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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Die Morphologie unter dem Einfluß der
Naturgesetzen Entstandenes gelten zu lassen, wie tief verächtlich
ihm die Grundlagen der neueren Naturwissenschaft waren, zeigt
sich in krasser Form in einem Urtheil über Darwin's Descen-
denztheorie und die neuere Atomistik, deren Grobheit um so
mehr überrascht, als Schimper eine feinfühlende, sogar poetisch
angelegte Natur war. "Die Zuchtlehre Darwin's, sagt er 1),
ist, wie ich gleich gefunden und bei wiederholtem aufmerksamen
Lesen nur immer besser wahrnehmen mußte, die kurzsichtigste,
niedrigdummste und brutalste, die möglich und noch weit arm-
seliger als die von den zusammengewürfelten Atomen, mit der
ein moderner Possenreißer und gemietheter Fälscher bei uns sich
interessant zu machen versucht hat." Hier prallte eben die alte
platonische Naturanschauung an die neue Naturwissenschaft an;
die härtesten Gegensätze, welche die Cultur bisher zu Tage ge-
fördert hat.

Eines weiteren Ausbaues war die Schimper'sche Theorie,
die man des lebhaften Antheiles wegen, den Braun von vorn-
herein an ihrer Begründung und Anwendung nahm, wohl besser
die Schimper-Braun'sche nennen darf, nur in mathematisch
formaler Richtung fähig, wie dies zumal in Naumann's
Schrift "Ueber den Quincunx als Grundgesetz der Blatttstel-
lung vieler Pflanzen" (1845) hervortrat. -- Die oben genannten
Mängel, aber nicht die Vorzüge der Schimper-Braun'schen
Theorie theilte die ungefähr zehn Jahre später aufgestellte Blatt-
stellungslehre der Gebrüder L. und A. Bravais. Obwohl in
noch höherem Grade, als jene, die mathematisch formale Seite
herauskehrend, ohne auf die genetischen Verhältnisse Rücksicht zu
nehmen, ist sie doch weniger consequent in sich selbst, insoferne
sie zwei grundverschiedene Arten der Blattstellung annimmt,
nämlich geradlinig und krummlinig geordnete Stellungen; für
letztere wird, ohne ersichtlichen Grund, eine rein ideale Urdiver-
genz angenommen, welche in irrationalem Verhältniß zum

1) In einem Flugblatt: Gruß und Lebenszeichen für die in Hannover
versammelten Freunde und Mitstrebenden von K. J. Schimper 1865.

Die Morphologie unter dem Einfluß der
Naturgeſetzen Entſtandenes gelten zu laſſen, wie tief verächtlich
ihm die Grundlagen der neueren Naturwiſſenſchaft waren, zeigt
ſich in kraſſer Form in einem Urtheil über Darwin's Deſcen-
denztheorie und die neuere Atomiſtik, deren Grobheit um ſo
mehr überraſcht, als Schimper eine feinfühlende, ſogar poetiſch
angelegte Natur war. „Die Zuchtlehre Darwin's, ſagt er 1),
iſt, wie ich gleich gefunden und bei wiederholtem aufmerkſamen
Leſen nur immer beſſer wahrnehmen mußte, die kurzſichtigſte,
niedrigdummſte und brutalſte, die möglich und noch weit arm-
ſeliger als die von den zuſammengewürfelten Atomen, mit der
ein moderner Poſſenreißer und gemietheter Fälſcher bei uns ſich
intereſſant zu machen verſucht hat.“ Hier prallte eben die alte
platoniſche Naturanſchauung an die neue Naturwiſſenſchaft an;
die härteſten Gegenſätze, welche die Cultur bisher zu Tage ge-
fördert hat.

