Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Zellenlehre, Entwicklungsgeschichte und Kryptogamenkunde. thum wurde auf die Entstehung ihrer einzelnen Zellen zurück-geführt; es ergab sich sofort das merkwürdige Resultat, daß zunächst bei den Kryptogamen, deren Wachsthum überhaupt mit Zelltheilungen verbunden ist, eine ganz bestimmte Gesetzmäßigkeit in der Aufeinanderfolge und Richtung der Theilungswände ob- waltet, daß Zellen von ganz bestimmter Ableitung den Ursprung und das weitere Wachsthum jedes Organs vermitteln. Das Merkwürdigste war, daß jeder Stamm oder Zweig, jedes Blatt und sonstige Organ an seinem Scheitel eine einzelne Zelle besitzt, durch deren gesetzmäßige Theilungen alle übrigen entstehen, so daß für jede Gewebezelle ihre Herkunft aus jener Scheitelzelle nachgewiesen werden kann und schon in den Jahren 1845 und 46 (Zeitschr. f. wiss. Bot.) zeigte Nägeli die drei Hauptformen, unter denen die Segmentirung einer Scheitelzelle sich vollzieht, nämlich die einreihige, zwei- und dreireihige (Delesseria, Echinomitrium, Phascum, Jungermannia, Moosblätter). Gewann auf diese Weise das Studium der Wachsthumsgeschichte der Kryptogamen eine ungemeine Klarheit und Bestimmtheit ihrer einzelnen Momente, so zeigte Nägeli andererseits schon 1844 an einer Algengattung (Caulerpa), daß das Wachsthum einer Pflanze auch dann die gewöhnlichen morphologischen Differenz- irungen in Axe, Blatt und Wurzel zeigen könne, wenn die Fortpflanzungszelle bei der Entwicklung und weiterem Wachsthum überhaupt gar keine Zelltheilungen erleidet und 1847 wurden ähnliche Verhältnisse zuerst bei Valonia, Udotea und Acetabu- laria ausführlich nachgewiesen. Abgesehen von anderen Folge- rungen war durch diese Thatsachen festgestellt, daß die morpho- logische Differenzirung während des Wachsthums nicht als eine Wirkung der Zelltheilungen betrachtet werden dürfe und zugleich gewann der Begriff der Zelle durch derartige Fälle eine höchst merkwürdige Erweiterung. Uebrigens ließ es Nägeli nicht dabei bewenden, unter den 14*
Zellenlehre, Entwicklungsgeſchichte und Kryptogamenkunde. thum wurde auf die Entſtehung ihrer einzelnen Zellen zurück-geführt; es ergab ſich ſofort das merkwürdige Reſultat, daß zunächſt bei den Kryptogamen, deren Wachsthum überhaupt mit Zelltheilungen verbunden iſt, eine ganz beſtimmte Geſetzmäßigkeit in der Aufeinanderfolge und Richtung der Theilungswände ob- waltet, daß Zellen von ganz beſtimmter Ableitung den Urſprung und das weitere Wachsthum jedes Organs vermitteln. Das Merkwürdigſte war, daß jeder Stamm oder Zweig, jedes Blatt und ſonſtige Organ an ſeinem Scheitel eine einzelne Zelle beſitzt, durch deren geſetzmäßige Theilungen alle übrigen entſtehen, ſo daß für jede Gewebezelle ihre Herkunft aus jener Scheitelzelle nachgewieſen werden kann und ſchon in den Jahren 1845 und 46 (Zeitſchr. f. wiſſ. Bot.) zeigte Nägeli die drei Hauptformen, unter denen die Segmentirung einer Scheitelzelle ſich vollzieht, nämlich die einreihige, zwei- und dreireihige (Delesseria, Echinomitrium, Phascum, Jungermannia, Moosblätter). Gewann auf dieſe Weiſe das Studium der Wachsthumsgeſchichte der Kryptogamen eine ungemeine Klarheit und Beſtimmtheit ihrer einzelnen Momente, ſo zeigte Nägeli andererſeits ſchon 1844 an einer Algengattung (Caulerpa), daß das Wachsthum einer Pflanze auch dann die gewöhnlichen morphologiſchen Differenz- irungen in Axe, Blatt und Wurzel zeigen könne, wenn die Fortpflanzungszelle bei der Entwicklung und weiterem Wachsthum überhaupt gar keine Zelltheilungen erleidet und 1847 wurden ähnliche Verhältniſſe zuerſt bei Valonia, Udotea und Acetabu- laria ausführlich nachgewieſen. Abgeſehen von anderen Folge- rungen war durch dieſe Thatſachen feſtgeſtellt, daß die morpho- logiſche Differenzirung während des Wachsthums nicht als eine Wirkung der Zelltheilungen betrachtet werden dürfe und zugleich gewann der Begriff der Zelle durch derartige Fälle eine höchſt merkwürdige Erweiterung. Uebrigens ließ es Nägeli nicht dabei bewenden, unter den 14*
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Zellenlehre, Entwicklungsgeſchichte und Kryptogamenkunde.
