sammelte, sondern die Studien auch dazu benutzte, seine Ver- standeskräfte einer strengen Dressur zu unterwerfen, daß zeigt schon die auffallende Sicherheit und Klarheit in der Darstellung seiner ersten Untersuchungen. In jener Zeit, wo die Natur- philosophie und die entstellte Goethe'sche Metamorphosenlehre noch fortwucherte, trat Mohl trotz seiner Jugend mit einer Ruhe und Unbefangenheit an die Gegenstände seiner Forschung heran, die besonders dann auffällt, wenn man beachtet, wie sein Freund Unger anfangs ganz in jene Strömung gerieth und nur langsam es dahin brachte, sich auf den festen Boden ächt induktiver Forschung zu retten.
Mohl war wohl in Folge der Uebertreibungen und Ver- irrungen, welche er in seiner Jugend an der Naturphilosophie kennen lernte, aller Philosophie abhold, indem er offenbar die unförmlichen Ausswüchse der Schelling'schen und Hegel'- schen Lehren für etwas der Philosophie Wesentliches hielt, wie man leicht aus seiner Rede bei Eröffnung der naturhistorischen Fakultät in Tübingen, welche auf sein Betreiben von der philo- sophischen abgetrennt worden war, entnehmen kann. Seine Ab- neigung gegen die Abstraktionen der Philosophie hing offenbar zusammen mit der gegen weitgehende Combinationen und gegen umfassende Theorien, auch da, wo solche sich aus genauen Be- obachtungen durch sorgfältige Schlußfolgerungen ergeben. Mohl begnügte sich gewöhnlich mit der Feststellung der Thatsachen im Einzelnen und seine theoretischen Folgerungen hielten sich möglichst eng an das direkt Gesehene, so z. B. seine Theorie des Dickenwachsthums der Zellhäute und wo sich ihm in Folge seiner genauen Beobachtung weitere Fernsichten eröffneten, da hielt er gewöhnlich vorsichtig inne, begnügte sich mit Andeutungen, wo später kühnere Denker ihre Forschung erst aufnahmen; so z. B. bei seiner Untersuchung der Zellhäute im polarisirten Licht. Es war daher wenig Geniales und Schwunghaftes in Mohl's wissenschaftlicher Thätigkeit; dafür entschadigte aber mehr als hinreichend der sichere, feste Boden, den er dem Leser seiner Ar- beiten überall darbietet; wenn man von der Lektüre der vor 1844
Unterſuchung des fertigen
ſammelte, ſondern die Studien auch dazu benutzte, ſeine Ver- ſtandeskräfte einer ſtrengen Dreſſur zu unterwerfen, daß zeigt ſchon die auffallende Sicherheit und Klarheit in der Darſtellung ſeiner erſten Unterſuchungen. In jener Zeit, wo die Natur- philoſophie und die entſtellte Goethe'ſche Metamorphoſenlehre noch fortwucherte, trat Mohl trotz ſeiner Jugend mit einer Ruhe und Unbefangenheit an die Gegenſtände ſeiner Forſchung heran, die beſonders dann auffällt, wenn man beachtet, wie ſein Freund Unger anfangs ganz in jene Strömung gerieth und nur langſam es dahin brachte, ſich auf den feſten Boden ächt induktiver Forſchung zu retten.
