Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Die Morphologie unter dem Einfluß der Naturgesetzen Entstandenes gelten zu lassen, wie tief verächtlichihm die Grundlagen der neueren Naturwissenschaft waren, zeigt sich in krasser Form in einem Urtheil über Darwin's Descen- denztheorie und die neuere Atomistik, deren Grobheit um so mehr überrascht, als Schimper eine feinfühlende, sogar poetisch angelegte Natur war. "Die Zuchtlehre Darwin's, sagt er 1), ist, wie ich gleich gefunden und bei wiederholtem aufmerksamen Lesen nur immer besser wahrnehmen mußte, die kurzsichtigste, niedrigdummste und brutalste, die möglich und noch weit arm- seliger als die von den zusammengewürfelten Atomen, mit der ein moderner Possenreißer und gemietheter Fälscher bei uns sich interessant zu machen versucht hat." Hier prallte eben die alte platonische Naturanschauung an die neue Naturwissenschaft an; die härtesten Gegensätze, welche die Cultur bisher zu Tage ge- fördert hat. Eines weiteren Ausbaues war die Schimper'sche Theorie, 1) In einem Flugblatt: Gruß und Lebenszeichen für die in Hannover
versammelten Freunde und Mitstrebenden von K. J. Schimper 1865. Die Morphologie unter dem Einfluß der Naturgeſetzen Entſtandenes gelten zu laſſen, wie tief verächtlichihm die Grundlagen der neueren Naturwiſſenſchaft waren, zeigt ſich in kraſſer Form in einem Urtheil über Darwin's Deſcen- denztheorie und die neuere Atomiſtik, deren Grobheit um ſo mehr überraſcht, als Schimper eine feinfühlende, ſogar poetiſch angelegte Natur war. „Die Zuchtlehre Darwin's, ſagt er 1), iſt, wie ich gleich gefunden und bei wiederholtem aufmerkſamen Leſen nur immer beſſer wahrnehmen mußte, die kurzſichtigſte, niedrigdummſte und brutalſte, die möglich und noch weit arm- ſeliger als die von den zuſammengewürfelten Atomen, mit der ein moderner Poſſenreißer und gemietheter Fälſcher bei uns ſich intereſſant zu machen verſucht hat.“ Hier prallte eben die alte platoniſche Naturanſchauung an die neue Naturwiſſenſchaft an; die härteſten Gegenſätze, welche die Cultur bisher zu Tage ge- fördert hat. Eines weiteren Ausbaues war die Schimper'ſche Theorie, 1) In einem Flugblatt: Gruß und Lebenszeichen für die in Hannover
verſammelten Freunde und Mitſtrebenden von K. J. Schimper 1865. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0194" n="182"/><fw place="top" type="header">Die Morphologie unter dem Einfluß der</fw><lb/> Naturgeſetzen Entſtandenes gelten zu laſſen, wie tief verächtlich<lb/> ihm die Grundlagen der neueren Naturwiſſenſchaft waren, zeigt<lb/> ſich in kraſſer Form in einem Urtheil über <hi rendition="#g">Darwin</hi>'s Deſcen-<lb/> denztheorie und die neuere Atomiſtik, deren Grobheit um ſo<lb/> mehr überraſcht, als <hi rendition="#g">Schimper</hi> eine feinfühlende, ſogar poetiſch<lb/> angelegte Natur war. „Die Zuchtlehre <hi rendition="#g">Darwin</hi>'s, ſagt er <note place="foot" n="1)">In einem Flugblatt: Gruß und Lebenszeichen für die in Hannover<lb/> verſammelten Freunde und Mitſtrebenden von K. J. Schimper 1865.</note>,<lb/> iſt, wie ich gleich gefunden und bei wiederholtem aufmerkſamen<lb/> Leſen nur immer beſſer wahrnehmen mußte, die kurzſichtigſte,<lb/> niedrigdummſte und brutalſte, die möglich und noch weit arm-<lb/> ſeliger als die von den zuſammengewürfelten Atomen, mit der<lb/> ein moderner Poſſenreißer und gemietheter Fälſcher bei uns ſich<lb/> intereſſant zu machen verſucht hat.“ Hier prallte eben die alte<lb/> platoniſche Naturanſchauung an die neue Naturwiſſenſchaft an;<lb/> die härteſten Gegenſätze, welche die Cultur bisher zu Tage ge-<lb/> fördert hat.