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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Untersuchung des fertigen
tiefer liegende Theile der Rinde außer Zusammenhang mit dem
übrigen lebendem Gewebe gesetzt werden, während sie selbst ab-
sterbend sich zu einer rauhen Kruste anhäufen, welche als Borke
die meisten dicken Baumstämme umgiebt. Die Untersuchung
war so gründlich und umfassend, daß spätere Beobachter, beson-
ders Sanio 1860, nur noch feinere entwicklungsgeschichtliche
Verhältnisse nachzutragen vermochten. Noch in demselben Jahr
erschien auch die Untersuchung über die Lenticellen, wo Mohl
jedoch übersah, was gleichzeitig Unger entdeckte (Flora 1836),
daß diese Gebilde unter den Spaltöffnungen entstehen; dafür be-
richtigte er aber sogleich die abenteuerliche Annahme Unger's,
wonach die Lenticellen ähnliche Gebilde, wie die Keimkörnerhaufen
der Jungermannien-Blätter sein sollten; Unger seinerseits
zögerte nicht, Mohl's Deutung der Lenticellen als lokaler
Korkbildungen anzunehmen.

Bei der scharfen Hervorhebung der Eigenartigkeit der Ge-
fäßbündel, sowie der verschiedenen Hautgewebeformen von Seiten
Mohl's muß es Wunder nehmen, daß er ebensowenig, wie die
späteren Phytotomen, das Bedürfniß empfand, auch die noch
übrigen Gewebemassen in ihrer eigenthümlichen Gruppirung als
ein Ganzes, als ein eigenartiges Gewebesystem aufzufassen, die
verschiedenenen Gewebeformen desselben zu klassificiren und zweck-
mäßig zu benennen, wozu ihm gerade die Untersuchung der
Baumfarne eine Veranlassung hätte bieten können. Mohl be-
gnügte sich ebenso wie die gleichzeitigen Phytotomen, Alles, was
nicht Epidermis, Kork oder Gefäßbündel ist, als Parenchym zu
bezeichnen, ohne diesen Ausdruck scharf zu umgrenzen.

Wir verlassen hiemit Mohl's Thätigkeit einstweilen, um
im folgenden Capitel noch wiederholt auf seine Betheiligung an
dem weiteren Fortschritt der Phytotomie zurückzukommen. Man
kann sich Mohl's Bedeutung für die Geschichte unserer Wissen-
schaft vielleicht am besten dadurch klar machen, daß man es ver-
sucht, die hier genannten Leistungen desselben als überhaupt gar
nicht existirend zu betrachten; es würde in diesem Falle in der
neueren phytotomischen Literatur eine ganz ungeheure Lücke ent-

Unterſuchung des fertigen
tiefer liegende Theile der Rinde außer Zuſammenhang mit dem
übrigen lebendem Gewebe geſetzt werden, während ſie ſelbſt ab-
ſterbend ſich zu einer rauhen Kruſte anhäufen, welche als Borke
die meiſten dicken Baumſtämme umgiebt. Die Unterſuchung
war ſo gründlich und umfaſſend, daß ſpätere Beobachter, beſon-
ders Sanio 1860, nur noch feinere entwicklungsgeſchichtliche
Verhältniſſe nachzutragen vermochten. Noch in demſelben Jahr
erſchien auch die Unterſuchung über die Lenticellen, wo Mohl
jedoch überſah, was gleichzeitig Unger entdeckte (Flora 1836),
daß dieſe Gebilde unter den Spaltöffnungen entſtehen; dafür be-
richtigte er aber ſogleich die abenteuerliche Annahme Unger's,
wonach die Lenticellen ähnliche Gebilde, wie die Keimkörnerhaufen
der Jungermannien-Blätter ſein ſollten; Unger ſeinerſeits
zögerte nicht, Mohl's Deutung der Lenticellen als lokaler
Korkbildungen anzunehmen.

