Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Metamorphosenlehre und der Spiraltheorie. morphosenlehre bei den Botanikern der naturphilosophischenSchule im Einzelnen zu verfolgen: zu sehen, wie die Schlag- worte derselben: Polarität, Contraction und Expansion, das Stielartige und Röhrige, Anaphytose und Lebensknoten u. s. w. mit den Ergebnissen alltäglichster Beobachtung zu sinnlosen Con- glomeraten sich verbanden; rohe, ungeklärte Sinneseindrücke wurden ebenso wie gelegentliche Einfälle als Ideen, als Prin- cipien betrachtet. Eine ausführliche Darstellung dieser kaum glaublichen Verirrung findet man in Wigand's Geschichte und Kritik der Metamorphose. Das Unglaubliche in dieser Richtung leisteten allerdings unsere Landsleute, wie Voigt, Kiefer, Nees von Esenbeck, C. H. Schulz, Ernst Meyer (der Geschichtschreiber der Botanik), aber auch andere, wie der Schwede K. A. Agardh und manche Franzosen, wie Turpin und Du Petit-Thouars 1) u. A. blieben nicht ganz von dieser Krank- heit verschont. Selbst die besten deutschen Botaniker jener Zeit, wie Ludolph Treviranus, Link, G. W. Bischoff u. A. vermochten sich dem Einfluß dieser Art Naturphilosophie nur da zu entziehen, wo sie sich an eine möglichst nüchterne Empirie hielten. Merkwürdig! wo man auf die Metamorphose der Pflan- zen zu sprechen kam, verfielen selbst begabte und verständige Männer in sinnloses Phrasenthum; so z.B. Ernst Meyer, der zwar kein großer Botaniker war, aber in seiner Geschichte der Botanik sich als geistreicher und gebildeter Mann dar- stellt. Der peinliche Eindruck, den die Metamorphosenlehre jener Botaniker auf uns macht, wird dadurch besonders hervorgerufen, 1) Robert du Petit-Thouars geb. in Anjou 1758 sammelte
jahrelang in Isle de France, Madagascar, Bourbon Pflanzen, wurde später Director der Baumschule in Roule, 1820 Mitglied der Akademie und starb 1831. Seine biographischen Aufsätze in der Biographie universelle zeigen ihn als geistreichen Schriftsteller; bei seinen eigenen Untersuchungen, zumal über das Dickenwachsthum der Bäume, verdarben ihm vorgefaßte Meinungen und hartnäckig festgehaltene Schrullen die unbefangene Wür- digung des Gesehenen. (Ausführlicheres über sein bewegtes Leben s. Flora 1845 p. 439.) Metamorphoſenlehre und der Spiraltheorie. morphoſenlehre bei den Botanikern der naturphiloſophiſchenSchule im Einzelnen zu verfolgen: zu ſehen, wie die Schlag- worte derſelben: Polarität, Contraction und Expanſion, das Stielartige und Röhrige, Anaphytoſe und Lebensknoten u. ſ. w. mit den Ergebniſſen alltäglichſter Beobachtung zu ſinnloſen Con- glomeraten ſich verbanden; rohe, ungeklärte Sinneseindrücke wurden ebenſo wie gelegentliche Einfälle als Ideen, als Prin- cipien betrachtet. Eine ausführliche Darſtellung dieſer kaum glaublichen Verirrung findet man in Wigand's Geſchichte und Kritik der Metamorphoſe. Das Unglaubliche in dieſer Richtung leiſteten allerdings unſere Landsleute, wie Voigt, Kiefer, Nees von Eſenbeck, C. H. Schulz, Ernſt Meyer (der Geſchichtſchreiber der Botanik), aber auch andere, wie der Schwede K. A. Agardh und manche Franzoſen, wie Turpin und Du Petit-Thouars 1) u. A. blieben nicht ganz von dieſer Krank- heit