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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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und so fand ich bald in eifrigen philologischen Studien Trost
und Beruhigung. Ich ging nach wie vor fast niemals aus,
und meine Erholung war, hie und da eine Stunde auf der
Orgel unserer Hauskapelle zu spielen. Ich hatte die erste An¬
leitung dazu schon von meinem Schullehrer im Dorfe erhalten
und benützte nun die Gelegenheit, diese Vorkenntnisse zu er¬
weitern und auszubilden. Wenn ich so in der verlassenen
Kapelle saß, und die Töne unter meinen Händen aufquollen,
da zog ein tiefer Friede, eine lichte Seligkeit in meine Brust,
und auch nicht ein Schatten dieser Welt fiel hinein.

So war mir manches Jahr in sanfter Gleichförmigkeit
vorübergegangen, als der Abt plötzlich starb. Sein Nachfolger,
ein wohldenkender, vorurtheilsfreier Mann, der mich stets mit
vieler Nachsicht behandelt und warm vertheidigt hatte, ließ
mich eines Tages zu sich bescheiden. "Wissen Sie," sagte er,
als ich bei ihm eintrat, "daß der Verweser unserer Kirche auf
dem Wyscherad wegen andauernder Kränklichkeit um Amts¬
enthebung nachgesucht hat?" Ich bejahte es, da ich davon ge¬
hört hatte. "Möchten Sie wohl," fuhr er fort, indem er
mich forschend ansah, "seine Stelle übernehmen?" Er mußte
in meinen Zügen sogleich eine freudige Zustimmung wahrge¬
nommen haben, denn er klopfte mir schnell auf die Schulter
und sagte: "Nun, so gehen Sie mit Gott. Es wird Sie
Niemand darum beneiden; der Ort ist gar zu einsam und
abgeschieden, wenn auch das Amt eine gewisse Selbstständig¬

und ſo fand ich bald in eifrigen philologiſchen Studien Troſt
und Beruhigung. Ich ging nach wie vor faſt niemals aus,
und meine Erholung war, hie und da eine Stunde auf der
Orgel unſerer Hauskapelle zu ſpielen. Ich hatte die erſte An¬
leitung dazu ſchon von meinem Schullehrer im Dorfe erhalten
und benützte nun die Gelegenheit, dieſe Vorkenntniſſe zu er¬
weitern und auszubilden. Wenn ich ſo in der verlaſſenen
Kapelle ſaß, und die Töne unter meinen Händen aufquollen,
da zog ein tiefer Friede, eine lichte Seligkeit in meine Bruſt,
und auch nicht ein Schatten dieſer Welt fiel hinein.

So war mir manches Jahr in ſanfter Gleichförmigkeit
vorübergegangen, als der Abt plötzlich ſtarb. Sein Nachfolger,
ein wohldenkender, vorurtheilsfreier Mann, der mich ſtets mit
vieler Nachſicht behandelt und warm vertheidigt hatte, ließ
mich eines Tages zu ſich beſcheiden. „Wiſſen Sie,“ ſagte er,
als ich bei ihm eintrat, „daß der Verweſer unſerer Kirche auf
dem Wyſcherad wegen andauernder Kränklichkeit um Amts¬
enthebung nachgeſucht hat?“ Ich bejahte es, da ich davon ge¬
hört hatte. „Möchten Sie wohl,“ fuhr er fort, indem er
mich forſchend anſah, „ſeine Stelle übernehmen?“ Er mußte
in meinen Zügen ſogleich eine freudige Zuſtimmung wahrge¬
nommen haben, denn er klopfte mir ſchnell auf die Schulter
und ſagte: „Nun, ſo gehen Sie mit Gott. Es wird Sie
Niemand darum beneiden; der Ort iſt gar zu einſam und
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[40/0056] und ſo fand ich bald in eifrigen philologiſchen Studien Troſt und Beruhigung. Ich ging nach wie vor faſt niemals aus, und meine Erholung war, hie und da eine Stunde auf der Orgel unſerer Hauskapelle zu ſpielen. Ich hatte die erſte An¬ leitung dazu ſchon von meinem Schullehrer im Dorfe erhalten und benützte nun die Gelegenheit, dieſe Vorkenntniſſe zu er¬ weitern und auszubilden. Wenn ich ſo in der verlaſſenen Kapelle ſaß, und die Töne unter meinen Händen aufquollen, da zog ein tiefer Friede, eine lichte Seligkeit in meine Bruſt, und auch nicht ein Schatten dieſer Welt fiel hinein. So war mir manches Jahr in ſanfter Gleichförmigkeit vorübergegangen, als der Abt plötzlich ſtarb. Sein Nachfolger, ein wohldenkender, vorurtheilsfreier Mann, der mich ſtets mit vieler Nachſicht behandelt und warm vertheidigt hatte, ließ mich eines Tages zu ſich beſcheiden. „Wiſſen Sie,“ ſagte er, als ich bei ihm eintrat, „daß der Verweſer unſerer Kirche auf dem Wyſcherad wegen andauernder Kränklichkeit um Amts¬ enthebung nachgeſucht hat?“ Ich bejahte es, da ich davon ge¬ hört hatte. „Möchten Sie wohl,“ fuhr er fort, indem er mich forſchend anſah, „ſeine Stelle übernehmen?“ Er mußte in meinen Zügen ſogleich eine freudige Zuſtimmung wahrge¬ nommen haben, denn er klopfte mir ſchnell auf die Schulter und ſagte: „Nun, ſo gehen Sie mit Gott. Es wird Sie Niemand darum beneiden; der Ort iſt gar zu einſam und abgeſchieden, wenn auch das Amt eine gewiſſe Selbſtſtändig¬

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/56>, abgerufen am 24.11.2024.