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Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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seine Novelle "Don Juan von Kolomea", welche 1866 in Westermann's illustrirten Monatsheften erschien, und dann der kleine Roman "Die geschiedene Frau" die Aufmerksamkeit auf dieses jedenfalls bedeutende Talent, das, nach den ersten vielversprechenden Anfängen unter dem Einflüsse Turgenjeff's, nur leider bald in eine Bahn gerieth, auf der ihm unser Antheil nicht zu folgen vermag. In einer Reihe von Bänden "Russischer Hofgeschichten" wie auch in dem ersten "Die Liebe" betitelten Theil seines Werkes "Das Vermächtniß Kains" wird unermüdlich das Thema variirt, daß keine sittliche Kraft dem Sinnenzauber widersteht, jede Manneswürde und Mannesehre der Verführung eines üppigen Weibes erliegen muß, und daß Grausamkeit und Wollust blutsverwandt sind. Diese Richtung einer krankhaften Sinnlichkeit, verbunden mit einer nervösen, prickelnden Unruhe des Stils, dem aber oft eine wahrhaft dramatische Lebendigkeit nicht abzusprechen ist, hat Sacher-Masoch den Beifall der Franzosen eingetragen, denen der slavische Grundzug seines Naturells und die Schrankenlosigkeit seiner sittlichen Voraussetzungen um so pikanter erscheinen mochten, als die deutsche Novellistik sich bisher von solchen Verirrungen ferngehalten hatte. Wir würden es jedenfalls beklagen, wenn die Erfolge in der Revue des deux Mondes und dem Journal des Debats den Verfasser des Don Juan von Kolomea mehr und mehr in der Entfremdung von dem gesunden Geist und Wesen unserer deutschen Dichtung bestärkten und ihm in der "Naturgeschichte des Menschen" nur für die Nachtseite die Augen öffneten.



seine Novelle „Don Juan von Kolomea“, welche 1866 in Westermann's illustrirten Monatsheften erschien, und dann der kleine Roman „Die geschiedene Frau“ die Aufmerksamkeit auf dieses jedenfalls bedeutende Talent, das, nach den ersten vielversprechenden Anfängen unter dem Einflüsse Turgenjeff's, nur leider bald in eine Bahn gerieth, auf der ihm unser Antheil nicht zu folgen vermag. In einer Reihe von Bänden „Russischer Hofgeschichten“ wie auch in dem ersten „Die Liebe“ betitelten Theil seines Werkes „Das Vermächtniß Kains“ wird unermüdlich das Thema variirt, daß keine sittliche Kraft dem Sinnenzauber widersteht, jede Manneswürde und Mannesehre der Verführung eines üppigen Weibes erliegen muß, und daß Grausamkeit und Wollust blutsverwandt sind. Diese Richtung einer krankhaften Sinnlichkeit, verbunden mit einer nervösen, prickelnden Unruhe des Stils, dem aber oft eine wahrhaft dramatische Lebendigkeit nicht abzusprechen ist, hat Sacher-Masoch den Beifall der Franzosen eingetragen, denen der slavische Grundzug seines Naturells und die Schrankenlosigkeit seiner sittlichen Voraussetzungen um so pikanter erscheinen mochten, als die deutsche Novellistik sich bisher von solchen Verirrungen ferngehalten hatte. Wir würden es jedenfalls beklagen, wenn die Erfolge in der Revue des deux Mondes und dem Journal des Débats den Verfasser des Don Juan von Kolomea mehr und mehr in der Entfremdung von dem gesunden Geist und Wesen unserer deutschen Dichtung bestärkten und ihm in der „Naturgeschichte des Menschen“ nur für die Nachtseite die Augen öffneten.



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[0009] seine Novelle „Don Juan von Kolomea“, welche 1866 in Westermann's illustrirten Monatsheften erschien, und dann der kleine Roman „Die geschiedene Frau“ die Aufmerksamkeit auf dieses jedenfalls bedeutende Talent, das, nach den ersten vielversprechenden Anfängen unter dem Einflüsse Turgenjeff's, nur leider bald in eine Bahn gerieth, auf der ihm unser Antheil nicht zu folgen vermag. In einer Reihe von Bänden „Russischer Hofgeschichten“ wie auch in dem ersten „Die Liebe“ betitelten Theil seines Werkes „Das Vermächtniß Kains“ wird unermüdlich das Thema variirt, daß keine sittliche Kraft dem Sinnenzauber widersteht, jede Manneswürde und Mannesehre der Verführung eines üppigen Weibes erliegen muß, und daß Grausamkeit und Wollust blutsverwandt sind. Diese Richtung einer krankhaften Sinnlichkeit, verbunden mit einer nervösen, prickelnden Unruhe des Stils, dem aber oft eine wahrhaft dramatische Lebendigkeit nicht abzusprechen ist, hat Sacher-Masoch den Beifall der Franzosen eingetragen, denen der slavische Grundzug seines Naturells und die Schrankenlosigkeit seiner sittlichen Voraussetzungen um so pikanter erscheinen mochten, als die deutsche Novellistik sich bisher von solchen Verirrungen ferngehalten hatte. Wir würden es jedenfalls beklagen, wenn die Erfolge in der Revue des deux Mondes und dem Journal des Débats den Verfasser des Don Juan von Kolomea mehr und mehr in der Entfremdung von dem gesunden Geist und Wesen unserer deutschen Dichtung bestärkten und ihm in der „Naturgeschichte des Menschen“ nur für die Nachtseite die Augen öffneten.

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Zitationshilfe: Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/9>, abgerufen am 19.04.2024.