Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Brustfleck, sagt mein Bub ganz sachverständig. -- Wenn er ihn nicht trifft! -- Ah, er wird ihn schon treffen. Wie das Mädchen größer wird, wirft es sich auf die Erde und wälzt sich und weint. So nahm ich sie endlich mit. Ich hatte das kleine Gewehr -- meine Frau hatte damit geschossen -- kaufte ihr eine Jagdtasche, nahm sie mit. Das Mädchen hatte Ihnen Muth, Muth wie ein Mann. Nein, wie kein Mann! Wie soll ich Ihnen das erklären. Wie es so durch das Dickicht brach, sag' ich: Nun, wenn es uns schlecht geht? -- Sie lachte nur. -- Ich bin ja bei dir. Sie fürchtete nur um mich. Im Hause fieberte sie vor Angst; vor dem Wolf war sie ruhig, wie vor einer Henne, sag' ich Ihnen. Und wie wir uns verstanden. Ich brauchte beinah nicht zu sprechen. Sie verstand mein Auge, jeden Zug, jede Bewegung. Und doch sprachen wir so gern. Wenn das Wild dalag, Irena dabei kniete, es ausweidete, dann saßen wir zusammen, und die Welt war uns ein Bilderbuch, das ich meinem Kinde zeigte -- und es war doch nicht mein Kind! Aber es war doch mein Kind, und ich hatte es lieb. Auch meine Frau liebte das Kind leidenschaftlich, und je mehr es sich an mich hängte, desto leidenschaftlicher. Brustfleck, sagt mein Bub ganz sachverständig. — Wenn er ihn nicht trifft! — Ah, er wird ihn schon treffen. Wie das Mädchen größer wird, wirft es sich auf die Erde und wälzt sich und weint. So nahm ich sie endlich mit. Ich hatte das kleine Gewehr — meine Frau hatte damit geschossen — kaufte ihr eine Jagdtasche, nahm sie mit. Das Mädchen hatte Ihnen Muth, Muth wie ein Mann. Nein, wie kein Mann! Wie soll ich Ihnen das erklären. Wie es so durch das Dickicht brach, sag' ich: Nun, wenn es uns schlecht geht? — Sie lachte nur. — Ich bin ja bei dir. Sie fürchtete nur um mich. Im Hause fieberte sie vor Angst; vor dem Wolf war sie ruhig, wie vor einer Henne, sag' ich Ihnen. Und wie wir uns verstanden. Ich brauchte beinah nicht zu sprechen. Sie verstand mein Auge, jeden Zug, jede Bewegung. Und doch sprachen wir so gern. Wenn das Wild dalag, Irena dabei kniete, es ausweidete, dann saßen wir zusammen, und die Welt war uns ein Bilderbuch, das ich meinem Kinde zeigte — und es war doch nicht mein Kind! Aber es war doch mein Kind, und ich hatte es lieb. Auch meine Frau liebte das Kind leidenschaftlich, und je mehr es sich an mich hängte, desto leidenschaftlicher. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0084"/> Brustfleck, sagt mein Bub ganz sachverständig. — Wenn er ihn nicht trifft! — Ah, er wird ihn schon treffen.</p><lb/> <p>Wie das Mädchen größer wird, wirft es sich auf die Erde und wälzt sich und weint.</p><lb/> <p>So nahm ich sie endlich mit.</p><lb/> <p>Ich hatte das kleine Gewehr — meine Frau hatte damit geschossen — kaufte ihr eine Jagdtasche, nahm sie mit.</p><lb/> <p>Das Mädchen hatte Ihnen Muth, Muth wie ein Mann. Nein, wie kein Mann! Wie soll ich Ihnen das erklären.</p><lb/> <p>Wie es so durch das Dickicht brach, sag' ich: Nun, wenn es uns schlecht geht? — Sie lachte nur. — Ich bin ja bei dir. Sie fürchtete nur um mich.</p><lb/> <p>Im Hause fieberte sie vor Angst; vor dem Wolf war sie ruhig, wie vor einer Henne, sag' ich Ihnen. Und wie wir uns verstanden. Ich brauchte beinah nicht zu sprechen. Sie verstand mein Auge, jeden Zug, jede Bewegung.</p><lb/> <p>Und doch sprachen wir so gern.</p><lb/> <p>Wenn das Wild dalag, Irena dabei kniete, es ausweidete, dann saßen wir zusammen, und die Welt war uns ein Bilderbuch, das ich meinem Kinde zeigte — und es war doch nicht mein Kind! Aber es war doch mein Kind, und ich hatte es lieb.</p><lb/> <p>Auch meine Frau liebte das Kind leidenschaftlich, und je mehr es sich an mich hängte, desto leidenschaftlicher.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0084]
Brustfleck, sagt mein Bub ganz sachverständig. — Wenn er ihn nicht trifft! — Ah, er wird ihn schon treffen.
Wie das Mädchen größer wird, wirft es sich auf die Erde und wälzt sich und weint.
So nahm ich sie endlich mit.
Ich hatte das kleine Gewehr — meine Frau hatte damit geschossen — kaufte ihr eine Jagdtasche, nahm sie mit.
Das Mädchen hatte Ihnen Muth, Muth wie ein Mann. Nein, wie kein Mann! Wie soll ich Ihnen das erklären.
Wie es so durch das Dickicht brach, sag' ich: Nun, wenn es uns schlecht geht? — Sie lachte nur. — Ich bin ja bei dir. Sie fürchtete nur um mich.
Im Hause fieberte sie vor Angst; vor dem Wolf war sie ruhig, wie vor einer Henne, sag' ich Ihnen. Und wie wir uns verstanden. Ich brauchte beinah nicht zu sprechen. Sie verstand mein Auge, jeden Zug, jede Bewegung.
Und doch sprachen wir so gern.
Wenn das Wild dalag, Irena dabei kniete, es ausweidete, dann saßen wir zusammen, und die Welt war uns ein Bilderbuch, das ich meinem Kinde zeigte — und es war doch nicht mein Kind! Aber es war doch mein Kind, und ich hatte es lieb.
Auch meine Frau liebte das Kind leidenschaftlich, und je mehr es sich an mich hängte, desto leidenschaftlicher.
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Zitationshilfe: | Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/84>, abgerufen am 16.07.2024. |