Die Verfasser der ältesten Kräuterbücher des 16. Jahrhunderts Brunfels, Fuchs, Bock, Mattioli u. A. sahen in den Pflanzen zunächst nur die Träger medicinischer Kräfte; die Pflanzen waren ihnen die Ingredienzien complicirter Medicamente und wurden daher mit Vorliebe als Simplicia (einfache Bestandtheile von Medicamenten) bezeichnet. Ihnen kam es zunächst darauf an, die im Alterthum von den Medicinern benutzten Pflanzen, deren Kenntniß im Mittelalter verloren gegangen war, wieder zu er- kennen; zwar waren die verdorbenenen Texte des Teophrast, Dioscorides, Plinius, Galen von den italienischen Com- mentatoren des 15. und der ersten Decenien des 16. Jahrhunderts vielfach verbessert und kritisch beleuchtet worden; ein Uebelstand aber, der sich nicht hinwegkritisiren ließ, lag in den höchst un- genügenden oft ganz fehlenden Beschreibungen der alten Autoren selbst. Dabei war man anfangs in dem Gedanken befangen, die von den griechischen Aerzten beschriebenen Pflanzen müßten auch in Deutschland, überhaupt im übrigen Europa wild wachsen; jeder sah eine andere einheimische Pflanze für die fragliche des Dioscorides, des Teophrast u. s. w. an, wodurch schon im 16. Jahrhundert eine kaum zu bewältigende Verwirrung der Nomenklatur entstand. Den Bemühungen der philologischen Commentatoren gegenüber, welche Pflanzen aus eigener Anschau- ung kaum kannten, war es ein großer Fortschritt, daß die ersten deutschen Verfasser von Kräuterbüchern sich direkt an die Natur
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Einleitung.
Die Verfaſſer der älteſten Kräuterbücher des 16. Jahrhunderts Brunfels, Fuchs, Bock, Mattioli u. A. ſahen in den Pflanzen zunächſt nur die Träger mediciniſcher Kräfte; die Pflanzen waren ihnen die Ingredienzien complicirter Medicamente und wurden daher mit Vorliebe als Simplicia (einfache Beſtandtheile von Medicamenten) bezeichnet. Ihnen kam es zunächſt darauf an, die im Alterthum von den Medicinern benutzten Pflanzen, deren Kenntniß im Mittelalter verloren gegangen war, wieder zu er- kennen; zwar waren die verdorbenenen Texte des Teophraſt, Dioscorides, Plinius, Galen von den italieniſchen Com- mentatoren des 15. und der erſten Decenien des 16. Jahrhunderts vielfach verbeſſert und kritiſch beleuchtet worden; ein Uebelſtand aber, der ſich nicht hinwegkritiſiren ließ, lag in den höchſt un- genügenden oft ganz fehlenden Beſchreibungen der alten Autoren ſelbſt. Dabei war man anfangs in dem Gedanken befangen, die von den griechiſchen Aerzten beſchriebenen Pflanzen müßten auch in Deutſchland, überhaupt im übrigen Europa wild wachſen; jeder ſah eine andere einheimiſche Pflanze für die fragliche des Dioscorides, des Tèophraſt u. ſ. w. an, wodurch ſchon im 16. Jahrhundert eine kaum zu bewältigende Verwirrung der Nomenklatur entſtand. Den Bemühungen der philologiſchen Commentatoren gegenüber, welche Pflanzen aus eigener Anſchau- ung kaum kannten, war es ein großer Fortſchritt, daß die erſten deutſchen Verfaſſer von Kräuterbüchern ſich direkt an die Natur
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Einleitung.
Die Verfaſſer der älteſten Kräuterbücher des 16. Jahrhunderts
Brunfels, Fuchs, Bock, Mattioli u. A. ſahen in den
Pflanzen zunächſt nur die Träger mediciniſcher Kräfte; die Pflanzen
waren ihnen die Ingredienzien complicirter Medicamente und
wurden daher mit Vorliebe als Simplicia (einfache Beſtandtheile
von Medicamenten) bezeichnet. Ihnen kam es zunächſt darauf an,
die im Alterthum von den Medicinern benutzten Pflanzen, deren
Kenntniß im Mittelalter verloren gegangen war, wieder zu er-
kennen; zwar waren die verdorbenenen Texte des Teophraſt,
Dioscorides, Plinius, Galen von den italieniſchen Com-
mentatoren des 15. und der erſten Decenien des 16. Jahrhunderts
vielfach verbeſſert und kritiſch beleuchtet worden; ein Uebelſtand
aber, der ſich nicht hinwegkritiſiren ließ, lag in den höchſt un-
genügenden oft ganz fehlenden Beſchreibungen der alten Autoren
ſelbſt. Dabei war man anfangs in dem Gedanken befangen,
die von den griechiſchen Aerzten beſchriebenen Pflanzen müßten
auch in Deutſchland, überhaupt im übrigen Europa wild wachſen;
jeder ſah eine andere einheimiſche Pflanze für die fragliche des
Dioscorides, des Tèophraſt u. ſ. w. an, wodurch ſchon
im 16. Jahrhundert eine kaum zu bewältigende Verwirrung
der Nomenklatur entſtand. Den Bemühungen der philologiſchen
Commentatoren gegenüber, welche Pflanzen aus eigener Anſchau-
ung kaum kannten, war es ein großer Fortſchritt, daß die erſten
deutſchen Verfaſſer von Kräuterbüchern ſich direkt an die Natur
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/15>, abgerufen am 23.11.2024.
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