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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Einleitung.
inclusive des Caesalpin'schen und des Linne'schen nicht weniger
als die Zahl von 15 erreichten, spricht sich überall diese Incommen-
surabilität zwischen natürlicher Verwandschaft und a priori auf-
gestellten Eintheilungsgründen aus. Man pflegt die Systeme,
unter denen die von Caesalpin, Morison, Ray, Rivinus,
Tournefort die bedeutendsten sind, kurzweg als künstliche zu
bezeichnen 1); aber die Absicht dieser Männer war es keines-
wegs, Eintheilungen des Pflanzenreichs aufzustellen, welche eben
blos künstliche wären, welche nur irgend eine Anordnung zum
bequemeren Gebrauch darbieten sollten; zwar wurde vielfach von
den Botanikern des 17. Jahrhunderts und selbst von Linne
noch als Hauptzweck eines Systems die leichte Uebersichtlichkeit
hingestellt; aber jeder dieser Botaniker stellte im Grunde nur
deßhalb ein neues System auf, weil er glaubte, das Seinige
entspräche den natürlichen Verwandtschaften in höherem Grade,
als die seiner Vorgänger. Wenn auch bei einigen wie Morison,
Ray das Bedürfniß, die natürliche Verwandtschaft durch ein
System zur Anschauung zu bringen, bei andern aber mehr der
Wunsch überwog, eine leicht übersichtliche Ordnung herzustellen,
wie bei Tournefort und Magnol, so geht doch deutlich aus,
den Vorwürfen, welche jeder Folgende gegen seine Vorgänger er-
hob, hervor, daß ihnen allen die Darstellung der natürlichen
Verwandtschaft als Hauptaufgabe des Systems mehr oder min-
der klar vorschwebte; nur freilich wandte Jeder dasselbe unrichtige
Mittel an, indem man glaubte durch einige leicht wahrnehmbare
Merkmale, deren systematischer Werth a priori bestimmt wurde,
die natürlichen Verwandtschaften zur Anschauung bringen zu
können. Dieser Widerspruch zwischen Mittel und Zweck zieht
sich durch die ganze Systematik, von Caesalpin 1583 bis auf
Linne 1736.

Aber bei Linne selbst trat insofern eine neue Wendung
ein, als er zuerst deutlich erkannte, daß dieser Zwiespalt wirklich

1) Linne's Sexualsystem war ein absichtlich künstliches, wie sich weiter-
hin zeigen wird.

Einleitung.
incluſive des Caeſalpin'ſchen und des Linné'ſchen nicht weniger
als die Zahl von 15 erreichten, ſpricht ſich überall dieſe Incommen-
ſurabilität zwiſchen natürlicher Verwandſchaft und a priori auf-
geſtellten Eintheilungsgründen aus. Man pflegt die Syſteme,
unter denen die von Caeſalpin, Moriſon, Ray, Rivinus,
Tournefort die bedeutendſten ſind, kurzweg als künſtliche zu
bezeichnen 1); aber die Abſicht dieſer Männer war es keines-
wegs, Eintheilungen des Pflanzenreichs aufzuſtellen, welche eben
blos künſtliche wären, welche nur irgend eine Anordnung zum
bequemeren Gebrauch darbieten ſollten; zwar wurde vielfach von
den Botanikern des 17. Jahrhunderts und ſelbſt von Linné
noch als Hauptzweck eines Syſtems die leichte Ueberſichtlichkeit
hingeſtellt; aber jeder dieſer Botaniker ſtellte im Grunde nur
deßhalb ein neues Syſtem auf, weil er glaubte, das Seinige
entſpräche den natürlichen Verwandtſchaften in höherem Grade,
als die ſeiner Vorgänger. Wenn auch bei einigen wie Moriſon,
Ray das Bedürfniß, die natürliche Verwandtſchaft durch ein
Syſtem zur Anſchauung zu bringen, bei andern aber mehr der
Wunſch überwog, eine leicht überſichtliche Ordnung herzuſtellen,
wie bei Tournefort und Magnol, ſo geht doch deutlich aus,
den Vorwürfen, welche jeder Folgende gegen ſeine Vorgänger er-
hob, hervor, daß ihnen allen die Darſtellung der natürlichen
Verwandtſchaft als Hauptaufgabe des Syſtems mehr oder min-
der klar vorſchwebte; nur freilich wandte Jeder dasſelbe unrichtige
Mittel an, indem man glaubte durch einige leicht wahrnehmbare
Merkmale, deren ſyſtematiſcher Werth a priori beſtimmt wurde,
die natürlichen Verwandtſchaften zur Anſchauung bringen zu
können. Dieſer Widerſpruch zwiſchen Mittel und Zweck zieht
ſich durch die ganze Syſtematik, von Caeſalpin 1583 bis auf
Linné 1736.

