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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Metamorphosenlehre und der Spiraltheorie.
trachtungen der Scholastiker über das Principium individuationis
im Gegensatz zu der von ihnen behaupteten Realität der Univer-
salbegriffe, bis zu der gewöhnlichen Anwendung des Wortes in
der alltäglichen Sprache, wo ein einzelner Mensch oder ein ein-
zelner Baum und dergl. als Individuum bezeichnet wird, liegen
die Weltanschauungen verschiedener Jahrtausende, wie ja über-
haupt Sinn und Bedeutung alter Worte sich ändern, nicht selten
geradezu in ihr Gegentheil umschlagen. Bei dem nominalistischen
Standpunct der neueren Naturwissenschaft hat dieß wenig zu
bedeuten, weil diese die Worte und Begriffe als bloße Werkzeuge
der gegenseitigen Verständigung betrachtet, in den Worten und
Begriffen selbst niemals einen anderen Sinn sucht, als den man
vorher absichtlich hineingelegt hat. Ganz anders verfährt Braun,
indem er aus der Vergleichung der mannigfaltigsten Vegetations-
erscheinungen, aus der Kritik früherer Ansichten über das Pflanzen-
individuum einen tieferen Sinn nachzuweisen sucht, der mit die-
sem Wort verbunden werden müsse.

Uebrigens ist die Untersuchung des Individuums nur der
Faden, an welchem sich die Reflexionen Braun's hinziehen; im
Laufe derselben werden noch einmal die Grundsätze der teleolo-
gischen Naturphilosophie dargestellt und ihr Gegensatz gegen
die moderne Naturwissenschaft hervorgehoben, wobei aber freilich
die letztere wieder starken Mißverständnissen unterliegt, wenn sie
als materialistisch, ihre Atome als todte, ihre Kräfte als blinde
bezeichnet werden. Daß die Geschichte der Philosophie außer
Aristoteles auch noch einen Bakon, Locke, Kant aufzu-
weisen hat, daß sogar die Frage nach dem Individuum schon
von den Scholastikern behandelt worden war, würde man nach
Braun's Darstellung kaum vermuthen. Die Berücksichtigung
auch des anderen Standpunctes wäre aber um so erspießlicher
gewesen, als der Verfasser im Beginn seiner Abhandlung die
Ansicht ausspricht, die Lehre vom Individuum gehöre an den
Eingang der Botanik, wogegen man allerdings auch wohl behaupten
könnte, sie sei überhaupt ganz überflüßig.

Der Gedankengang bei der Aufsuchung dessen, was man

Metamorphoſenlehre und der Spiraltheorie.
trachtungen der Scholaſtiker über das Principium individuationis
im Gegenſatz zu der von ihnen behaupteten Realität der Univer-
ſalbegriffe, bis zu der gewöhnlichen Anwendung des Wortes in
der alltäglichen Sprache, wo ein einzelner Menſch oder ein ein-
zelner Baum und dergl. als Individuum bezeichnet wird, liegen
die Weltanſchauungen verſchiedener Jahrtauſende, wie ja über-
haupt Sinn und Bedeutung alter Worte ſich ändern, nicht ſelten
geradezu in ihr Gegentheil umſchlagen. Bei dem nominaliſtiſchen
Standpunct der neueren Naturwiſſenſchaft hat dieß wenig zu
bedeuten, weil dieſe die Worte und Begriffe als bloße Werkzeuge
der gegenſeitigen Verſtändigung betrachtet, in den Worten und
Begriffen ſelbſt niemals einen anderen Sinn ſucht, als den man
vorher abſichtlich hineingelegt hat. Ganz anders verfährt Braun,
indem er aus der Vergleichung der mannigfaltigſten Vegetations-
erſcheinungen, aus der Kritik früherer Anſichten über das Pflanzen-
individuum einen tieferen Sinn nachzuweiſen ſucht, der mit die-
ſem Wort verbunden werden müſſe.

