hatte mir drinnen das Herz zusammengepreßt und eine dumpfe Hitze in's Antlitz getrieben. Nun suchte ich Luft, Kühlung. Aber die Sonne schien heiß auf meinen Scheitel nieder; kein Blatt, kein Halm regte sich. Unwillkürlich brachte ich den Strauß, um mich zu erfrischen, vor's Antlitz. Dadurch wurde ich mir erst des duftigen Geschenkes bewußt und eine seltsame Verwirrung und Beängstigung überkam mich. Es war mir, als hefteten sich rings tausend Augen auf mich und auf die Blumen in meiner Hand. Und da fingen die Stengel zwischen meinen Fingern zu glühen an und aus jedem Kelche schien eine Flamme zu schlagen. Scheu blickte ich umher; es war Niemand zu sehen, außer einer Schildwache, die hoch oben auf dem Wall, ohne mich zu beachten, träg auf und nieder ging. Ich nahm den Strauß unter mein Scapulier und eilte zu mir hinüber. Geräuschlos, mit hochklopfendem Herzen, huschte ich über den Flur und die Treppe hinauf und schloß die Thüre hinter mir ab. Hier im kühlen, einsamen Zimmer drückte ich den Strauß an die Brust, an die Augen, an den Mund. Ich gab ihm die zärtlichsten Schmeichelnamen, wühlte mit zitternden Fingern darin und bedeckte die Stengel mit zahllosen Küssen. Plötzlich aber zuckte wieder das ganze fürchterliche Bewußtsein meiner Lage in mir auf; entsetzt schleuderte ich den Strauß vor mich auf den Tisch hin, schlug mir die Hände vor's Ge¬ sicht und sank laut stöhnend in einen Stuhl.
Ich weiß nicht, wie lange ich so, eine Beute der wider¬
hatte mir drinnen das Herz zuſammengepreßt und eine dumpfe Hitze in's Antlitz getrieben. Nun ſuchte ich Luft, Kühlung. Aber die Sonne ſchien heiß auf meinen Scheitel nieder; kein Blatt, kein Halm regte ſich. Unwillkürlich brachte ich den Strauß, um mich zu erfriſchen, vor's Antlitz. Dadurch wurde ich mir erſt des duftigen Geſchenkes bewußt und eine ſeltſame Verwirrung und Beängſtigung überkam mich. Es war mir, als hefteten ſich rings tauſend Augen auf mich und auf die Blumen in meiner Hand. Und da fingen die Stengel zwiſchen meinen Fingern zu glühen an und aus jedem Kelche ſchien eine Flamme zu ſchlagen. Scheu blickte ich umher; es war Niemand zu ſehen, außer einer Schildwache, die hoch oben auf dem Wall, ohne mich zu beachten, träg auf und nieder ging. Ich nahm den Strauß unter mein Scapulier und eilte zu mir hinüber. Geräuſchlos, mit hochklopfendem Herzen, huſchte ich über den Flur und die Treppe hinauf und ſchloß die Thüre hinter mir ab. Hier im kühlen, einſamen Zimmer drückte ich den Strauß an die Bruſt, an die Augen, an den Mund. Ich gab ihm die zärtlichſten Schmeichelnamen, wühlte mit zitternden Fingern darin und bedeckte die Stengel mit zahlloſen Küſſen. Plötzlich aber zuckte wieder das ganze fürchterliche Bewußtſein meiner Lage in mir auf; entſetzt ſchleuderte ich den Strauß vor mich auf den Tiſch hin, ſchlug mir die Hände vor's Ge¬ ſicht und ſank laut ſtöhnend in einen Stuhl.
Ich weiß nicht, wie lange ich ſo, eine Beute der wider¬
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hatte mir drinnen das Herz zuſammengepreßt und eine dumpfe
Hitze in's Antlitz getrieben. Nun ſuchte ich Luft, Kühlung.
Aber die Sonne ſchien heiß auf meinen Scheitel nieder; kein
Blatt, kein Halm regte ſich. Unwillkürlich brachte ich den
Strauß, um mich zu erfriſchen, vor's Antlitz. Dadurch wurde
ich mir erſt des duftigen Geſchenkes bewußt und eine ſeltſame
Verwirrung und Beängſtigung überkam mich. Es war mir,
als hefteten ſich rings tauſend Augen auf mich und auf die
Blumen in meiner Hand. Und da fingen die Stengel zwiſchen
meinen Fingern zu glühen an und aus jedem Kelche ſchien
eine Flamme zu ſchlagen. Scheu blickte ich umher; es war
Niemand zu ſehen, außer einer Schildwache, die hoch oben auf
dem Wall, ohne mich zu beachten, träg auf und nieder ging.
Ich nahm den Strauß unter mein Scapulier und eilte zu mir
hinüber. Geräuſchlos, mit hochklopfendem Herzen, huſchte ich
über den Flur und die Treppe hinauf und ſchloß die Thüre
hinter mir ab. Hier im kühlen, einſamen Zimmer drückte ich
den Strauß an die Bruſt, an die Augen, an den Mund. Ich
gab ihm die zärtlichſten Schmeichelnamen, wühlte mit zitternden
Fingern darin und bedeckte die Stengel mit zahlloſen Küſſen.
Plötzlich aber zuckte wieder das ganze fürchterliche Bewußtſein
meiner Lage in mir auf; entſetzt ſchleuderte ich den Strauß
vor mich auf den Tiſch hin, ſchlug mir die Hände vor's Ge¬
ſicht und ſank laut ſtöhnend in einen Stuhl.
Ich weiß nicht, wie lange ich ſo, eine Beute der wider¬
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/75>, abgerufen am 24.11.2024.
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