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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Die Morphologie unter dem Einfluß der
daß nicht etwa der tiefere Sinn der idealistischen Philosophie
darin zu consequentem Ausdruck gelangte, sondern vielmehr da-
durch, daß mit den Schlagworten derselben ein sinnloses Spiel
getrieben wurde, indem man die höchsten Abstractionen mit der
nachlässigsten und rohesten Empirie zum Theil mit ganz unrich-
tigen Beobachtungen verband. Gerade die bessere Beobachtung
und die größere philosophische Consequenz hat Oken vor jenen
Männern voraus, und wenn wir seine Theoreme auch verwer-
fen, so macht die Lectüre seiner Darstellung doch den wohlthuen-
deren Eindruck größerer logischer Consequenz. Wie außerordent-
lich viel die neuere Botanik Männern wie P. de Candolle,
Robert Brown, Mohl, Schleiden, Naegeli, Unger
(der sich selbst nur langsam aus der Naturphilosophie heraus-
arbeitete), verdankt, erkennt man erst, wenn man die Literatur
der Metamorphosenlehre vor 1840 mit dem durch sie angebahnten
Zustand unserer Wissenschaft vergleicht.

Trotz der wirklichen und scheinbaren Verschiedenheiten der
Metamorphosenlehre Goethe's und der Lehre von dem Symmetrie-
plan De Candolle's standen beide doch wesentlich und inso-
fern auf demselben Standpuncte, als sie von der Constanz der
Arten ausgingen und beide führten gleichmäßig zu dem Ergebniß,
daß neben den mannigfaltigsten physiologischen Verschiedenheiten
der Pflanzenorgane sich formale Uebereinstimmungen derselben
geltend machen, die sich vorwiegend in der Entstehungsfolge und
den Stellungsverhältnissen aussprechen. In dieser Unterscheidung
lag überhaupt der gute Kern der Metamorphosenlehre nicht nur
bei Goethe, sondern schon bei Wolff, ja selbst bei Linne
und Caesalpin. Es kam nur darauf an, diesen guten Kern
frei von allen Schlacken, mit denen die Naturphilosophie ihn
umgeben hatte, rein darzustellen und die Betrachtung der Stel-
lungsverhältnisse mit Ernst aufzunehmen, um auch auf diesem
Gebiet der Morphologie namhafte Ergebnisse zu sichern; diesen
Schritt that zuerst Carl Friedrich Schimper und dann
Alexander Braun; beide nahmen den Hauptgedanken der
Metamorphosenlehre in der Form, wie er sich mit der Constanz-

Die Morphologie unter dem Einfluß der
daß nicht etwa der tiefere Sinn der idealiſtiſchen Philoſophie
darin zu conſequentem Ausdruck gelangte, ſondern vielmehr da-
durch, daß mit den Schlagworten derſelben ein ſinnloſes Spiel
getrieben wurde, indem man die höchſten Abſtractionen mit der
nachläſſigſten und roheſten Empirie zum Theil mit ganz unrich-
tigen Beobachtungen verband. Gerade die beſſere Beobachtung
und die größere philoſophiſche Conſequenz hat Oken vor jenen
Männern voraus, und wenn wir ſeine Theoreme auch verwer-
fen, ſo macht die Lectüre ſeiner Darſtellung doch den wohlthuen-
deren Eindruck größerer logiſcher Conſequenz. Wie außerordent-
lich viel die neuere Botanik Männern wie P. de Candolle,
Robert Brown, Mohl, Schleiden, Naegeli, Unger
(der ſich ſelbſt nur langſam aus der Naturphiloſophie heraus-
arbeitete), verdankt, erkennt man erſt, wenn man die Literatur
der Metamorphoſenlehre vor 1840 mit dem durch ſie angebahnten
Zuſtand unſerer Wiſſenſchaft vergleicht.