</p><lb/> <p>Eines weiteren Ausbaues war die <hi rendition="#g">Schimper</hi>'ſche Theorie,<lb/> die man des lebhaften Antheiles wegen, den <hi rendition="#g">Braun</hi> von vorn-<lb/> herein an ihrer Begründung und Anwendung nahm, wohl beſſer<lb/> die <hi rendition="#g">Schimper</hi>-<hi rendition="#g">Braun</hi>'ſche nennen darf, nur in mathematiſch<lb/> formaler Richtung fähig, wie dies zumal in <hi rendition="#g">Naumann</hi>'s<lb/> Schrift „Ueber den <hi rendition="#g">Quincunx</hi> als Grundgeſetz der Blatttſtel-<lb/> lung vieler Pflanzen“ (1845) hervortrat. — Die oben genannten<lb/> Mängel, aber nicht die Vorzüge der <hi rendition="#g">Schimper</hi>-<hi rendition="#g">Braun</hi>'ſchen<lb/> Theorie theilte die ungefähr zehn Jahre ſpäter aufgeſtellte Blatt-<lb/> ſtellungslehre der Gebrüder L. und A. <hi rendition="#g">Bravais</hi>. Obwohl in<lb/> noch höherem Grade, als jene, die mathematiſch formale Seite<lb/> herauskehrend, ohne auf die genetiſchen Verhältniſſe Rückſicht zu<lb/> nehmen, iſt ſie doch weniger conſequent in ſich ſelbſt, inſoferne<lb/> ſie zwei grundverſchiedene Arten der Blattſtellung annimmt,<lb/> nämlich geradlinig und krummlinig geordnete Stellungen; für<lb/> letztere wird, ohne erſichtlichen Grund, eine rein ideale Urdiver-<lb/> genz angenommen, welche in irrationalem Verhältniß zum<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [182/0194]
Die Morphologie unter dem Einfluß der
Naturgeſetzen Entſtandenes gelten zu laſſen, wie tief verächtlich
ihm die Grundlagen der neueren Naturwiſſenſchaft waren, zeigt
ſich in kraſſer Form in einem Urtheil über Darwin's Deſcen-
denztheorie und die neuere Atomiſtik, deren Grobheit um ſo
mehr überraſcht, als Schimper eine feinfühlende, ſogar poetiſch
angelegte Natur war. „Die Zuchtlehre Darwin's, ſagt er 1),
iſt, wie ich gleich gefunden und bei wiederholtem aufmerkſamen
Leſen nur immer beſſer wahrnehmen mußte, die kurzſichtigſte,
niedrigdummſte und brutalſte, die möglich und noch weit arm-
ſeliger als die von den zuſammengewürfelten Atomen, mit der
ein moderner Poſſenreißer und gemietheter Fälſcher bei uns ſich
intereſſant zu machen verſucht hat.“ Hier prallte eben die alte
platoniſche Naturanſchauung an die neue Naturwiſſenſchaft an;
die härteſten Gegenſätze, welche die Cultur bisher zu Tage ge-
fördert hat.
Eines weiteren Ausbaues war die Schimper'ſche Theorie,
die man des lebhaften Antheiles wegen, den Braun von vorn-
herein an ihrer Begründung und Anwendung nahm, wohl beſſer
die Schimper-Braun'ſche nennen darf, nur in mathematiſch
formaler Richtung fähig, wie dies zumal in Naumann's
Schrift „Ueber den Quincunx als Grundgeſetz der Blatttſtel-
lung vieler Pflanzen“ (1845) hervortrat. — Die oben genannten
Mängel, aber nicht die Vorzüge der Schimper-Braun'ſchen
Theorie theilte die ungefähr zehn Jahre ſpäter aufgeſtellte Blatt-
ſtellungslehre der Gebrüder L. und A. Bravais. Obwohl in
noch höherem Grade, als jene, die mathematiſch formale Seite
herauskehrend, ohne auf die genetiſchen Verhältniſſe Rückſicht zu
nehmen, iſt ſie doch weniger conſequent in ſich ſelbſt, inſoferne
ſie zwei grundverſchiedene Arten der Blattſtellung annimmt,
nämlich geradlinig und krummlinig geordnete Stellungen; für
letztere wird, ohne erſichtlichen Grund, eine rein ideale Urdiver-
genz angenommen, welche in irrationalem Verhältniß zum
1) In einem Flugblatt: Gruß und Lebenszeichen für die in Hannover
verſammelten Freunde und Mitſtrebenden von K. J. Schimper 1865.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |