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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Zellhautgerüstes der Pflanzen
dene Zellhäute mit Jodlösung unter verschiedenen Verhältnissen
ergeben, eine Frage, welche in den letzten Jahren durch Meyen
und Schleiden verschieden beantwortet worden war; Mohl
kam zu dem Resultat, daß das Jod den vegetabilischen Zellhäuten
je nach der Menge, in welcher es aufgenommen wird, sehr ver-
schiedene Farben ertheilt; eine geringe Menge erzeuge gelbe oder
braune, eine größere violette, eine noch größere blaue Färbung; zum
Theil hänge dieß von der Quellungsfähigkeit der Haut ab; zumal be-
ruhe die blaue Färbung hauptsächlich darauf, daß eine hinreichende
Menge Jod eingelagert wird. Größeres Interesse gewann die Frage
nach der chemischen Natur des festen Gerüstes des Pflanzenkörpers,
jedoch erst durch eine sehr wichtige Arbeit von Payen 1844 1),
worin derselbe nachwies, daß die Substanz aller Zellhäute, wenn
sie von fremden Einlagerungen gereinigt sind, die gleiche chemische
Zusammensetzung zeigt. Nach Payen's Ansicht ist dieser Stoff,
die Cellulose, in den jungen Zellhäuten ziemlich rein vorhanden,
in den älteren dagegen durch "inkrustirende Substanzen" verun-
reinigt, deren Anwesenheit die physikalischen und chemischen
Eigenschaften der Zellhäute in verschiedener Weise verändert.
Diese inkrustirenden Substanzen können durch Behandlung der
Zellhäute mit Säuren, Alkalien, Alkohol, Aether mehr oder
weniger vollständig ausgezogen werden, während andere, un-
organische Stoffe nach der Verbrennung der Häute als Aschen-
skelett zurückbleiben. Dieser gegenwärtig weiter ausgebildeten
Theorie trat bald darauf Mulder mit der Behauptung entgegen,
daß ein großer Theil der die Zellhäute zusammensetzenden Schichten
von Anfang an aus anderen Verbindungen und nicht aus Cel-
lulose bestehe; zugleich leitete Mulder aus dieser Behauptung
Folgerungen über das Dickenwachsthum der Zellhäute ab. Er

1) Anselm Payen geb. 1795 zu Paris, gest. 1871 war Professor
der industriellen Chemie an der Pariser ecole des arts et metiers. Seine
für die Botanik wichtigen Abhandlungen waren: Memoire sur l'amidon etc.
Paris 1839 und besonders mem. sur le developpement des vegetaux in
den Memoiren der Pariser Akademie.

Zellhautgerüſtes der Pflanzen
dene Zellhäute mit Jodlöſung unter verſchiedenen Verhältniſſen
ergeben, eine Frage, welche in den letzten Jahren durch Meyen
und Schleiden verſchieden beantwortet worden war; Mohl
kam zu dem Reſultat, daß das Jod den vegetabiliſchen Zellhäuten
je nach der Menge, in welcher es aufgenommen wird, ſehr ver-
ſchiedene Farben ertheilt; eine geringe Menge erzeuge gelbe oder
braune, eine größere violette, eine noch größere blaue Färbung; zum
Theil hänge dieß von der Quellungsfähigkeit der Haut ab; zumal be-
ruhe die blaue Färbung hauptſächlich darauf, daß eine hinreichende
Menge Jod eingelagert wird. Größeres Intereſſe gewann die Frage
nach der chemiſchen Natur des feſten Gerüſtes des Pflanzenkörpers,
jedoch erſt durch eine ſehr wichtige Arbeit von Payen 1844 1),
worin derſelbe nachwies, daß die Subſtanz aller Zellhäute, wenn
ſie von fremden Einlagerungen gereinigt ſind, die gleiche chemiſche
Zuſammenſetzung zeigt. Nach Payen's Anſicht iſt dieſer Stoff,
die Celluloſe, in den jungen Zellhäuten ziemlich rein vorhanden,
in den älteren dagegen durch „inkruſtirende Subſtanzen“ verun-
reinigt, deren Anweſenheit die phyſikaliſchen und chemiſchen
Eigenſchaften der Zellhäute in verſchiedener Weiſe verändert.
Dieſe inkruſtirenden Subſtanzen können durch Behandlung der
Zellhäute mit Säuren, Alkalien, Alkohol, Aether mehr oder
weniger vollſtändig ausgezogen werden, während andere, un-
organiſche Stoffe nach der Verbrennung der Häute als Aſchen-
ſkelett zurückbleiben. Dieſer gegenwärtig weiter ausgebildeten
Theorie trat bald darauf Mulder mit der Behauptung entgegen,
daß ein großer Theil der die Zellhäute zuſammenſetzenden Schichten
von Anfang an aus anderen Verbindungen und nicht aus Cel-
luloſe beſtehe; zugleich leitete Mulder aus dieſer Behauptung
Folgerungen über das Dickenwachsthum der Zellhäute ab. Er

1) Anſelm Payen geb. 1795 zu Paris, geſt. 1871 war Profeſſor
der induſtriellen Chemie an der Pariſer école des arts et métiers. Seine
für die Botanik wichtigen Abhandlungen waren: Mémoire sur l'amidon etc.
Paris 1839 und beſonders mém. sur le dévéloppement des végétaux in
den Memoiren der Pariſer Akademie.
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[327/0339] Zellhautgerüſtes der Pflanzen dene Zellhäute mit Jodlöſung unter verſchiedenen Verhältniſſen ergeben, eine Frage, welche in den letzten Jahren durch Meyen und Schleiden verſchieden beantwortet worden war; Mohl kam zu dem Reſultat, daß das Jod den vegetabiliſchen Zellhäuten je nach der Menge, in welcher es aufgenommen wird, ſehr ver- ſchiedene Farben ertheilt; eine geringe Menge erzeuge gelbe oder braune, eine größere violette, eine noch größere blaue Färbung; zum Theil hänge dieß von der Quellungsfähigkeit der Haut ab; zumal be- ruhe die blaue Färbung hauptſächlich darauf, daß eine hinreichende Menge Jod eingelagert wird. Größeres Intereſſe gewann die Frage nach der chemiſchen Natur des feſten Gerüſtes des Pflanzenkörpers, jedoch erſt durch eine ſehr wichtige Arbeit von Payen 1844 1), worin derſelbe nachwies, daß die Subſtanz aller Zellhäute, wenn ſie von fremden Einlagerungen gereinigt ſind, die gleiche chemiſche Zuſammenſetzung zeigt. Nach Payen's Anſicht iſt dieſer Stoff, die Celluloſe, in den jungen Zellhäuten ziemlich rein vorhanden, in den älteren dagegen durch „inkruſtirende Subſtanzen“ verun- reinigt, deren Anweſenheit die phyſikaliſchen und chemiſchen Eigenſchaften der Zellhäute in verſchiedener Weiſe verändert. Dieſe inkruſtirenden Subſtanzen können durch Behandlung der Zellhäute mit Säuren, Alkalien, Alkohol, Aether mehr oder weniger vollſtändig ausgezogen werden, während andere, un- organiſche Stoffe nach der Verbrennung der Häute als Aſchen- ſkelett zurückbleiben. Dieſer gegenwärtig weiter ausgebildeten Theorie trat bald darauf Mulder mit der Behauptung entgegen, daß ein großer Theil der die Zellhäute zuſammenſetzenden Schichten von Anfang an aus anderen Verbindungen und nicht aus Cel- luloſe beſtehe; zugleich leitete Mulder aus dieſer Behauptung Folgerungen über das Dickenwachsthum der Zellhäute ab. Er 1) Anſelm Payen geb. 1795 zu Paris, geſt. 1871 war Profeſſor der induſtriellen Chemie an der Pariſer école des arts et métiers. Seine für die Botanik wichtigen Abhandlungen waren: Mémoire sur l'amidon etc. Paris 1839 und beſonders mém. sur le dévéloppement des végétaux in den Memoiren der Pariſer Akademie.

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/339>, abgerufen am 22.11.2024.