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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Die Phytotomie im 18. Jahrhundert.
Verfolgung der rein phytotomischen Fragen vielfach abgelenkt, ist
seine berühmte Schrift, Theoria generationis 1759, doch von
großer Bedeutung für die Geschichte der Phytotomie 1); denn,
wenn dieselbe auch in den nächsten vierzig Jahren bei den Bo-
tanikern unbeachtet blieb oder doch keinen nenneswerthen Ein-
fluß ausübte, so war es doch Wolff's Lehre von der Ent-
stehung der Zellenstruktur der Pflanzen, welche am Anfang unseres
Jahrhunderts von Mirbel in der Hauptsache wieder aufge-
nommen wurde, und der Widerspruch, den dieß hervorrief,
hat wesentlich zum Fortschritt der Phytotomie beigetragen.
Was der Schrift Caspar Fridrich Wolff's eine so
späte, aber nachhaltige Wirkung sicherte, war übrigens nicht
die thatsächliche Richtigkeit seiner Beobachtungen, sondern
der Gedankenreichthum derselben und das Streben, das wahre
Wesen der zelligen Pflanzenstruktur zu ergründen, es auf physi-
kalischem und philosophischem Wege zu erklären. Wolff's Be-
obachtungen selbst, soweit sie den Zellenbau der Pflanzen betreffen,
sind höchst ungenau, von vorgefaßten Meinungen beeinflußt, seine
Darstellung getrübt, oft unleidlich gemacht durch die Sucht, das
ungenau Gesehene sofort philosophisch deuten und erklären zu wollen.
Seine entwicklungsgeschichtlichen Bestrebungen, soweit sie die Ent-
stehung des Zellgewebes betreffen, leiden an dem großen Mangel,
daß Wolff die Struktur der ausgebildeten Organe offenbar
nicht hinreichend kannte und es scheint, nach seinen Abbildungen
und theoretischen Erwägungen zu schließen, daß sein Mikroskop
nicht hinreichend vergrößerte und wohl auch keine scharfen Bilder
gab. Trotz all dieser Mängel ist die genannte Schrift in dem
ganzen Zeitraum zwischen Grew und Mirbel ohne Zweifel
des Bedeutendste auf dem Gebiet der Phytotomie und zwar, wie
schon angedeutet wurde, nicht wegen der besonderen Güte der
Beobachtung, sondern weil Wolff aus seinen Beobachtungen
Etwas zu machen wußte, die bloß sinnlichen Wahrnehmungen
zur Grundlage einer Theorie benutzte.

1) Ich benutze die lateinische Ausgabe von 1774.

Die Phytotomie im 18. Jahrhundert.
Verfolgung der rein phytotomiſchen Fragen vielfach abgelenkt, iſt
ſeine berühmte Schrift, Theoria generationis 1759, doch von
großer Bedeutung für die Geſchichte der Phytotomie 1); denn,
wenn dieſelbe auch in den nächſten vierzig Jahren bei den Bo-
tanikern unbeachtet blieb oder doch keinen nenneswerthen Ein-
fluß ausübte, ſo war es doch Wolff's Lehre von der Ent-
ſtehung der Zellenſtruktur der Pflanzen, welche am Anfang unſeres
Jahrhunderts von Mirbel in der Hauptſache wieder aufge-
nommen wurde, und der Widerſpruch, den dieß hervorrief,
hat weſentlich zum Fortſchritt der Phytotomie beigetragen.
Was der Schrift Caspar Fridrich Wolff's eine ſo
ſpäte, aber nachhaltige Wirkung ſicherte, war übrigens nicht
die thatſächliche Richtigkeit ſeiner Beobachtungen, ſondern
der Gedankenreichthum derſelben und das Streben, das wahre
Weſen der zelligen Pflanzenſtruktur zu ergründen, es auf phyſi-
kaliſchem und philoſophiſchem Wege zu erklären. Wolff's Be-
obachtungen ſelbſt, ſoweit ſie den Zellenbau der Pflanzen betreffen,
ſind höchſt ungenau, von vorgefaßten Meinungen beeinflußt, ſeine
Darſtellung getrübt, oft unleidlich gemacht durch die Sucht, das
ungenau Geſehene ſofort philoſophiſch deuten und erklären zu wollen.
Seine entwicklungsgeſchichtlichen Beſtrebungen, ſoweit ſie die Ent-
ſtehung des Zellgewebes betreffen, leiden an dem großen Mangel,
daß Wolff die Struktur der ausgebildeten Organe offenbar
nicht hinreichend kannte und es ſcheint, nach ſeinen Abbildungen
und theoretiſchen Erwägungen zu ſchließen, daß ſein Mikroſkop
nicht hinreichend vergrößerte und wohl auch keine ſcharfen Bilder
gab. Trotz all dieſer Mängel iſt die genannte Schrift in dem
ganzen Zeitraum zwiſchen Grew und Mirbel ohne Zweifel
des Bedeutendſte auf dem Gebiet der Phytotomie und zwar, wie
ſchon angedeutet wurde, nicht wegen der beſonderen Güte der
Beobachtung, ſondern weil Wolff aus ſeinen Beobachtungen
Etwas zu machen wußte, die bloß ſinnlichen Wahrnehmungen
zur Grundlage einer Theorie benutzte.