Trotz der wirklichen und ſcheinbaren Verſchiedenheiten der
Metamorphoſenlehre Goethe's und der Lehre von dem Symmetrie-
plan De Candolle's ſtanden beide doch weſentlich und inſo-
fern auf demſelben Standpuncte, als ſie von der Conſtanz der
Arten ausgingen und beide führten gleichmäßig zu dem Ergebniß,
daß neben den mannigfaltigſten phyſiologiſchen Verſchiedenheiten
der Pflanzenorgane ſich formale Uebereinſtimmungen derſelben
geltend machen, die ſich vorwiegend in der Entſtehungsfolge und
den Stellungsverhältniſſen ausſprechen. In dieſer Unterſcheidung
lag überhaupt der gute Kern der Metamorphoſenlehre nicht nur
bei Goethe, ſondern ſchon bei Wolff, ja ſelbſt bei Linné
und Caeſalpin. Es kam nur darauf an, dieſen guten Kern
frei von allen Schlacken, mit denen die Naturphiloſophie ihn
umgeben hatte, rein darzuſtellen und die Betrachtung der Stel-
lungsverhältniſſe mit Ernſt aufzunehmen, um auch auf dieſem
Gebiet der Morphologie namhafte Ergebniſſe zu ſichern; dieſen
Schritt that zuerſt Carl Friedrich Schimper und dann
Alexander Braun; beide nahmen den Hauptgedanken der
Metamorphoſenlehre in der Form, wie er ſich mit der Conſtanz-

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[174/0186] Die Morphologie unter dem Einfluß der daß nicht etwa der tiefere Sinn der idealiſtiſchen Philoſophie darin zu conſequentem Ausdruck gelangte, ſondern vielmehr da- durch, daß mit den Schlagworten derſelben ein ſinnloſes Spiel getrieben wurde, indem man die höchſten Abſtractionen mit der nachläſſigſten und roheſten Empirie zum Theil mit ganz unrich- tigen Beobachtungen verband. Gerade die beſſere Beobachtung und die größere philoſophiſche Conſequenz hat Oken vor jenen Männern voraus, und wenn wir ſeine Theoreme auch verwer- fen, ſo macht die Lectüre ſeiner Darſtellung doch den wohlthuen- deren Eindruck größerer logiſcher Conſequenz. Wie außerordent- lich viel die neuere Botanik Männern wie P. de Candolle, Robert Brown, Mohl, Schleiden, Naegeli, Unger (der ſich ſelbſt nur langſam aus der Naturphiloſophie heraus- arbeitete), verdankt, erkennt man erſt, wenn man die Literatur der Metamorphoſenlehre vor 1840 mit dem durch ſie angebahnten Zuſtand unſerer Wiſſenſchaft vergleicht. Trotz der wirklichen und ſcheinbaren Verſchiedenheiten der Metamorphoſenlehre Goethe's und der Lehre von dem Symmetrie- plan De Candolle's ſtanden beide doch weſentlich und inſo- fern auf demſelben Standpuncte, als ſie von der Conſtanz der Arten ausgingen und beide führten gleichmäßig zu dem Ergebniß, daß neben den mannigfaltigſten phyſiologiſchen Verſchiedenheiten der Pflanzenorgane ſich formale Uebereinſtimmungen derſelben geltend machen, die ſich vorwiegend in der Entſtehungsfolge und den Stellungsverhältniſſen ausſprechen. In dieſer Unterſcheidung lag überhaupt der gute Kern der Metamorphoſenlehre nicht nur bei Goethe, ſondern ſchon bei Wolff, ja ſelbſt bei Linné und Caeſalpin. Es kam nur darauf an, dieſen guten Kern frei von allen Schlacken, mit denen die Naturphiloſophie ihn umgeben hatte, rein darzuſtellen und die Betrachtung der Stel- lungsverhältniſſe mit Ernſt aufzunehmen, um auch auf dieſem Gebiet der Morphologie namhafte Ergebniſſe zu ſichern; dieſen Schritt that zuerſt Carl Friedrich Schimper und dann Alexander Braun; beide nahmen den Hauptgedanken der Metamorphoſenlehre in der Form, wie er ſich mit der Conſtanz-

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/186>, abgerufen am 21.11.2024.