verſchont. Selbſt die beſten deutſchen Botaniker jener Zeit, wie Ludolph Treviranus, Link, G. W. Biſchoff u. A. vermochten ſich dem Einfluß dieſer Art Naturphiloſophie nur da zu entziehen, wo ſie ſich an eine möglichſt nüchterne Empirie hielten. Merkwürdig! wo man auf die Metamorphoſe der Pflan- zen zu ſprechen kam, verfielen ſelbſt begabte und verſtändige Männer in ſinnloſes Phraſenthum; ſo z.B. Ernſt Meyer, der zwar kein großer Botaniker war, aber in ſeiner Geſchichte der Botanik ſich als geiſtreicher und gebildeter Mann dar- ſtellt. Der peinliche Eindruck, den die Metamorphoſenlehre jener Botaniker auf uns macht, wird dadurch beſonders hervorgerufen, 1) Robert du Petit-Thouars geb. in Anjou 1758 ſammelte
jahrelang in Isle de France, Madagascar, Bourbon Pflanzen, wurde ſpäter Director der Baumſchule in Roule, 1820 Mitglied der Akademie und ſtarb 1831. Seine biographiſchen Aufſätze in der Biographie universelle zeigen ihn als geiſtreichen Schriftſteller; bei ſeinen eigenen Unterſuchungen, zumal über das Dickenwachsthum der Bäume, verdarben ihm vorgefaßte Meinungen und hartnäckig feſtgehaltene Schrullen die unbefangene Wür- digung des Geſehenen. (Ausführlicheres über ſein bewegtes Leben ſ. Flora 1845 p. 439.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0185" n="173"/><fw place="top" type="header">Metamorphoſenlehre und der Spiraltheorie.</fw><lb/> morphoſenlehre bei den Botanikern der naturphiloſophiſchen<lb/> Schule im Einzelnen zu verfolgen: zu ſehen, wie die Schlag-<lb/> worte derſelben: Polarität, Contraction und Expanſion, das<lb/> Stielartige und Röhrige, Anaphytoſe und Lebensknoten u. ſ. w.<lb/> mit den Ergebniſſen alltäglichſter Beobachtung zu ſinnloſen Con-<lb/> glomeraten ſich verbanden; rohe, ungeklärte Sinneseindrücke<lb/> wurden ebenſo wie gelegentliche Einfälle als Ideen, als Prin-<lb/> cipien betrachtet. Eine ausführliche Darſtellung dieſer kaum<lb/> glaublichen Verirrung findet man in <hi rendition="#g">Wigand</hi>'s Geſchichte und<lb/> Kritik der Metamorphoſe. Das Unglaubliche in dieſer Richtung<lb/> leiſteten allerdings unſere Landsleute, wie <hi rendition="#g">Voigt</hi>, <hi rendition="#g">Kiefer</hi>,<lb/><hi rendition="#g">Nees von Eſenbeck</hi>, C. H. <hi rendition="#g">Schulz</hi>, <hi rendition="#g">Ernſt Meyer</hi> (der<lb/> Geſchichtſchreiber der Botanik), aber auch andere, wie der Schwede<lb/> K. A. <hi rendition="#g">Agardh</hi> und manche Franzoſen, wie <hi rendition="#g">Turpin</hi> und <hi rendition="#g">Du<lb/> Petit-Thouars</hi> <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Robert du Petit-Thouars</hi> geb. in Anjou 1758 ſammelte<lb/> jahrelang in Isle de France, Madagascar, Bourbon Pflanzen, wurde<lb/> ſpäter Director der Baumſchule in Roule, 1820 Mitglied der Akademie und<lb/> ſtarb 1831. Seine biographiſchen Aufſätze in der <hi rendition="#aq">Biographie universelle</hi><lb/> zeigen ihn als geiſtreichen Schriftſteller; bei ſeinen eigenen Unterſuchungen,<lb/> zumal über das Dickenwachsthum der Bäume, verdarben ihm vorgefaßte<lb/> Meinungen und hartnäckig feſtgehaltene Schrullen die unbefangene Wür-<lb/> digung des Geſehenen. (Ausführlicheres über ſein bewegtes Leben ſ. Flora<lb/> 1845 <hi rendition="#aq">p.