Mohl war wohl in Folge der Uebertreibungen und Ver- irrungen, welche er in ſeiner Jugend an der Naturphiloſophie kennen lernte, aller Philoſophie abhold, indem er offenbar die unförmlichen Ausſwüchſe der Schelling'ſchen und Hegel'- ſchen Lehren für etwas der Philoſophie Weſentliches hielt, wie man leicht aus ſeiner Rede bei Eröffnung der naturhiſtoriſchen Fakultät in Tübingen, welche auf ſein Betreiben von der philo- ſophiſchen abgetrennt worden war, entnehmen kann. Seine Ab- neigung gegen die Abſtraktionen der Philoſophie hing offenbar zuſammen mit der gegen weitgehende Combinationen und gegen umfaſſende Theorien, auch da, wo ſolche ſich aus genauen Be- obachtungen durch ſorgfältige Schlußfolgerungen ergeben. Mohl begnügte ſich gewöhnlich mit der Feſtſtellung der Thatſachen im Einzelnen und ſeine theoretiſchen Folgerungen hielten ſich möglichſt eng an das direkt Geſehene, ſo z. B. ſeine Theorie des Dickenwachsthums der Zellhäute und wo ſich ihm in Folge ſeiner genauen Beobachtung weitere Fernſichten eröffneten, da hielt er gewöhnlich vorſichtig inne, begnügte ſich mit Andeutungen, wo ſpäter kühnere Denker ihre Forſchung erſt aufnahmen; ſo z. B. bei ſeiner Unterſuchung der Zellhäute im polariſirten Licht. Es war daher wenig Geniales und Schwunghaftes in Mohl's wiſſenſchaftlicher Thätigkeit; dafür entſchadigte aber mehr als hinreichend der ſichere, feſte Boden, den er dem Leſer ſeiner Ar- beiten überall darbietet; wenn man von der Lektüre der vor 1844
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Unterſuchung des fertigen
ſammelte, ſondern die Studien auch dazu benutzte, ſeine Ver-
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ſchon die auffallende Sicherheit und Klarheit in der Darſtellung
ſeiner erſten Unterſuchungen. In jener Zeit, wo die Natur-
philoſophie und die entſtellte Goethe'ſche Metamorphoſenlehre
noch fortwucherte, trat Mohl trotz ſeiner Jugend mit einer
Ruhe und Unbefangenheit an die Gegenſtände ſeiner Forſchung
heran, die beſonders dann auffällt, wenn man beachtet, wie ſein
Freund Unger anfangs ganz in jene Strömung gerieth und
nur langſam es dahin brachte, ſich auf den feſten Boden ächt
induktiver Forſchung zu retten.
Mohl war wohl in Folge der Uebertreibungen und Ver-
irrungen, welche er in ſeiner Jugend an der Naturphiloſophie
kennen lernte, aller Philoſophie abhold, indem er offenbar die
unförmlichen Ausſwüchſe der Schelling'ſchen und Hegel'-
ſchen Lehren für etwas der Philoſophie Weſentliches hielt, wie
man leicht aus ſeiner Rede bei Eröffnung der naturhiſtoriſchen
Fakultät in Tübingen, welche auf ſein Betreiben von der philo-
ſophiſchen abgetrennt worden war, entnehmen kann. Seine Ab-
neigung gegen die Abſtraktionen der Philoſophie hing offenbar
zuſammen mit der gegen weitgehende Combinationen und gegen
umfaſſende Theorien, auch da, wo ſolche ſich aus genauen Be-
obachtungen durch ſorgfältige Schlußfolgerungen ergeben. Mohl
begnügte ſich gewöhnlich mit der Feſtſtellung der Thatſachen
im Einzelnen und ſeine theoretiſchen Folgerungen hielten ſich
möglichſt eng an das direkt Geſehene, ſo z. B. ſeine Theorie des
Dickenwachsthums der Zellhäute und wo ſich ihm in Folge ſeiner
genauen Beobachtung weitere Fernſichten eröffneten, da hielt er
gewöhnlich vorſichtig inne, begnügte ſich mit Andeutungen, wo
ſpäter kühnere Denker ihre Forſchung erſt aufnahmen; ſo z. B.
bei ſeiner Unterſuchung der Zellhäute im polariſirten Licht. Es
war daher wenig Geniales und Schwunghaftes in Mohl's
wiſſenſchaftlicher Thätigkeit; dafür entſchadigte aber mehr als
hinreichend der ſichere, feſte Boden, den er dem Leſer ſeiner Ar-
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/330>, abgerufen am 21.11.2024.
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