Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Einleitung. besteht. Linne war es, der zuerst unumwunden aussprach, daßes ein natürliches System der Pflanzen gebe, welches nicht nach dem bisherigen Verfahren durch a priori aufgestellte Merkmale charakterisirt werden könne, daß vielmehr die Regeln, nach denen das wahre und einzig natürliche System aufgestellt werden müsse, noch unbekannt sind, und daß erst weitere Forschung im Stande sein werde, das natürliche System aufzufinden. Er selbst lieferte in seinen Fragmenten 1738 ein Verzeichniß von 65 Gruppen oder Ordnungen, welche er vorläufig für natürliche Verwandt- schaftskreise ansah, wagte jedoch nicht, dieselben irgendwie durch Merkmale zu charakterisiren. Diese Gruppen, wenn auch besser gesondert und natürlicher zusammengestellt, als bei Caspar Bauhin, verdankten dennoch wie bei jenem ihre Aufstellung nur einem verfeinerten Gefühl für die relativen Aehnlichkeiten und graduellen Verschiedenheiten der Pflanzen untereinander und ganz dasselbe gilt von der Aufzählung natürlicher Familien, wie sie Bernard de Jussieu 1759 versuchte. Schon Linne (1751) und B. de Jussieu belegten diese kleinen Verwandt- schaftsgruppen, wo sie nicht schon von Alters her Namen besaßen, mit neuen Namen, welche nicht von Merkmalen, sondern von den Namen einzelner Gattungen dieser Gruppen abgeleitet waren. In dieser Art der Namengebung tritt aber deutlich der Gedanke hervor, der fortan die Systematik beherrschte, daß den zahlreichen Formen einer natürlichen Gruppe ein gemeinsamer Bildungstypus zu Grunde liege, von welchem, wie die Crystallformen aus einer Grundform, die einzelnen specifisch verschiedenen Gestalten abge- leitet werden können; ein Gedanke, der von Pyrame de Can- dolle 1719 auch ausgesprochen wurde. Mit der bloßen Benennung natürlicher Gruppen konnte Einleitung. beſteht. Linné war es, der zuerſt unumwunden ausſprach, daßes ein natürliches Syſtem der Pflanzen gebe, welches nicht nach dem bisherigen Verfahren durch a priori aufgeſtellte Merkmale charakteriſirt werden könne, daß vielmehr die Regeln, nach denen das wahre und einzig natürliche Syſtem aufgeſtellt werden müſſe, noch unbekannt ſind, und daß erſt weitere Forſchung im Stande ſein werde, das natürliche Syſtem aufzufinden. Er ſelbſt lieferte in ſeinen Fragmenten 1738 ein Verzeichniß von 65 Gruppen oder Ordnungen, welche er vorläufig für natürliche Verwandt- ſchaftskreiſe anſah, wagte jedoch nicht, dieſelben irgendwie durch Merkmale zu charakteriſiren. Dieſe Gruppen, wenn auch beſſer geſondert und natürlicher zuſammengeſtellt, als bei Caspar Bauhin, verdankten dennoch wie bei jenem ihre Aufſtellung nur einem verfeinerten Gefühl für die relativen Aehnlichkeiten und graduellen Verſchiedenheiten der Pflanzen untereinander und ganz dasſelbe gilt von der Aufzählung natürlicher Familien, wie ſie Bernard de Juſſieu 1759 verſuchte. Schon Linné (1751) und B. de Juſſieu belegten dieſe kleinen Verwandt- ſchaftsgruppen, wo ſie nicht ſchon von Alters her Namen beſaßen, mit neuen Namen, welche nicht von Merkmalen, ſondern von den Namen einzelner Gattungen dieſer Gruppen abgeleitet waren. In dieſer Art der Namengebung tritt aber deutlich der Gedanke hervor, der fortan die Syſtematik beherrſchte, daß den zahlreichen Formen einer natürlichen Gruppe ein gemeinſamer Bildungstypus zu Grunde liege, von welchem, wie die Cryſtallformen aus einer Grundform, die einzelnen ſpecifiſch verſchiedenen Geſtalten abge- leitet werden können; ein Gedanke, der von Pyrame de Can- dolle 1719 auch ausgeſprochen wurde. 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Einleitung.
beſteht. Linné war es, der zuerſt unumwunden ausſprach, daß
es ein natürliches Syſtem der Pflanzen gebe, welches nicht nach
dem bisherigen Verfahren durch a priori aufgeſtellte Merkmale
charakteriſirt werden könne, daß vielmehr die Regeln, nach denen
das wahre und einzig natürliche Syſtem aufgeſtellt werden müſſe,
noch unbekannt ſind, und daß erſt weitere Forſchung im Stande
ſein werde, das natürliche Syſtem aufzufinden. Er ſelbſt lieferte
in ſeinen Fragmenten 1738 ein Verzeichniß von 65 Gruppen
oder Ordnungen, welche er vorläufig für natürliche Verwandt-
ſchaftskreiſe anſah, wagte jedoch nicht, dieſelben irgendwie durch
Merkmale zu charakteriſiren. Dieſe Gruppen, wenn auch beſſer
geſondert und natürlicher zuſammengeſtellt, als bei Caspar
Bauhin, verdankten dennoch wie bei jenem ihre Aufſtellung
nur einem verfeinerten Gefühl für die relativen Aehnlichkeiten
und graduellen Verſchiedenheiten der Pflanzen untereinander und
ganz dasſelbe gilt von der Aufzählung natürlicher Familien,
wie ſie Bernard de Juſſieu 1759 verſuchte. Schon Linné
(1751) und B. de Juſſieu belegten dieſe kleinen Verwandt-
ſchaftsgruppen, wo ſie nicht ſchon von Alters her Namen beſaßen,
mit neuen Namen, welche nicht von Merkmalen, ſondern von
den Namen einzelner Gattungen dieſer Gruppen abgeleitet waren.
In dieſer Art der Namengebung tritt aber deutlich der Gedanke
hervor, der fortan die Syſtematik beherrſchte, daß den zahlreichen
Formen einer natürlichen Gruppe ein gemeinſamer Bildungstypus
zu Grunde liege, von welchem, wie die Cryſtallformen aus einer
Grundform, die einzelnen ſpecifiſch verſchiedenen Geſtalten abge-
leitet werden können; ein Gedanke, der von Pyrame de Can-
dolle 1719 auch ausgeſprochen wurde.
Mit der bloßen Benennung natürlicher Gruppen konnte
man ſich aber nicht begnügen; das dunkle Gefühl, welches bei
Linné und Bernard de Juſſieu der natürlichen Gruppirung
zu Grunde lag, mußte durch Angabe klar erkannter Merkmale
in die Sprache der Wiſſenſchaft umgeſetzt werden; das war
fortan die Aufgabe der neuen Syſtematiker von Antoine
Laurent de Juſſieu und de Candolle bis auf Endlicher
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