</hi> 439.)</note> u. A. blieben nicht ganz von dieſer Krank-<lb/> heit verſchont. Selbſt die beſten deutſchen Botaniker jener Zeit,<lb/> wie <hi rendition="#g">Ludolph Treviranus</hi>, <hi rendition="#g">Link</hi>, G. W. <hi rendition="#g">Biſchoff</hi> u. A.<lb/> vermochten ſich dem Einfluß dieſer Art Naturphiloſophie nur da<lb/> zu entziehen, wo ſie ſich an eine möglichſt nüchterne Empirie<lb/> hielten. Merkwürdig! wo man auf die Metamorphoſe der Pflan-<lb/> zen zu ſprechen kam, verfielen ſelbſt begabte und verſtändige<lb/> Männer in ſinnloſes Phraſenthum; ſo z.B. <hi rendition="#g">Ernſt Meyer</hi>,<lb/> der zwar kein großer Botaniker war, aber in ſeiner Geſchichte<lb/> der Botanik ſich als geiſtreicher und gebildeter Mann dar-<lb/> ſtellt. Der peinliche Eindruck, den die Metamorphoſenlehre jener<lb/> Botaniker auf uns macht, wird dadurch beſonders hervorgerufen,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0185]
Metamorphoſenlehre und der Spiraltheorie.
morphoſenlehre bei den Botanikern der naturphiloſophiſchen
Schule im Einzelnen zu verfolgen: zu ſehen, wie die Schlag-
worte derſelben: Polarität, Contraction und Expanſion, das
Stielartige und Röhrige, Anaphytoſe und Lebensknoten u. ſ. w.
mit den Ergebniſſen alltäglichſter Beobachtung zu ſinnloſen Con-
glomeraten ſich verbanden; rohe, ungeklärte Sinneseindrücke
wurden ebenſo wie gelegentliche Einfälle als Ideen, als Prin-
cipien betrachtet. Eine ausführliche Darſtellung dieſer kaum
glaublichen Verirrung findet man in Wigand's Geſchichte und
Kritik der Metamorphoſe. Das Unglaubliche in dieſer Richtung
leiſteten allerdings unſere Landsleute, wie Voigt, Kiefer,
Nees von Eſenbeck, C. H. Schulz, Ernſt Meyer (der
Geſchichtſchreiber der Botanik), aber auch andere, wie der Schwede
K. A. Agardh und manche Franzoſen, wie Turpin und Du
Petit-Thouars 1) u. A. blieben nicht ganz von dieſer Krank-
heit verſchont. Selbſt die beſten deutſchen Botaniker jener Zeit,
wie Ludolph Treviranus, Link, G. W. Biſchoff u. A.
vermochten ſich dem Einfluß dieſer Art Naturphiloſophie nur da
zu entziehen, wo ſie ſich an eine möglichſt nüchterne Empirie
hielten. Merkwürdig! wo man auf die Metamorphoſe der Pflan-
zen zu ſprechen kam, verfielen ſelbſt begabte und verſtändige
Männer in ſinnloſes Phraſenthum; ſo z.B. Ernſt Meyer,
der zwar kein großer Botaniker war, aber in ſeiner Geſchichte
der Botanik ſich als geiſtreicher und gebildeter Mann dar-
ſtellt. Der peinliche Eindruck, den die Metamorphoſenlehre jener
Botaniker auf uns macht, wird dadurch beſonders hervorgerufen,
1) Robert du Petit-Thouars geb. in Anjou 1758 ſammelte
jahrelang in Isle de France, Madagascar, Bourbon Pflanzen, wurde
ſpäter Director der Baumſchule in Roule, 1820 Mitglied der Akademie und
ſtarb 1831. Seine biographiſchen Aufſätze in der Biographie universelle
zeigen ihn als geiſtreichen Schriftſteller; bei ſeinen eigenen Unterſuchungen,
zumal über das Dickenwachsthum der Bäume, verdarben ihm vorgefaßte
Meinungen und hartnäckig feſtgehaltene Schrullen die unbefangene Wür-
digung des Geſehenen. (Ausführlicheres über ſein bewegtes Leben ſ. Flora
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