Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.erst, wie übel sie aussehen. Was fehlt Ihnen, geistlicher Ich drohte umzusinken. Bei dieser ängstlichen Musterung "Wirklich? wirklich?" forschten die Frauen, "Sie wollen "Warum sollt ich das," sagte ich, das Zittern meiner "So setzen Sie sich doch hierher in den Schatten! rief erſt, wie übel ſie ausſehen. Was fehlt Ihnen, geiſtlicher Ich drohte umzuſinken. Bei dieſer ängſtlichen Muſterung „Wirklich? wirklich?“ forſchten die Frauen, „Sie wollen „Warum ſollt ich das,“ ſagte ich, das Zittern meiner „So ſetzen Sie ſich doch hierher in den Schatten! rief <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0072" n="56"/> erſt, wie übel ſie ausſehen. Was fehlt Ihnen, geiſtlicher<lb/> Herr? Reden Sie, um Gotteswillen!“</p><lb/> <p>Ich drohte umzuſinken. Bei dieſer ängſtlichen Muſterung<lb/> kam mir in den Sinn, wie verſtört ich ausſehen mußte; ich<lb/> empfand es deutlich, wie mir das Haar wirr um die Schläfen<lb/> hing, und meine Augen eine düſtere Fiebergluth ausſtrahlten.<lb/> Dennoch faßte ich mich und erwiederte, indem ich mich zu<lb/> lächeln zwang: „Mir fehlt nichts; ich fühle mich ganz wohl.“</p><lb/> <p>„Wirklich? wirklich?“ forſchten die Frauen, „Sie wollen<lb/> es uns nur verheimlichen“, ſetzte Ludmilla hinzu.</p><lb/> <p>„Warum ſollt ich das,“ ſagte ich, das Zittern meiner<lb/> Stimme gewaltſam unterdrückend. „Beruhigen Sie ſich, es iſt<lb/> nichts. Die Tage ſind jetzt nur ſo unerträglich ſchwül,“ ſetzte<lb/> ich hinzu, indem ich unwillkürlich meinen Empfindungen nach¬<lb/> gab und mit der Hand über die Stirn fuhr.</p><lb/> <p>„So ſetzen Sie ſich doch hierher in den Schatten! rief<lb/> das Mädchen und zwang mich mit ſanfter Gewalt auf die<lb/> Bank nieder. „Prokop!“ rief ſie dann dem Knaben zu, der,<lb/> ohne mein Kommen bemerkt zu haben, weiter rückwärts im<lb/> Gärtchen herumſprang, „Prokop, ſiehſt du denn nicht, daß der<lb/> geiſtliche Herr da iſt?“ Alsbald kam der Kleine auf mich zuge¬<lb/> laufen. Froh, die Verwirrung meiner Seele hinter einem<lb/> Geſpräch mit dem Kinde verbergen zu können, ſtreichelte ich<lb/> ihm das erhitzte Geſicht und das lichtblonde, kurzgeſchnittene<lb/> Haar, während ich haſtig hintereinander eine Menge Fragen<lb/></p> </body> </text> </TEI> [56/0072]
erſt, wie übel ſie ausſehen. Was fehlt Ihnen, geiſtlicher
Herr? Reden Sie, um Gotteswillen!“
Ich drohte umzuſinken. Bei dieſer ängſtlichen Muſterung
kam mir in den Sinn, wie verſtört ich ausſehen mußte; ich
empfand es deutlich, wie mir das Haar wirr um die Schläfen
hing, und meine Augen eine düſtere Fiebergluth ausſtrahlten.
Dennoch faßte ich mich und erwiederte, indem ich mich zu
lächeln zwang: „Mir fehlt nichts; ich fühle mich ganz wohl.“
„Wirklich? wirklich?“ forſchten die Frauen, „Sie wollen
es uns nur verheimlichen“, ſetzte Ludmilla hinzu.
„Warum ſollt ich das,“ ſagte ich, das Zittern meiner
Stimme gewaltſam unterdrückend. „Beruhigen Sie ſich, es iſt
nichts. Die Tage ſind jetzt nur ſo unerträglich ſchwül,“ ſetzte
ich hinzu, indem ich unwillkürlich meinen Empfindungen nach¬
gab und mit der Hand über die Stirn fuhr.
„So ſetzen Sie ſich doch hierher in den Schatten! rief
das Mädchen und zwang mich mit ſanfter Gewalt auf die
Bank nieder. „Prokop!“ rief ſie dann dem Knaben zu, der,
ohne mein Kommen bemerkt zu haben, weiter rückwärts im
Gärtchen herumſprang, „Prokop, ſiehſt du denn nicht, daß der
geiſtliche Herr da iſt?“ Alsbald kam der Kleine auf mich zuge¬
laufen. Froh, die Verwirrung meiner Seele hinter einem
Geſpräch mit dem Kinde verbergen zu können, ſtreichelte ich
ihm das erhitzte Geſicht und das lichtblonde, kurzgeſchnittene
Haar, während ich haſtig hintereinander eine Menge Fragen
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