Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.Ich schwieg und wechselte den Umschlag der Kranken. Bald darauf trat der Zeugwart ein. Ich wies auf die Draußen war eine herrliche Nacht. Die Sterne flim¬ Horch! ferner Lärm, wie von verworrenen Stimmen, von Ich ſchwieg und wechſelte den Umſchlag der Kranken. Bald darauf trat der Zeugwart ein. Ich wies auf die Draußen war eine herrliche Nacht. Die Sterne flim¬ Horch! ferner Lärm, wie von verworrenen Stimmen, von <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0066" n="50"/> <p>Ich ſchwieg und wechſelte den Umſchlag der Kranken.<lb/> Es that mir wohl, die fiebernden Hände in's Waſſer zu tau¬<lb/> chen; doch kühlte es nicht die Gluth, die mich noch immer<lb/> durchtobte.</p><lb/> <p>Bald darauf trat der Zeugwart ein. Ich wies auf die<lb/> ruhig ſchlummernde Kranke und unterbrach erröthend die<lb/> ſchlichten Dankesworte des Mannes, indem ich mich mit dem<lb/> Bemerken verabſchiedete, daß für heute Nacht nichts mehr zu<lb/> befürchten ſei. Ludmilla hatte die Lampe ergriffen, um mir<lb/> hinaus zu leuchten. Ich winkte ihr zu bleiben, zog meine<lb/> Hand, die ſie ehrerbietig zum Kuſſe ergreifen wollte, zu¬<lb/> rück und eilte fort.</p><lb/> <p>Draußen war eine herrliche Nacht. Die Sterne flim¬<lb/> merten und zuckten, und der Mond goß ſein feuchtes Licht<lb/> über die Erde. Ohne zu wiſſen, wie ich dahin gekommen,<lb/> ſtand ich plötzlich auf der Baſtei, deren Bruſtwehr meinen wahl¬<lb/> los ſtürmenden Schritten Einhalt that. Schwüle Fliederdüfte<lb/> umquollen mein Antlitz; in der Runde ſchmetterten die Nach¬<lb/> tigallen.</p><lb/> <p>Horch! ferner Lärm, wie von verworrenen Stimmen, von<lb/> Scherzen und Gelächter. Ein Kahn kam den glitzernden<lb/> Strom herabgefahren, voll fröhlicher Menſchen, die gewiß bis<lb/> jetzt in Podol gezecht hatten und ſich in der ſtillen Mond¬<lb/> nacht auf der ſchaukelnden Fluth bis zur Prager Brücke ru¬<lb/> dern ließen.</p><lb/> </body> </text> </TEI> [50/0066]
Ich ſchwieg und wechſelte den Umſchlag der Kranken.
Es that mir wohl, die fiebernden Hände in's Waſſer zu tau¬
chen; doch kühlte es nicht die Gluth, die mich noch immer
durchtobte.
Bald darauf trat der Zeugwart ein. Ich wies auf die
ruhig ſchlummernde Kranke und unterbrach erröthend die
ſchlichten Dankesworte des Mannes, indem ich mich mit dem
Bemerken verabſchiedete, daß für heute Nacht nichts mehr zu
befürchten ſei. Ludmilla hatte die Lampe ergriffen, um mir
hinaus zu leuchten. Ich winkte ihr zu bleiben, zog meine
Hand, die ſie ehrerbietig zum Kuſſe ergreifen wollte, zu¬
rück und eilte fort.
Draußen war eine herrliche Nacht. Die Sterne flim¬
merten und zuckten, und der Mond goß ſein feuchtes Licht
über die Erde. Ohne zu wiſſen, wie ich dahin gekommen,
ſtand ich plötzlich auf der Baſtei, deren Bruſtwehr meinen wahl¬
los ſtürmenden Schritten Einhalt that. Schwüle Fliederdüfte
umquollen mein Antlitz; in der Runde ſchmetterten die Nach¬
tigallen.
Horch! ferner Lärm, wie von verworrenen Stimmen, von
Scherzen und Gelächter. Ein Kahn kam den glitzernden
Strom herabgefahren, voll fröhlicher Menſchen, die gewiß bis
jetzt in Podol gezecht hatten und ſich in der ſtillen Mond¬
nacht auf der ſchaukelnden Fluth bis zur Prager Brücke ru¬
dern ließen.
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