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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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zwungener, gleichsam überlegener Weise mit ihrem Gatten, der
dabei ernst vor sich hinsah, wohl auch manchmal die Brauen
runzelte, wenn der junge Mann mit leichtfertiger Ironie
öffentliche Persönlichkeiten oder politische Ereignisse berührte.
Selbst an die Gouvernante richtete Egon in nicht allzu reinem
Französisch einige Stichelreden, die mit leicht abwehrendem
Schweigen hingenommen wurden. Nur Raphaela beachtete er
wenig, obgleich ihm diese ihre volle Aufmerksamkeit zuwandte
und sogar zweimal sein Glas mit Bordeaux füllte, davon er
reichlich und mit Behagen trank, so zwar, daß sich sein hüb¬
sches, fast mädchenhaftes Gesicht höher und höher färbte.

Die Tafel war aufgehoben; die Französin hatte sich laut¬
los entfernt, und man nahm nun den Kaffee auf dem Altane,
wo sich eine prachtvolle Fernsicht über die weite Ebene bis zu
den duftverschwommenen Höhen der Sudeten aufthat. Nach
einer Weile sagte Rödern, man solle doch jetzt einen Gang
durch den Park unternehmen. Dieser Vorschlag fand allge¬
meinen Beifall; wir schritten also die breite Freitreppe hin¬
unter und immer tiefer in die stillen, wechselvollen Anlagen
hinein. Die Sonne war bereits im Sinken. Goldig lagen
ihre letzten Streiflichter über den Wipfeln; große Amseln flo¬
gen vor uns auf und durch die Luft quoll der süße Geruch
des Jasmins. Nach und nach wurden die Pfade steiler und
endlich standen wir vor einem großen Teiche, hinter welchem
schweigend und dunkel der Wald aufragte. Zahllose Wasser¬

zwungener, gleichſam überlegener Weiſe mit ihrem Gatten, der
dabei ernſt vor ſich hinſah, wohl auch manchmal die Brauen
runzelte, wenn der junge Mann mit leichtfertiger Ironie
öffentliche Perſönlichkeiten oder politiſche Ereigniſſe berührte.
Selbſt an die Gouvernante richtete Egon in nicht allzu reinem
Franzöſiſch einige Stichelreden, die mit leicht abwehrendem
Schweigen hingenommen wurden. Nur Raphaela beachtete er
wenig, obgleich ihm dieſe ihre volle Aufmerkſamkeit zuwandte
und ſogar zweimal ſein Glas mit Bordeaux füllte, davon er
reichlich und mit Behagen trank, ſo zwar, daß ſich ſein hüb¬
ſches, faſt mädchenhaftes Geſicht höher und höher färbte.

Die Tafel war aufgehoben; die Franzöſin hatte ſich laut¬
los entfernt, und man nahm nun den Kaffee auf dem Altane,
wo ſich eine prachtvolle Fernſicht über die weite Ebene bis zu
den duftverſchwommenen Höhen der Sudeten aufthat. Nach
einer Weile ſagte Rödern, man ſolle doch jetzt einen Gang
durch den Park unternehmen. Dieſer Vorſchlag fand allge¬
meinen Beifall; wir ſchritten alſo die breite Freitreppe hin¬
unter und immer tiefer in die ſtillen, wechſelvollen Anlagen
hinein. Die Sonne war bereits im Sinken. Goldig lagen
ihre letzten Streiflichter über den Wipfeln; große Amſeln flo¬
gen vor uns auf und durch die Luft quoll der ſüße Geruch
des Jasmins. Nach und nach wurden die Pfade ſteiler und
endlich ſtanden wir vor einem großen Teiche, hinter welchem
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[260/0276] zwungener, gleichſam überlegener Weiſe mit ihrem Gatten, der dabei ernſt vor ſich hinſah, wohl auch manchmal die Brauen runzelte, wenn der junge Mann mit leichtfertiger Ironie öffentliche Perſönlichkeiten oder politiſche Ereigniſſe berührte. Selbſt an die Gouvernante richtete Egon in nicht allzu reinem Franzöſiſch einige Stichelreden, die mit leicht abwehrendem Schweigen hingenommen wurden. Nur Raphaela beachtete er wenig, obgleich ihm dieſe ihre volle Aufmerkſamkeit zuwandte und ſogar zweimal ſein Glas mit Bordeaux füllte, davon er reichlich und mit Behagen trank, ſo zwar, daß ſich ſein hüb¬ ſches, faſt mädchenhaftes Geſicht höher und höher färbte. Die Tafel war aufgehoben; die Franzöſin hatte ſich laut¬ los entfernt, und man nahm nun den Kaffee auf dem Altane, wo ſich eine prachtvolle Fernſicht über die weite Ebene bis zu den duftverſchwommenen Höhen der Sudeten aufthat. Nach einer Weile ſagte Rödern, man ſolle doch jetzt einen Gang durch den Park unternehmen. Dieſer Vorſchlag fand allge¬ meinen Beifall; wir ſchritten alſo die breite Freitreppe hin¬ unter und immer tiefer in die ſtillen, wechſelvollen Anlagen hinein. Die Sonne war bereits im Sinken. Goldig lagen ihre letzten Streiflichter über den Wipfeln; große Amſeln flo¬ gen vor uns auf und durch die Luft quoll der ſüße Geruch des Jasmins. Nach und nach wurden die Pfade ſteiler und endlich ſtanden wir vor einem großen Teiche, hinter welchem ſchweigend und dunkel der Wald aufragte. Zahlloſe Waſſer¬

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/276>, abgerufen am 23.11.2024.