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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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Drüben saß der Zeugwart zwischen Weib und Kind vor der
Thür und rauchte seine Abendpfeife.

"Ich bin daheim," sagte der Pater. "Wenn es Ihnen
gefällt, bei mir einzutreten, so sind Sie herzlich willkommen."
Da ich mich verbindlich verneigte, öffnete er das Thor und
führte mich über den einsamen Flur eine breite, dunkelnde
Treppe hinan. Oben schloß er eine von den Thüren auf, die
in einer Reihe den Corridor hinliefen, und ließ mich in ein
ziemlich weitläufiges Gemach treten.

"Nehmen Sie indessen nur hier Platz," sagte er und
wies auf ein bequemes Sopha. "Ich werde sogleich Licht
machen."

Während er an einer großen Kugellampe hanthierte, sah
ich im dämmerigen Raume umher. Die Wände waren zum
Theil von oben bis unten durch dichtbestellte Bücherrepositorien
verdeckt; dazwischen erhoben sich hohe Glasschränke, welche
naturwissenschaftliche Sammlungen zu enthalten schienen. Auf
einem geräumigen Tische in der Nähe der Fenster standen und
lagen chemische und physikalische Instrumente umher; ein zwei¬
ter Tisch war ganz mit Papieren und Schriften bedeckt. Trotz¬
dem wehte mir von allen Seiten wohnliches Behagen entgegen
und gab sich, als jetzt das milde Lampenlicht das weite Gemach
durchfluthete, immer deutlicher kund. Die Fenstergardinen,
hinter welchen das dunkle Grün tropischer Gewächse hervor¬
lugte, waren von tadelloser Frische, und an den Büchereinbänden,

Drüben ſaß der Zeugwart zwiſchen Weib und Kind vor der
Thür und rauchte ſeine Abendpfeife.

„Ich bin daheim,“ ſagte der Pater. „Wenn es Ihnen
gefällt, bei mir einzutreten, ſo ſind Sie herzlich willkommen.“
Da ich mich verbindlich verneigte, öffnete er das Thor und
führte mich über den einſamen Flur eine breite, dunkelnde
Treppe hinan. Oben ſchloß er eine von den Thüren auf, die
in einer Reihe den Corridor hinliefen, und ließ mich in ein
ziemlich weitläufiges Gemach treten.

„Nehmen Sie indeſſen nur hier Platz,“ ſagte er und
wies auf ein bequemes Sopha. „Ich werde ſogleich Licht
machen.“

Während er an einer großen Kugellampe hanthierte, ſah
ich im dämmerigen Raume umher. Die Wände waren zum
Theil von oben bis unten durch dichtbeſtellte Bücherrepoſitorien
verdeckt; dazwiſchen erhoben ſich hohe Glasſchränke, welche
naturwiſſenſchaftliche Sammlungen zu enthalten ſchienen. Auf
einem geräumigen Tiſche in der Nähe der Fenſter ſtanden und
lagen chemiſche und phyſikaliſche Inſtrumente umher; ein zwei¬
ter Tiſch war ganz mit Papieren und Schriften bedeckt. Trotz¬
dem wehte mir von allen Seiten wohnliches Behagen entgegen
und gab ſich, als jetzt das milde Lampenlicht das weite Gemach
durchfluthete, immer deutlicher kund. Die Fenſtergardinen,
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[24/0040] Drüben ſaß der Zeugwart zwiſchen Weib und Kind vor der Thür und rauchte ſeine Abendpfeife. „Ich bin daheim,“ ſagte der Pater. „Wenn es Ihnen gefällt, bei mir einzutreten, ſo ſind Sie herzlich willkommen.“ Da ich mich verbindlich verneigte, öffnete er das Thor und führte mich über den einſamen Flur eine breite, dunkelnde Treppe hinan. Oben ſchloß er eine von den Thüren auf, die in einer Reihe den Corridor hinliefen, und ließ mich in ein ziemlich weitläufiges Gemach treten. „Nehmen Sie indeſſen nur hier Platz,“ ſagte er und wies auf ein bequemes Sopha. „Ich werde ſogleich Licht machen.“ Während er an einer großen Kugellampe hanthierte, ſah ich im dämmerigen Raume umher. Die Wände waren zum Theil von oben bis unten durch dichtbeſtellte Bücherrepoſitorien verdeckt; dazwiſchen erhoben ſich hohe Glasſchränke, welche naturwiſſenſchaftliche Sammlungen zu enthalten ſchienen. Auf einem geräumigen Tiſche in der Nähe der Fenſter ſtanden und lagen chemiſche und phyſikaliſche Inſtrumente umher; ein zwei¬ ter Tiſch war ganz mit Papieren und Schriften bedeckt. Trotz¬ dem wehte mir von allen Seiten wohnliches Behagen entgegen und gab ſich, als jetzt das milde Lampenlicht das weite Gemach durchfluthete, immer deutlicher kund. Die Fenſtergardinen, hinter welchen das dunkle Grün tropiſcher Gewächſe hervor¬ lugte, waren von tadelloſer Friſche, und an den Büchereinbänden,

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/40>, abgerufen am 29.04.2024.