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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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gen, in dessen Schatten sie des herrlichen Nachmittags genoß.
Neben ihr auf einer in der Erde festgerammten Bank saß
Ludmilla. Diese sprang, als ich eintrat, hastig auf, wobei
ihrem Schooße ein buntes Chaos von Wiesenblumen entglitt.

Die Frau machte einen Versuch, sich zu erheben, sank
aber alsbald wieder kraftlos in den Stuhl zurück. So be¬
gnügte sie sich, mir ihre welke, abgemagerte Hand entgegen zu
strecken. "Wie schön, hochwürdiger Herr", sagte sie, "daß
Sie heute herüberkommen, wo ich zum ersten Male wieder die
freie Gottesluft athme."

"Es freuet mich, Sie schon so wohl zu sehen'" erwiederte
ich mit gepreßter Stimme; denn ich bemerkte daß mich Lud¬
milla mit ängstlicher Freude betrachtete.

"Gerade haben wir von Ihnen gesprochen, nicht wahr,
Mutter?" sagte sie. "Wir fürchteten schon, Sie wären krank.
Sie sahen, als sie das letzte Mal bei uns waren, gar so
blaß und leidend aus."

Ich fühlte, wie ich bei diesen Worten noch bleicher wurde
als ich es vieleicht schon war.

"Und Sie waren auch gewiß krank," fuhr Ludmilla
fort, während sie besorgt die Hände faltete. "Man sieht es
Ihnen an, daß Sie sich selbst jetzt noch nicht ganz wohl
fühlen".

"Wahrlich", bekräftigte die Mutter, "jetzt merk' ich es

gen, in deſſen Schatten ſie des herrlichen Nachmittags genoß.
Neben ihr auf einer in der Erde feſtgerammten Bank ſaß
Ludmilla. Dieſe ſprang, als ich eintrat, haſtig auf, wobei
ihrem Schooße ein buntes Chaos von Wieſenblumen entglitt.

Die Frau machte einen Verſuch, ſich zu erheben, ſank
aber alsbald wieder kraftlos in den Stuhl zurück. So be¬
gnügte ſie ſich, mir ihre welke, abgemagerte Hand entgegen zu
ſtrecken. „Wie ſchön, hochwürdiger Herr“, ſagte ſie, „daß
Sie heute herüberkommen, wo ich zum erſten Male wieder die
freie Gottesluft athme.“

„Es freuet mich, Sie ſchon ſo wohl zu ſehen‛“ erwiederte
ich mit gepreßter Stimme; denn ich bemerkte daß mich Lud¬
milla mit ängſtlicher Freude betrachtete.

„Gerade haben wir von Ihnen geſprochen, nicht wahr,
Mutter?“ ſagte ſie. „Wir fürchteten ſchon, Sie wären krank.
Sie ſahen, als ſie das letzte Mal bei uns waren, gar ſo
blaß und leidend aus.“

Ich fühlte, wie ich bei dieſen Worten noch bleicher wurde
als ich es vieleicht ſchon war.

„Und Sie waren auch gewiß krank,“ fuhr Ludmilla
fort, während ſie beſorgt die Hände faltete. „Man ſieht es
Ihnen an, daß Sie ſich ſelbſt jetzt noch nicht ganz wohl
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[55/0071] gen, in deſſen Schatten ſie des herrlichen Nachmittags genoß. Neben ihr auf einer in der Erde feſtgerammten Bank ſaß Ludmilla. Dieſe ſprang, als ich eintrat, haſtig auf, wobei ihrem Schooße ein buntes Chaos von Wieſenblumen entglitt. Die Frau machte einen Verſuch, ſich zu erheben, ſank aber alsbald wieder kraftlos in den Stuhl zurück. So be¬ gnügte ſie ſich, mir ihre welke, abgemagerte Hand entgegen zu ſtrecken. „Wie ſchön, hochwürdiger Herr“, ſagte ſie, „daß Sie heute herüberkommen, wo ich zum erſten Male wieder die freie Gottesluft athme.“ „Es freuet mich, Sie ſchon ſo wohl zu ſehen‛“ erwiederte ich mit gepreßter Stimme; denn ich bemerkte daß mich Lud¬ milla mit ängſtlicher Freude betrachtete. „Gerade haben wir von Ihnen geſprochen, nicht wahr, Mutter?“ ſagte ſie. „Wir fürchteten ſchon, Sie wären krank. Sie ſahen, als ſie das letzte Mal bei uns waren, gar ſo blaß und leidend aus.“ Ich fühlte, wie ich bei dieſen Worten noch bleicher wurde als ich es vieleicht ſchon war. „Und Sie waren auch gewiß krank,“ fuhr Ludmilla fort, während ſie beſorgt die Hände faltete. „Man ſieht es Ihnen an, daß Sie ſich ſelbſt jetzt noch nicht ganz wohl fühlen“. „Wahrlich“, bekräftigte die Mutter, „jetzt merk' ich es

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/71>, abgerufen am 24.11.2024.