daß der Freiherr mit dem Tode abgegangen sei. Durch die Zeitereignisse gestürzt; den Untergang alles dessen erlebend, was er begründen half: war ihm bei dem großen Wandel der Dinge nichts übrig geblieben, als zu sterben. Von seiner Gemahlin und Raphaela jedoch vernahm ich nichts mehr. Neue Verhältnisse hatten neue Erscheinungen in den Vorder¬ grund gestellt; die schöne, einst so gefeierte Frau war ver¬ gessen und blieb mit ihrer Tochter verschollen -- für Die¬ jenigen wenigstens, die mit ihren Kreisen nicht in Berührung kamen. -- --
Da traf es sich, daß ich bei einem kurzen Aufenthalte in der Lagunenstadt vor einem Kaffeehause des Marcusplatzes saß. Es war noch ziemlich früh am Tage und nur wenige Menschen beschritten die prächtigen Quadern, auf welche die Sonne hell und glänzend niederschien. Plötzlich zeigten sich, von der Stadtseite kommend, zwei hohe vornehme Gestalten in Reisekleidern; ein Herr und eine Dame, die Arm in Arm einher gingen und, da sie mich bekannt anmutheten, meine Aufmerk¬ samkeit fesselten. Als sie mir näher gekommen waren, trat ein Blumenmädchen mit erhobenem Korbe auf sie zu. Die Dame blieb stehen, hielt ihren Begleiter, der vorbeischreiten wollte, am Arme fest -- und nun zuckte ich fast erschreckt zu¬ sammen: ich hatte endlich in dem Paare Rödern und die Freifrau erkannt! Die Letztere hatte sich zwar in ihrem
daß der Freiherr mit dem Tode abgegangen ſei. Durch die Zeitereigniſſe geſtürzt; den Untergang alles deſſen erlebend, was er begründen half: war ihm bei dem großen Wandel der Dinge nichts übrig geblieben, als zu ſterben. Von ſeiner Gemahlin und Raphaela jedoch vernahm ich nichts mehr. Neue Verhältniſſe hatten neue Erſcheinungen in den Vorder¬ grund geſtellt; die ſchöne, einſt ſo gefeierte Frau war ver¬ geſſen und blieb mit ihrer Tochter verſchollen — für Die¬ jenigen wenigſtens, die mit ihren Kreiſen nicht in Berührung kamen. — —
Da traf es ſich, daß ich bei einem kurzen Aufenthalte in der Lagunenſtadt vor einem Kaffeehauſe des Marcusplatzes ſaß. Es war noch ziemlich früh am Tage und nur wenige Menſchen beſchritten die prächtigen Quadern, auf welche die Sonne hell und glänzend niederſchien. Plötzlich zeigten ſich, von der Stadtſeite kommend, zwei hohe vornehme Geſtalten in Reiſekleidern; ein Herr und eine Dame, die Arm in Arm einher gingen und, da ſie mich bekannt anmutheten, meine Aufmerk¬ ſamkeit feſſelten. Als ſie mir näher gekommen waren, trat ein Blumenmädchen mit erhobenem Korbe auf ſie zu. Die Dame blieb ſtehen, hielt ihren Begleiter, der vorbeiſchreiten wollte, am Arme feſt — und nun zuckte ich faſt erſchreckt zu¬ ſammen: ich hatte endlich in dem Paare Rödern und die Freifrau erkannt! Die Letztere hatte ſich zwar in ihrem
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daß der Freiherr mit dem Tode abgegangen ſei. Durch die
Zeitereigniſſe geſtürzt; den Untergang alles deſſen erlebend,
was er begründen half: war ihm bei dem großen Wandel
der Dinge nichts übrig geblieben, als zu ſterben. Von ſeiner
Gemahlin und Raphaela jedoch vernahm ich nichts mehr.
Neue Verhältniſſe hatten neue Erſcheinungen in den Vorder¬
grund geſtellt; die ſchöne, einſt ſo gefeierte Frau war ver¬
geſſen und blieb mit ihrer Tochter verſchollen — für Die¬
jenigen wenigſtens, die mit ihren Kreiſen nicht in Berührung
kamen. — —
Da traf es ſich, daß ich bei einem kurzen Aufenthalte in
der Lagunenſtadt vor einem Kaffeehauſe des Marcusplatzes
ſaß. Es war noch ziemlich früh am Tage und nur wenige
Menſchen beſchritten die prächtigen Quadern, auf welche die
Sonne hell und glänzend niederſchien. Plötzlich zeigten ſich,
von der Stadtſeite kommend, zwei hohe vornehme Geſtalten in
Reiſekleidern; ein Herr und eine Dame, die Arm in Arm einher
gingen und, da ſie mich bekannt anmutheten, meine Aufmerk¬
ſamkeit feſſelten. Als ſie mir näher gekommen waren, trat
ein Blumenmädchen mit erhobenem Korbe auf ſie zu. Die
Dame blieb ſtehen, hielt ihren Begleiter, der vorbeiſchreiten
wollte, am Arme feſt — und nun zuckte ich faſt erſchreckt zu¬
ſammen: ich hatte endlich in dem Paare Rödern und die
Freifrau erkannt! Die Letztere hatte ſich zwar in ihrem
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/286>, abgerufen am 23.11.2024.
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