Aber bei Linné ſelbſt trat inſofern eine neue Wendung
ein, als er zuerſt deutlich erkannte, daß dieſer Zwieſpalt wirklich

1) Linné's Sexualſyſtem war ein abſichtlich künſtliches, wie ſich weiter-
hin zeigen wird.
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[8/0020] Einleitung. incluſive des Caeſalpin'ſchen und des Linné'ſchen nicht weniger als die Zahl von 15 erreichten, ſpricht ſich überall dieſe Incommen- ſurabilität zwiſchen natürlicher Verwandſchaft und a priori auf- geſtellten Eintheilungsgründen aus. Man pflegt die Syſteme, unter denen die von Caeſalpin, Moriſon, Ray, Rivinus, Tournefort die bedeutendſten ſind, kurzweg als künſtliche zu bezeichnen 1); aber die Abſicht dieſer Männer war es keines- wegs, Eintheilungen des Pflanzenreichs aufzuſtellen, welche eben blos künſtliche wären, welche nur irgend eine Anordnung zum bequemeren Gebrauch darbieten ſollten; zwar wurde vielfach von den Botanikern des 17. Jahrhunderts und ſelbſt von Linné noch als Hauptzweck eines Syſtems die leichte Ueberſichtlichkeit hingeſtellt; aber jeder dieſer Botaniker ſtellte im Grunde nur deßhalb ein neues Syſtem auf, weil er glaubte, das Seinige entſpräche den natürlichen Verwandtſchaften in höherem Grade, als die ſeiner Vorgänger. Wenn auch bei einigen wie Moriſon, Ray das Bedürfniß, die natürliche Verwandtſchaft durch ein Syſtem zur Anſchauung zu bringen, bei andern aber mehr der Wunſch überwog, eine leicht überſichtliche Ordnung herzuſtellen, wie bei Tournefort und Magnol, ſo geht doch deutlich aus, den Vorwürfen, welche jeder Folgende gegen ſeine Vorgänger er- hob, hervor, daß ihnen allen die Darſtellung der natürlichen Verwandtſchaft als Hauptaufgabe des Syſtems mehr oder min- der klar vorſchwebte; nur freilich wandte Jeder dasſelbe unrichtige Mittel an, indem man glaubte durch einige leicht wahrnehmbare Merkmale, deren ſyſtematiſcher Werth a priori beſtimmt wurde, die natürlichen Verwandtſchaften zur Anſchauung bringen zu können. Dieſer Widerſpruch zwiſchen Mittel und Zweck zieht ſich durch die ganze Syſtematik, von Caeſalpin 1583 bis auf Linné 1736. Aber bei Linné ſelbſt trat inſofern eine neue Wendung ein, als er zuerſt deutlich erkannte, daß dieſer Zwieſpalt wirklich 1) Linné's Sexualſyſtem war ein abſichtlich künſtliches, wie ſich weiter- hin zeigen wird.

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/20>, abgerufen am 21.11.2024.