Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite
Morphologie und Systematik unter dem Einfluß der
Fünftes Capitel.
Morphologie und Systematik unter dem Einfluß der
Entwicklungsgeschichte und Kryptogamenkunde.
1840-1860.

In den Jahren unmittelbar vor und nach 1840 begann
auf allen Gebieten der Botanik, der Anatomie und Physiologie,
ebenso wie dem der Morphologie ein neues Leben. Die letztere
verband sich jetzt besonders auch mit den erneuten Untersuchungen
über die Sexualität der Pflanzen und die Embryologie, die sich
bald nicht mehr wie früher blos auf die Phanerogamen, sondern
auch zunächst auf die höheren, später auf die niederen Krypto-
gamen erstreckte. Diese entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen
waren jedoch erst dann möglich, als die Anatomie durch Mohl
neu begründet, die Zellenlehre durch Nägeli um die Mitte
der vierziger Jahre grundlegend bearbeitet worden war; beides
aber hing ab von der vorher ausgebildeten Kunst des Mikrosko-
pirens. Auf all jenen Gebieten war es die Mikroskopie, welche
die thatsächlichen Grundlagen der neuen Forschung lieferte,
während die Begründer derselben zugleich von anderen philo-
sophischen Standpunkten ausgingen, als die wir bisher in der
Botanik maßgebend erkannt haben. Keine andere Art der Forsch-
ung zwingt so wie die mikroskopische den Beobachter zur höchsten
Anspannung der Aufmerksamkeit, zur Concentrirung derselben auf
ein bestimmtes Objekt und zwar in der Weise, daß gleichzeitig
eine bestimmte Frage vorliegen muß, welche durch die Beobachtung
entschieden werden soll; überall sind Fehlerquellen zu vermeiden,

Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der
Fünftes Capitel.
Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der
Entwicklungsgeſchichte und Kryptogamenkunde.
1840-1860.