thum wurde auf die Entſtehung ihrer einzelnen Zellen zurück-
geführt; es ergab ſich ſofort das merkwürdige Reſultat, daß
zunächſt bei den Kryptogamen, deren Wachsthum überhaupt mit
Zelltheilungen verbunden iſt, eine ganz beſtimmte Geſetzmäßigkeit
in der Aufeinanderfolge und Richtung der Theilungswände ob-
waltet, daß Zellen von ganz beſtimmter Ableitung den Urſprung
und das weitere Wachsthum jedes Organs vermitteln. Das
Merkwürdigſte war, daß jeder Stamm oder Zweig, jedes Blatt
und ſonſtige Organ an ſeinem Scheitel eine einzelne Zelle beſitzt,
durch deren geſetzmäßige Theilungen alle übrigen entſtehen, ſo
daß für jede Gewebezelle ihre Herkunft aus jener Scheitelzelle
nachgewieſen werden kann und ſchon in den Jahren 1845 und
46 (Zeitſchr. f. wiſſ. Bot.) zeigte Nägeli die drei Hauptformen,
unter denen die Segmentirung einer Scheitelzelle ſich vollzieht,
nämlich die einreihige, zwei- und dreireihige (Delesseria,
Echinomitrium, Phascum, Jungermannia, Moosblätter).
Gewann auf dieſe Weiſe das Studium der Wachsthumsgeſchichte
der Kryptogamen eine ungemeine Klarheit und Beſtimmtheit ihrer
einzelnen Momente, ſo zeigte Nägeli andererſeits ſchon 1844
an einer Algengattung (Caulerpa), daß das Wachsthum einer
Pflanze auch dann die gewöhnlichen morphologiſchen Differenz-
irungen in Axe, Blatt und Wurzel zeigen könne, wenn die
Fortpflanzungszelle bei der Entwicklung und weiterem Wachsthum
überhaupt gar keine Zelltheilungen erleidet und 1847 wurden
ähnliche Verhältniſſe zuerſt bei Valonia, Udotea und Acetabu-
laria ausführlich nachgewieſen. Abgeſehen von anderen Folge-
rungen war durch dieſe Thatſachen feſtgeſtellt, daß die morpho-
logiſche Differenzirung während des Wachsthums nicht als eine
Wirkung der Zelltheilungen betrachtet werden dürfe und zugleich
gewann der Begriff der Zelle durch derartige Fälle eine höchſt
merkwürdige Erweiterung.
Uebrigens ließ es Nägeli nicht dabei bewenden, unter den
niederen Kryptogamen lehrreiche Beiſpiele für allgemeine mor-
phologiſche Sätze aufzuſuchen; er widmete vielmehr den Algen
ein ſpecielles Studium auch im ſyſtematiſch deſcriptiven Sinne;
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