Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.kommt aber daher, weil man seine eigentliche Schönheit mit "Der Ausdruck im Gesichte der Madonna ist einzig in "Ich weiß es," sagte er. "Hier in der Citadelle." Nun war ich darauf gebracht. "Richtig!" rief ich aus, "Es freut mich, durch Sie meine eigene Ansicht bestätigt kommt aber daher, weil man ſeine eigentliche Schönheit mit „Der Ausdruck im Geſichte der Madonna iſt einzig in „Ich weiß es,“ ſagte er. „Hier in der Citadelle.“ Nun war ich darauf gebracht. „Richtig!“ rief ich aus, „Es freut mich, durch Sie meine eigene Anſicht beſtätigt <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0044" n="28"/> kommt aber daher, weil man ſeine eigentliche Schönheit mit<lb/> den Blicken gleichſam erſt aus der Tiefe an die Oberfläche<lb/> ſaugen muß. Beim erſten Hinſehen erſcheint es faſt leer und<lb/> läßt kalt. Solchen, die kein geiſtiges Auge beſitzen, wird es<lb/> niemals ein rechtes Wohlgefallen abgewinnen. Ich möchte das<lb/> Original vor mir haben können.“</p><lb/> <p>„Der Ausdruck im Geſichte der Madonna iſt einzig in<lb/> ſeiner Art,“ erwiderte ich nachdenklich. „Und doch findet man<lb/> zuweilen Köpfe, beſonders bei Frauen im Volke, die mehr<lb/> oder minder jenen kindlich erhabenen und, wenn ich ſo ſagen<lb/> darf, rührend unfertigen Zug aufweiſen, der uns hier ſo ſehr<lb/> entzückt. So iſt es mir, als hätte ich erſt unlängſt ein der¬<lb/> artiges Geſicht geſehen; ich weiß nur nicht wo.“</p><lb/> <p>„Ich weiß es,“ ſagte er. „Hier in der Citadelle.“</p><lb/> <p>Nun war ich darauf gebracht. „Richtig!“ rief ich aus,<lb/> „an das junge Weib Ihnen gegenüber hat mich das Bild<lb/> gemahnt.“</p><lb/> <p>„Es freut mich, durch Sie meine eigene Anſicht beſtätigt<lb/> zu finden, die vielleicht eine rein ſubjective hätte ſein können.<lb/> Denn im Grunde genommen, ſind die Züge doch ganz ver¬<lb/> ſchieden, und die Aehnlichkeit liegt wohl nur in dem eigen¬<lb/> thümlichen Schnitt und Blick der Augen. Beweis deſſen, daß<lb/> der Zeugwart, als ich ihn einmal vor das Bild führte, an¬<lb/> fangs auch nicht die geringſte Aehnlichkeit mit ſeinem Weibe<lb/> finden wollte, und erſt nach und nach, und das nur, wie es<lb/></p> </body> </text> </TEI> [28/0044]
kommt aber daher, weil man ſeine eigentliche Schönheit mit
den Blicken gleichſam erſt aus der Tiefe an die Oberfläche
ſaugen muß. Beim erſten Hinſehen erſcheint es faſt leer und
läßt kalt. Solchen, die kein geiſtiges Auge beſitzen, wird es
niemals ein rechtes Wohlgefallen abgewinnen. Ich möchte das
Original vor mir haben können.“
„Der Ausdruck im Geſichte der Madonna iſt einzig in
ſeiner Art,“ erwiderte ich nachdenklich. „Und doch findet man
zuweilen Köpfe, beſonders bei Frauen im Volke, die mehr
oder minder jenen kindlich erhabenen und, wenn ich ſo ſagen
darf, rührend unfertigen Zug aufweiſen, der uns hier ſo ſehr
entzückt. So iſt es mir, als hätte ich erſt unlängſt ein der¬
artiges Geſicht geſehen; ich weiß nur nicht wo.“
„Ich weiß es,“ ſagte er. „Hier in der Citadelle.“
Nun war ich darauf gebracht. „Richtig!“ rief ich aus,
„an das junge Weib Ihnen gegenüber hat mich das Bild
gemahnt.“
„Es freut mich, durch Sie meine eigene Anſicht beſtätigt
zu finden, die vielleicht eine rein ſubjective hätte ſein können.
Denn im Grunde genommen, ſind die Züge doch ganz ver¬
ſchieden, und die Aehnlichkeit liegt wohl nur in dem eigen¬
thümlichen Schnitt und Blick der Augen. Beweis deſſen, daß
der Zeugwart, als ich ihn einmal vor das Bild führte, an¬
fangs auch nicht die geringſte Aehnlichkeit mit ſeinem Weibe
finden wollte, und erſt nach und nach, und das nur, wie es
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