In den Jahren unmittelbar vor und nach 1840 begann
auf allen Gebieten der Botanik, der Anatomie und Phyſiologie,
ebenſo wie dem der Morphologie ein neues Leben. Die letztere
verband ſich jetzt beſonders auch mit den erneuten Unterſuchungen
über die Sexualität der Pflanzen und die Embryologie, die ſich
bald nicht mehr wie früher blos auf die Phanerogamen, ſondern
auch zunächſt auf die höheren, ſpäter auf die niederen Krypto-
gamen erſtreckte. Dieſe entwicklungsgeſchichtlichen Unterſuchungen
waren jedoch erſt dann möglich, als die Anatomie durch Mohl
neu begründet, die Zellenlehre durch Nägeli um die Mitte
der vierziger Jahre grundlegend bearbeitet worden war; beides
aber hing ab von der vorher ausgebildeten Kunſt des Mikroſko-
pirens. Auf all jenen Gebieten war es die Mikroſkopie, welche
die thatſächlichen Grundlagen der neuen Forſchung lieferte,
während die Begründer derſelben zugleich von anderen philo-
ſophiſchen Standpunkten ausgingen, als die wir bisher in der
Botanik maßgebend erkannt haben. Keine andere Art der Forſch-
ung zwingt ſo wie die mikroſkopiſche den Beobachter zur höchſten
Anſpannung der Aufmerkſamkeit, zur Concentrirung derſelben auf
ein beſtimmtes Objekt und zwar in der Weiſe, daß gleichzeitig
eine beſtimmte Frage vorliegen muß, welche durch die Beobachtung
entſchieden werden ſoll; überall ſind Fehlerquellen zu vermeiden,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0208" n="196"/>
        <fw place="top" type="header">Morphologie und Sy&#x017F;tematik unter dem Einfluß der</fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Fünftes Capitel.<lb/>
Morphologie und Sy&#x017F;tematik unter dem Einfluß der<lb/>
Entwicklungsge&#x017F;chichte und Kryptogamenkunde.<lb/>
1840-1860.</hi> </head><lb/>
          <p>In den Jahren unmittelbar vor und nach 1840 begann<lb/>
auf allen Gebieten der Botanik, der Anatomie und Phy&#x017F;iologie,<lb/>
eben&#x017F;o wie dem der Morphologie ein neues Leben. Die letztere<lb/>
verband &#x017F;ich jetzt be&#x017F;onders auch mit den erneuten Unter&#x017F;uchungen<lb/>
über die Sexualität der Pflanzen und die Embryologie, die &#x017F;ich<lb/>
bald nicht mehr wie früher blos auf die Phanerogamen, &#x017F;ondern<lb/>
auch zunäch&#x017F;t auf die höheren, &#x017F;päter auf die niederen Krypto-<lb/>
gamen er&#x017F;treckte. Die&#x017F;e entwicklungsge&#x017F;chichtlichen Unter&#x017F;uchungen<lb/>
waren jedoch er&#x017F;t dann möglich, als die Anatomie durch <hi rendition="#g">Mohl</hi><lb/>
neu begründet, die Zellenlehre durch <hi rendition="#g">Nägeli</hi> um die Mitte<lb/>
der vierziger Jahre grundlegend bearbeitet worden war; beides<lb/>
aber hing ab von der vorher ausgebildeten Kun&#x017F;t des Mikro&#x017F;ko-<lb/>
pirens. Auf all jenen Gebieten war es die Mikro&#x017F;kopie, welche<lb/>
die that&#x017F;ächlichen Grundlagen der neuen For&#x017F;chung lieferte,<lb/>
während die Begründer der&#x017F;elben zugleich von anderen philo-<lb/>
&#x017F;ophi&#x017F;chen Standpunkten ausgingen, als die wir bisher in der<lb/>
Botanik maßgebend erkannt haben. Keine andere Art der For&#x017F;ch-<lb/>
ung zwingt &#x017F;o wie die mikro&#x017F;kopi&#x017F;che den Beobachter zur höch&#x017F;ten<lb/>
An&#x017F;pannung der Aufmerk&#x017F;amkeit, zur Concentrirung der&#x017F;elben auf<lb/>
ein be&#x017F;timmtes Objekt und zwar in der Wei&#x017F;e, daß gleichzeitig<lb/>
eine be&#x017F;timmte Frage vorliegen muß, welche durch die Beobachtung<lb/>
ent&#x017F;chieden werden &#x017F;oll; überall &#x017F;ind Fehlerquellen zu vermeiden,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0208] Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der Fünftes Capitel. Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der Entwicklungsgeſchichte und Kryptogamenkunde. 1840-1860. In den Jahren unmittelbar vor und nach 1840 begann auf allen Gebieten der Botanik, der Anatomie und Phyſiologie, ebenſo wie dem der Morphologie ein neues Leben. Die letztere verband ſich jetzt beſonders auch mit den erneuten Unterſuchungen über die Sexualität der Pflanzen und die Embryologie, die ſich bald nicht mehr wie früher blos auf die Phanerogamen, ſondern auch zunächſt auf die höheren, ſpäter auf die niederen Krypto- gamen erſtreckte. Dieſe entwicklungsgeſchichtlichen Unterſuchungen waren jedoch erſt dann möglich, als die Anatomie durch Mohl neu begründet, die Zellenlehre durch Nägeli um die Mitte der vierziger Jahre grundlegend bearbeitet worden war; beides aber hing ab von der vorher ausgebildeten Kunſt des Mikroſko- pirens. Auf all jenen Gebieten war es die Mikroſkopie, welche die thatſächlichen Grundlagen der neuen Forſchung lieferte, während die Begründer derſelben zugleich von anderen philo- ſophiſchen Standpunkten ausgingen, als die wir bisher in der Botanik maßgebend erkannt haben. Keine andere Art der Forſch- ung zwingt ſo wie die mikroſkopiſche den Beobachter zur höchſten Anſpannung der Aufmerkſamkeit, zur Concentrirung derſelben auf ein beſtimmtes Objekt und zwar in der Weiſe, daß gleichzeitig eine beſtimmte Frage vorliegen muß, welche durch die Beobachtung entſchieden werden ſoll; überall ſind Fehlerquellen zu vermeiden,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/208
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/208>, abgerufen am 18.12.2024.