Bei der ſcharfen Hervorhebung der Eigenartigkeit der Ge-
fäßbündel, ſowie der verſchiedenen Hautgewebeformen von Seiten
Mohl's muß es Wunder nehmen, daß er ebenſowenig, wie die
ſpäteren Phytotomen, das Bedürfniß empfand, auch die noch
übrigen Gewebemaſſen in ihrer eigenthümlichen Gruppirung als
ein Ganzes, als ein eigenartiges Gewebeſyſtem aufzufaſſen, die
verſchiedenenen Gewebeformen desſelben zu klaſſificiren und zweck-
mäßig zu benennen, wozu ihm gerade die Unterſuchung der
Baumfarne eine Veranlaſſung hätte bieten können. Mohl be-
gnügte ſich ebenſo wie die gleichzeitigen Phytotomen, Alles, was
nicht Epidermis, Kork oder Gefäßbündel iſt, als Parenchym zu
bezeichnen, ohne dieſen Ausdruck ſcharf zu umgrenzen.

Wir verlaſſen hiemit Mohl's Thätigkeit einſtweilen, um
im folgenden Capitel noch wiederholt auf ſeine Betheiligung an
dem weiteren Fortſchritt der Phytotomie zurückzukommen. Man
kann ſich Mohl's Bedeutung für die Geſchichte unſerer Wiſſen-
ſchaft vielleicht am beſten dadurch klar machen, daß man es ver-
ſucht, die hier genannten Leiſtungen desſelben als überhaupt gar
nicht exiſtirend zu betrachten; es würde in dieſem Falle in der
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[334/0346] Unterſuchung des fertigen tiefer liegende Theile der Rinde außer Zuſammenhang mit dem übrigen lebendem Gewebe geſetzt werden, während ſie ſelbſt ab- ſterbend ſich zu einer rauhen Kruſte anhäufen, welche als Borke die meiſten dicken Baumſtämme umgiebt. Die Unterſuchung war ſo gründlich und umfaſſend, daß ſpätere Beobachter, beſon- ders Sanio 1860, nur noch feinere entwicklungsgeſchichtliche Verhältniſſe nachzutragen vermochten. Noch in demſelben Jahr erſchien auch die Unterſuchung über die Lenticellen, wo Mohl jedoch überſah, was gleichzeitig Unger entdeckte (Flora 1836), daß dieſe Gebilde unter den Spaltöffnungen entſtehen; dafür be- richtigte er aber ſogleich die abenteuerliche Annahme Unger's, wonach die Lenticellen ähnliche Gebilde, wie die Keimkörnerhaufen der Jungermannien-Blätter ſein ſollten; Unger ſeinerſeits zögerte nicht, Mohl's Deutung der Lenticellen als lokaler Korkbildungen anzunehmen. Bei der ſcharfen Hervorhebung der Eigenartigkeit der Ge- fäßbündel, ſowie der verſchiedenen Hautgewebeformen von Seiten Mohl's muß es Wunder nehmen, daß er ebenſowenig, wie die ſpäteren Phytotomen, das Bedürfniß empfand, auch die noch übrigen Gewebemaſſen in ihrer eigenthümlichen Gruppirung als ein Ganzes, als ein eigenartiges Gewebeſyſtem aufzufaſſen, die verſchiedenenen Gewebeformen desſelben zu klaſſificiren und zweck- mäßig zu benennen, wozu ihm gerade die Unterſuchung der Baumfarne eine Veranlaſſung hätte bieten können. Mohl be- gnügte ſich ebenſo wie die gleichzeitigen Phytotomen, Alles, was nicht Epidermis, Kork oder Gefäßbündel iſt, als Parenchym zu bezeichnen, ohne dieſen Ausdruck ſcharf zu umgrenzen. Wir verlaſſen hiemit Mohl's Thätigkeit einſtweilen, um im folgenden Capitel noch wiederholt auf ſeine Betheiligung an dem weiteren Fortſchritt der Phytotomie zurückzukommen. Man kann ſich Mohl's Bedeutung für die Geſchichte unſerer Wiſſen- ſchaft vielleicht am beſten dadurch klar machen, daß man es ver- ſucht, die hier genannten Leiſtungen desſelben als überhaupt gar nicht exiſtirend zu betrachten; es würde in dieſem Falle in der neueren phytotomiſchen Literatur eine ganz ungeheure Lücke ent-

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/346>, abgerufen am 24.11.2024.