Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.auf ihren Athem. Dann zündete er das Licht einer Laterne Wirklich wurde die Kranke von Minute zu Minute Ich hatte mich ihr zu Häupten gesetzt und hielt ihren Da ward es mir, als neige sich das Haupt des knieen¬ Eine nie gekannte Empfindung durchzuckte mich, als die auf ihren Athem. Dann zündete er das Licht einer Laterne Wirklich wurde die Kranke von Minute zu Minute Ich hatte mich ihr zu Häupten geſetzt und hielt ihren Da ward es mir, als neige ſich das Haupt des knieen¬ Eine nie gekannte Empfindung durchzuckte mich, als die <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0064" n="48"/> auf ihren Athem. Dann zündete er das Licht einer Laterne<lb/> an und ging.</p><lb/> <p>Wirklich wurde die Kranke von Minute zu Minute<lb/> ruhiger. Die Delirien hörten auf; das Bewegen und Zucken<lb/> der Arme wurde ſeltener, und die wüſte Bewußtloſigkeit ſchien<lb/> einem tiefen, wohlthätigen Schlummer zu weichen.</p><lb/> <p>Ich hatte mich ihr zu Häupten geſetzt und hielt ihren<lb/> Puls leicht umfaßt. Ludmilla war hart am Bette niederge¬<lb/> kniet und ſchien mit aufgeſtützten Armen und gefalteten Hä¬<lb/> den zu einem Heiligenbilde an der Wand zu beten. Der<lb/> Knabe lag, von dem bleiernen Schlafe der frühen Jugend be¬<lb/> wältigt, mit überhangendem Haupte in einem alten Lehnſtuhl.<lb/> Still quoll die Nachtluft durch das geöffnete Fenſter herein<lb/> und ſpielte mit der gedämpften Flamme der Lampe, um welche,<lb/> vom trügeriſchen Schein in die Stube gelockt, ein ſchwerfäl¬<lb/> liger Falter in immer engeren Kreiſen ſchwirrte.</p><lb/> <p>Da ward es mir, als neige ſich das Haupt des knieen¬<lb/> den Mädchens der Seite zu, wo ich ſaß. Und wie es jetzt<lb/> tiefer und tiefer ſank, löſten ſich langſam die gefalteten Hände,<lb/> die Arme fielen ſchlaff an den Hüften hinunter, und eh' ich<lb/> mich deſſen verſah, glitt der Oberleib der vom Schlafe Ueber¬<lb/> mannten ſanft in meinen Schooß herüber.</p><lb/> <p>Eine nie gekannte Empfindung durchzuckte mich, als die<lb/> holde Laſt plötzlich auf meinen Knieen lag, All' mein Blut<lb/> ſchoß zum Herzen; ich fühlte, wie ich erblaßte. Was ſollte<lb/></p> </body> </text> </TEI> [48/0064]
auf ihren Athem. Dann zündete er das Licht einer Laterne
an und ging.
Wirklich wurde die Kranke von Minute zu Minute
ruhiger. Die Delirien hörten auf; das Bewegen und Zucken
der Arme wurde ſeltener, und die wüſte Bewußtloſigkeit ſchien
einem tiefen, wohlthätigen Schlummer zu weichen.
Ich hatte mich ihr zu Häupten geſetzt und hielt ihren
Puls leicht umfaßt. Ludmilla war hart am Bette niederge¬
kniet und ſchien mit aufgeſtützten Armen und gefalteten Hä¬
den zu einem Heiligenbilde an der Wand zu beten. Der
Knabe lag, von dem bleiernen Schlafe der frühen Jugend be¬
wältigt, mit überhangendem Haupte in einem alten Lehnſtuhl.
Still quoll die Nachtluft durch das geöffnete Fenſter herein
und ſpielte mit der gedämpften Flamme der Lampe, um welche,
vom trügeriſchen Schein in die Stube gelockt, ein ſchwerfäl¬
liger Falter in immer engeren Kreiſen ſchwirrte.
Da ward es mir, als neige ſich das Haupt des knieen¬
den Mädchens der Seite zu, wo ich ſaß. Und wie es jetzt
tiefer und tiefer ſank, löſten ſich langſam die gefalteten Hände,
die Arme fielen ſchlaff an den Hüften hinunter, und eh' ich
mich deſſen verſah, glitt der Oberleib der vom Schlafe Ueber¬
mannten ſanft in meinen Schooß herüber.
Eine nie gekannte Empfindung durchzuckte mich, als die
holde Laſt plötzlich auf meinen Knieen lag, All' mein Blut
ſchoß zum Herzen; ich fühlte, wie ich erblaßte. Was ſollte
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