Eines weiteren Ausbaues war die Schimper'ſche Theorie,
die man des lebhaften Antheiles wegen, den Braun von vorn-
herein an ihrer Begründung und Anwendung nahm, wohl beſſer
die Schimper-Braun'ſche nennen darf, nur in mathematiſch
formaler Richtung fähig, wie dies zumal in Naumann's
Schrift „Ueber den Quincunx als Grundgeſetz der Blatttſtel-
lung vieler Pflanzen“ (1845) hervortrat. — Die oben genannten
Mängel, aber nicht die Vorzüge der Schimper-Braun'ſchen
Theorie theilte die ungefähr zehn Jahre ſpäter aufgeſtellte Blatt-
ſtellungslehre der Gebrüder L. und A. Bravais. Obwohl in
noch höherem Grade, als jene, die mathematiſch formale Seite
herauskehrend, ohne auf die genetiſchen Verhältniſſe Rückſicht zu
nehmen, iſt ſie doch weniger conſequent in ſich ſelbſt, inſoferne
ſie zwei grundverſchiedene Arten der Blattſtellung annimmt,
nämlich geradlinig und krummlinig geordnete Stellungen; für
letztere wird, ohne erſichtlichen Grund, eine rein ideale Urdiver-
genz angenommen, welche in irrationalem Verhältniß zum

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verſammelten Freunde und Mitſtrebenden von K. J. Schimper 1865.
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[182/0194] Die Morphologie unter dem Einfluß der Naturgeſetzen Entſtandenes gelten zu laſſen, wie tief verächtlich ihm die Grundlagen der neueren Naturwiſſenſchaft waren, zeigt ſich in kraſſer Form in einem Urtheil über Darwin's Deſcen- denztheorie und die neuere Atomiſtik, deren Grobheit um ſo mehr überraſcht, als Schimper eine feinfühlende, ſogar poetiſch angelegte Natur war. „Die Zuchtlehre Darwin's, ſagt er 1), iſt, wie ich gleich gefunden und bei wiederholtem aufmerkſamen Leſen nur immer beſſer wahrnehmen mußte, die kurzſichtigſte, niedrigdummſte und brutalſte, die möglich und noch weit arm- ſeliger als die von den zuſammengewürfelten Atomen, mit der ein moderner Poſſenreißer und gemietheter Fälſcher bei uns ſich intereſſant zu machen verſucht hat.“ Hier prallte eben die alte platoniſche Naturanſchauung an die neue Naturwiſſenſchaft an; die härteſten Gegenſätze, welche die Cultur bisher zu Tage ge- fördert hat. Eines weiteren Ausbaues war die Schimper'ſche Theorie, die man des lebhaften Antheiles wegen, den Braun von vorn- herein an ihrer Begründung und Anwendung nahm, wohl beſſer die Schimper-Braun'ſche nennen darf, nur in mathematiſch formaler Richtung fähig, wie dies zumal in Naumann's Schrift „Ueber den Quincunx als Grundgeſetz der Blatttſtel- lung vieler Pflanzen“ (1845) hervortrat. — Die oben genannten Mängel, aber nicht die Vorzüge der Schimper-Braun'ſchen Theorie theilte die ungefähr zehn Jahre ſpäter aufgeſtellte Blatt- ſtellungslehre der Gebrüder L. und A. Bravais. Obwohl in noch höherem Grade, als jene, die mathematiſch formale Seite herauskehrend, ohne auf die genetiſchen Verhältniſſe Rückſicht zu nehmen, iſt ſie doch weniger conſequent in ſich ſelbſt, inſoferne ſie zwei grundverſchiedene Arten der Blattſtellung annimmt, nämlich geradlinig und krummlinig geordnete Stellungen; für letztere wird, ohne erſichtlichen Grund, eine rein ideale Urdiver- genz angenommen, welche in irrationalem Verhältniß zum 1) In einem Flugblatt: Gruß und Lebenszeichen für die in Hannover verſammelten Freunde und Mitſtrebenden von K. J. Schimper 1865.

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/194>, abgerufen am 21.11.2024.