1) Ich benutze die lateiniſche Ausgabe von 1774.
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[270/0282] Die Phytotomie im 18. Jahrhundert. Verfolgung der rein phytotomiſchen Fragen vielfach abgelenkt, iſt ſeine berühmte Schrift, Theoria generationis 1759, doch von großer Bedeutung für die Geſchichte der Phytotomie 1); denn, wenn dieſelbe auch in den nächſten vierzig Jahren bei den Bo- tanikern unbeachtet blieb oder doch keinen nenneswerthen Ein- fluß ausübte, ſo war es doch Wolff's Lehre von der Ent- ſtehung der Zellenſtruktur der Pflanzen, welche am Anfang unſeres Jahrhunderts von Mirbel in der Hauptſache wieder aufge- nommen wurde, und der Widerſpruch, den dieß hervorrief, hat weſentlich zum Fortſchritt der Phytotomie beigetragen. Was der Schrift Caspar Fridrich Wolff's eine ſo ſpäte, aber nachhaltige Wirkung ſicherte, war übrigens nicht die thatſächliche Richtigkeit ſeiner Beobachtungen, ſondern der Gedankenreichthum derſelben und das Streben, das wahre Weſen der zelligen Pflanzenſtruktur zu ergründen, es auf phyſi- kaliſchem und philoſophiſchem Wege zu erklären. Wolff's Be- obachtungen ſelbſt, ſoweit ſie den Zellenbau der Pflanzen betreffen, ſind höchſt ungenau, von vorgefaßten Meinungen beeinflußt, ſeine Darſtellung getrübt, oft unleidlich gemacht durch die Sucht, das ungenau Geſehene ſofort philoſophiſch deuten und erklären zu wollen. Seine entwicklungsgeſchichtlichen Beſtrebungen, ſoweit ſie die Ent- ſtehung des Zellgewebes betreffen, leiden an dem großen Mangel, daß Wolff die Struktur der ausgebildeten Organe offenbar nicht hinreichend kannte und es ſcheint, nach ſeinen Abbildungen und theoretiſchen Erwägungen zu ſchließen, daß ſein Mikroſkop nicht hinreichend vergrößerte und wohl auch keine ſcharfen Bilder gab. Trotz all dieſer Mängel iſt die genannte Schrift in dem ganzen Zeitraum zwiſchen Grew und Mirbel ohne Zweifel des Bedeutendſte auf dem Gebiet der Phytotomie und zwar, wie ſchon angedeutet wurde, nicht wegen der beſonderen Güte der Beobachtung, ſondern weil Wolff aus ſeinen Beobachtungen Etwas zu machen wußte, die bloß ſinnlichen Wahrnehmungen zur Grundlage einer Theorie benutzte. 1) Ich benutze die lateiniſche Ausgabe von 1774.

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/282>, abgerufen am 24.11.2024.