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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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ohne alles Pathos, das die meisten Prediger so unleidlich
macht; es war, als spräche er in vernünftig belehrendem Tone
zu Kindern. Nach und nach wurde er wärmer. Ohne daß
er dabei nach der Schauspielerart mit den Händen in der
Luft gefochten hätte, schwoll seine Stimme zu einer mächtigen
Fülle an und ging endlich, während er sich liebreich zu den
Hörern herabneigte, in den tiefen, zitternden Ton einer weh¬
müthigen Klage über. Es mußten erschütternde Worte gewe¬
sen sein; denn ich sah in mehr als einem Auge Thränen, und
als er jetzt schwieg, schimmerte auch seines in feuchtem Glanze.
Ich selbst war bewegt, wie von den Klängen einer räthsel¬
haften Musik. Nach dem üblichen kurzen Gebete verließ er
die Kanzel. Die Orgel ertönte wieder und kurz darauf trat
er im Meßgewande an den Hochaltar, wo schon früher
ein alter, weißhaariger Kirchendiener die Lichter angezündet
hatte. Nach beendetem Gottesdienste strömten die Andächtigen
aus der Kirche und bald herrschte im Fort wieder die gewohnte
Einsamkeit und Stille.

Als ich später abgelös't wurde und mich wieder den
menschenvollen Gassen der Hauptstadt näherte, war es mir,
als kehrte ich aus einem reineren Elemente zu dem ganzen
beengenden Qualm und Dunst der Erde zurück.


Einige Zeit darauf ersuchte mich ein befreundeter Offizier,
für ihn die Wache auf dem Wyschehrad zu beziehen. Er

ohne alles Pathos, das die meiſten Prediger ſo unleidlich
macht; es war, als ſpräche er in vernünftig belehrendem Tone
zu Kindern. Nach und nach wurde er wärmer. Ohne daß
er dabei nach der Schauſpielerart mit den Händen in der
Luft gefochten hätte, ſchwoll ſeine Stimme zu einer mächtigen
Fülle an und ging endlich, während er ſich liebreich zu den
Hörern herabneigte, in den tiefen, zitternden Ton einer weh¬
müthigen Klage über. Es mußten erſchütternde Worte gewe¬
ſen ſein; denn ich ſah in mehr als einem Auge Thränen, und
als er jetzt ſchwieg, ſchimmerte auch ſeines in feuchtem Glanze.
Ich ſelbſt war bewegt, wie von den Klängen einer räthſel¬
haften Muſik. Nach dem üblichen kurzen Gebete verließ er
die Kanzel. Die Orgel ertönte wieder und kurz darauf trat
er im Meßgewande an den Hochaltar, wo ſchon früher
ein alter, weißhaariger Kirchendiener die Lichter angezündet
hatte. Nach beendetem Gottesdienſte ſtrömten die Andächtigen
aus der Kirche und bald herrſchte im Fort wieder die gewohnte
Einſamkeit und Stille.

Als ich ſpäter abgelöſ't wurde und mich wieder den
menſchenvollen Gaſſen der Hauptſtadt näherte, war es mir,
als kehrte ich aus einem reineren Elemente zu dem ganzen
beengenden Qualm und Dunſt der Erde zurück.


Einige Zeit darauf erſuchte mich ein befreundeter Offizier,
für ihn die Wache auf dem Wyſchehrad zu beziehen. Er

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[14/0030] ohne alles Pathos, das die meiſten Prediger ſo unleidlich macht; es war, als ſpräche er in vernünftig belehrendem Tone zu Kindern. Nach und nach wurde er wärmer. Ohne daß er dabei nach der Schauſpielerart mit den Händen in der Luft gefochten hätte, ſchwoll ſeine Stimme zu einer mächtigen Fülle an und ging endlich, während er ſich liebreich zu den Hörern herabneigte, in den tiefen, zitternden Ton einer weh¬ müthigen Klage über. Es mußten erſchütternde Worte gewe¬ ſen ſein; denn ich ſah in mehr als einem Auge Thränen, und als er jetzt ſchwieg, ſchimmerte auch ſeines in feuchtem Glanze. Ich ſelbſt war bewegt, wie von den Klängen einer räthſel¬ haften Muſik. Nach dem üblichen kurzen Gebete verließ er die Kanzel. Die Orgel ertönte wieder und kurz darauf trat er im Meßgewande an den Hochaltar, wo ſchon früher ein alter, weißhaariger Kirchendiener die Lichter angezündet hatte. Nach beendetem Gottesdienſte ſtrömten die Andächtigen aus der Kirche und bald herrſchte im Fort wieder die gewohnte Einſamkeit und Stille. Als ich ſpäter abgelöſ't wurde und mich wieder den menſchenvollen Gaſſen der Hauptſtadt näherte, war es mir, als kehrte ich aus einem reineren Elemente zu dem ganzen beengenden Qualm und Dunſt der Erde zurück. Einige Zeit darauf erſuchte mich ein befreundeter Offizier, für ihn die Wache auf dem Wyſchehrad zu beziehen. Er

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/30>, abgerufen am 03.12.2024.