Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Er strich mehrmals die Haare aus der Stirn. Es ist nicht zu erzählen. -- Ich reiße die Thür auf, und meine Frau liegt -- Ich störe vielleicht, sage ich und schließe wieder die Thüre. Was thu' ich? Es ist einmal so bei uns. Der Deutsche freilich behandelt die Frau wie eine Unterthanin, wir aber unterhandeln mit ihr auf gleichem Fuße, wie ein Monarch mit dem andern. Wir denken nicht: Du kannst thun was du willst, die Frau muß zufrieden sein. Bei uns hat der Gatte kein Privilegium, wir haben für Mann und Weib nur Ein Recht. Thust du mit jeder Schenkdirne schön, so mußt du dulden, daß deine Frau sich von Jedem Artigkeiten sagen läßt. Liegst du in den Armen einer Fremden, dann schweige nur, wenn dein Weib einen Andern umarmt. Hatt' ich also ein Recht? Nein, ich hatte es nicht. Ich trat also zurück und ging vor der Thür meiner Frau auf und ab. Ich fühlte eigentlich gar Nichts, es war Alles starr, still, ganz still! Ich sagte mir immer: Hast du nicht dasselbe gethan? Du hast kein Recht, du hast kein Recht. Jetzt kommt er heraus. Ich sage: Mein Freund, ich habe euch nicht stören Er strich mehrmals die Haare aus der Stirn. Es ist nicht zu erzählen. — Ich reiße die Thür auf, und meine Frau liegt — Ich störe vielleicht, sage ich und schließe wieder die Thüre. Was thu' ich? Es ist einmal so bei uns. Der Deutsche freilich behandelt die Frau wie eine Unterthanin, wir aber unterhandeln mit ihr auf gleichem Fuße, wie ein Monarch mit dem andern. Wir denken nicht: Du kannst thun was du willst, die Frau muß zufrieden sein. Bei uns hat der Gatte kein Privilegium, wir haben für Mann und Weib nur Ein Recht. Thust du mit jeder Schenkdirne schön, so mußt du dulden, daß deine Frau sich von Jedem Artigkeiten sagen läßt. Liegst du in den Armen einer Fremden, dann schweige nur, wenn dein Weib einen Andern umarmt. Hatt' ich also ein Recht? Nein, ich hatte es nicht. Ich trat also zurück und ging vor der Thür meiner Frau auf und ab. Ich fühlte eigentlich gar Nichts, es war Alles starr, still, ganz still! Ich sagte mir immer: Hast du nicht dasselbe gethan? Du hast kein Recht, du hast kein Recht. Jetzt kommt er heraus. Ich sage: Mein Freund, ich habe euch nicht stören <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0079"/> <p>Er strich mehrmals die Haare aus der Stirn.</p><lb/> <p>Es ist nicht zu erzählen. — Ich reiße die Thür auf, und meine Frau liegt — Ich störe vielleicht, sage ich und schließe wieder die Thüre.</p><lb/> <p>Was thu' ich?</p><lb/> <p>Es ist einmal so bei uns. Der Deutsche freilich behandelt die Frau wie eine Unterthanin, wir aber unterhandeln mit ihr auf gleichem Fuße, wie ein Monarch mit dem andern.</p><lb/> <p>Wir denken nicht: Du kannst thun was du willst, die Frau muß zufrieden sein. Bei uns hat der Gatte kein Privilegium, wir haben für Mann und Weib nur Ein Recht.</p><lb/> <p>Thust du mit jeder Schenkdirne schön, so mußt du dulden, daß deine Frau sich von Jedem Artigkeiten sagen läßt.</p><lb/> <p>Liegst du in den Armen einer Fremden, dann schweige nur, wenn dein Weib einen Andern umarmt.</p><lb/> <p>Hatt' ich also ein Recht?</p><lb/> <p>Nein, ich hatte es nicht.</p><lb/> <p>Ich trat also zurück und ging vor der Thür meiner Frau auf und ab.</p><lb/> <p>Ich fühlte eigentlich gar Nichts, es war Alles starr, still, ganz still!</p><lb/> <p>Ich sagte mir immer: Hast du nicht dasselbe gethan? Du hast kein Recht, du hast kein Recht.</p><lb/> <p>Jetzt kommt er heraus.</p><lb/> <p>Ich sage: Mein Freund, ich habe euch nicht stören<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0079]
Er strich mehrmals die Haare aus der Stirn.
Es ist nicht zu erzählen. — Ich reiße die Thür auf, und meine Frau liegt — Ich störe vielleicht, sage ich und schließe wieder die Thüre.
Was thu' ich?
Es ist einmal so bei uns. Der Deutsche freilich behandelt die Frau wie eine Unterthanin, wir aber unterhandeln mit ihr auf gleichem Fuße, wie ein Monarch mit dem andern.
Wir denken nicht: Du kannst thun was du willst, die Frau muß zufrieden sein. Bei uns hat der Gatte kein Privilegium, wir haben für Mann und Weib nur Ein Recht.
Thust du mit jeder Schenkdirne schön, so mußt du dulden, daß deine Frau sich von Jedem Artigkeiten sagen läßt.
Liegst du in den Armen einer Fremden, dann schweige nur, wenn dein Weib einen Andern umarmt.
Hatt' ich also ein Recht?
Nein, ich hatte es nicht.
Ich trat also zurück und ging vor der Thür meiner Frau auf und ab.
Ich fühlte eigentlich gar Nichts, es war Alles starr, still, ganz still!
Ich sagte mir immer: Hast du nicht dasselbe gethan? Du hast kein Recht, du hast kein Recht.
Jetzt kommt er heraus.
Ich sage: Mein Freund, ich habe euch nicht stören
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Zitationshilfe: | Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/79>, abgerufen am 16.07.2024. |