig mehr und mehr Platz griffen. Seine ſtreng ariſtokratiſchen und feudalen Grundſätze, ſo wie ſeine unter¬ würfige Hinneigung zu den Gewalten der Kirche waren ſprich¬ wörtlich geworden und er wurde allgemein als einer der Haupturheber des Concordates bezeichnet, das man vor Kurzem
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ausſehender Mann auf mich zu kam. Er gab ſich, höflich
grüßend, als Verwalter des Schloſſes zu erkennen und hatte
ein leichtes, mit kräftigen Braunen beſpanntes Gefährt mitge¬
bracht, welches ich auf ſeine Einladung mit ihm und meinem
Diener beſtieg. Während er nun, an meiner Seite ſitzend,
den Pferden die Zügel ſchießen ließ, und wir auf einem be¬
quemen Parkwege die Höhe hinanrollten, fragte ich ihn, wer
denn eigentlich der Herr des Schloſſes ſei.
„Seine Excellenz, der Freiherr von Reichegg“, antwortete
er mit einer gewiſſen beſcheidenen Wichtigkeit.
„Der Staatsrath Reichegg?“ fuhr ich überraſcht
fort. —
„Ja wohl. Seine Excellenz ſind auch gegenwärtig mit
Gemahlin und Tochter hier anweſend.“
Ich verſank in ein eigenthümlich bewegtes Schweigen;
auf eine ſolche Begegnung war ich nicht vorbereitet geweſen.
Der Freiherr gehörte zu den bekannteſten und genannteſten
politiſchen Perſönlichkeiten jener Zeit. Im Staatsdienſte und
in der Schule Metternich's ergraut, ſtand er mit an der Spitze
aller rückläufigen Beſtrebungen, welche in Oeſterreich nach dem
Jahre Achtundvierzig mehr und mehr Platz griffen. Seine ſtreng
ariſtokratiſchen und feudalen Grundſätze, ſo wie ſeine unter¬
würfige Hinneigung zu den Gewalten der Kirche waren ſprich¬
wörtlich geworden und er wurde allgemein als einer der
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/265>, abgerufen am 17.07.2024.
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