Uebrigens iſt die Unterſuchung des Individuums nur der
Faden, an welchem ſich die Reflexionen Braun's hinziehen; im
Laufe derſelben werden noch einmal die Grundſätze der teleolo-
giſchen Naturphiloſophie dargeſtellt und ihr Gegenſatz gegen
die moderne Naturwiſſenſchaft hervorgehoben, wobei aber freilich
die letztere wieder ſtarken Mißverſtändniſſen unterliegt, wenn ſie
als materialiſtiſch, ihre Atome als todte, ihre Kräfte als blinde
bezeichnet werden. Daß die Geſchichte der Philoſophie außer
Ariſtoteles auch noch einen Bakon, Locke, Kant aufzu-
weiſen hat, daß ſogar die Frage nach dem Individuum ſchon
von den Scholaſtikern behandelt worden war, würde man nach
Braun's Darſtellung kaum vermuthen. Die Berückſichtigung
auch des anderen Standpunctes wäre aber um ſo erſpießlicher
geweſen, als der Verfaſſer im Beginn ſeiner Abhandlung die
Anſicht ausſpricht, die Lehre vom Individuum gehöre an den
Eingang der Botanik, wogegen man allerdings auch wohl behaupten
könnte, ſie ſei überhaupt ganz überflüßig.

Der Gedankengang bei der Aufſuchung deſſen, was man

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[191/0203] Metamorphoſenlehre und der Spiraltheorie. trachtungen der Scholaſtiker über das Principium individuationis im Gegenſatz zu der von ihnen behaupteten Realität der Univer- ſalbegriffe, bis zu der gewöhnlichen Anwendung des Wortes in der alltäglichen Sprache, wo ein einzelner Menſch oder ein ein- zelner Baum und dergl. als Individuum bezeichnet wird, liegen die Weltanſchauungen verſchiedener Jahrtauſende, wie ja über- haupt Sinn und Bedeutung alter Worte ſich ändern, nicht ſelten geradezu in ihr Gegentheil umſchlagen. Bei dem nominaliſtiſchen Standpunct der neueren Naturwiſſenſchaft hat dieß wenig zu bedeuten, weil dieſe die Worte und Begriffe als bloße Werkzeuge der gegenſeitigen Verſtändigung betrachtet, in den Worten und Begriffen ſelbſt niemals einen anderen Sinn ſucht, als den man vorher abſichtlich hineingelegt hat. Ganz anders verfährt Braun, indem er aus der Vergleichung der mannigfaltigſten Vegetations- erſcheinungen, aus der Kritik früherer Anſichten über das Pflanzen- individuum einen tieferen Sinn nachzuweiſen ſucht, der mit die- ſem Wort verbunden werden müſſe. Uebrigens iſt die Unterſuchung des Individuums nur der Faden, an welchem ſich die Reflexionen Braun's hinziehen; im Laufe derſelben werden noch einmal die Grundſätze der teleolo- giſchen Naturphiloſophie dargeſtellt und ihr Gegenſatz gegen die moderne Naturwiſſenſchaft hervorgehoben, wobei aber freilich die letztere wieder ſtarken Mißverſtändniſſen unterliegt, wenn ſie als materialiſtiſch, ihre Atome als todte, ihre Kräfte als blinde bezeichnet werden. Daß die Geſchichte der Philoſophie außer Ariſtoteles auch noch einen Bakon, Locke, Kant aufzu- weiſen hat, daß ſogar die Frage nach dem Individuum ſchon von den Scholaſtikern behandelt worden war, würde man nach Braun's Darſtellung kaum vermuthen. Die Berückſichtigung auch des anderen Standpunctes wäre aber um ſo erſpießlicher geweſen, als der Verfaſſer im Beginn ſeiner Abhandlung die Anſicht ausſpricht, die Lehre vom Individuum gehöre an den Eingang der Botanik, wogegen man allerdings auch wohl behaupten könnte, ſie ſei überhaupt ganz überflüßig. Der Gedankengang bei der Aufſuchung deſſen, was man

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/203>, abgerufen am 24.11.2024.