Gewebeform, Molecularstruktur der organischen Gebilde.
besteht, ist es sehr schwer, das herauszufinden, was als wissen- schaftliches Gemeingut betrachtet werden darf, ein Uebelstand, an welchem vielleicht keine andere Wissenschaft so sehr wie die Botanik leidet.
In wieweit die einzelnen Botaniker an der Fortbildung der Phytotomie während des hier betrachteten Zeitraums sich be- theiligt haben, wird aus der folgenden Darstellung von selbst hervorgehen; wenn dabei fast nur von Deutschen die Rede ist, so liegt die Ursache einfach darin, daß die Engländer seit Grew bis auf die neueste Zeit zur Fortbildung der Phytotomie so gut wie gar Nichts beigetragen haben; auch die früher durch Mal- pighi so großartig vertretenen Italiener bei den hier behandelten Fragen kaum noch in Betracht kommen, während die französischen Botaniker, in dem vorigen Zeitraum durch Mirbel vertreten, zwar auch später noch zahlreiche phytotomische Arbeiten lieferten, ohne sich jedoch an der Entscheidung der hier allein behandelten fundamentalen Fragen wesentlich zu betheiligen.
Wenn wir in der vorhergehenden Periode noch der fort- schreitenden Ausbildung des Mikroskops Rechnung tragen mußten, um die Entwicklung der Ansichten von der Pflanzenstruktur zu verstehen, so ist dieß dagegen nach 1840 kaum noch nöthig. Gute und brauchbare Mikroskope mit starker Vergrößerung und klarem Gesichtsfeld standen seit dieser Zeit jedem Phytotomen zu Gebote und wenn die Instrumente auch bis auf den heutigen Tag noch immer vervollkommnet werden, so waren doch die in den vier- ziger und fünfziger Jahren allgemein verbreiteten in den Händen geschickter Beobachter völlig ausreichend zur Entscheidung der neu- gestellten Fragen. Die wesentlichste Verbesserung, welche das Mikroskop in diesem Zeitraum erfuhr, war offenbar die Ein- richtung desselben für den Polarisationsapparat und für be- quemere Messung der Objekte; wir werden weiter unten sehen, welchen Einfluß zumal die erstgenannte Einrichtung auf die Ausbildung von Nägeli's Molekulartheorie gewann. -- Je besser die Mikroskope wurden, und je schwieriger die Fragen, um deren Entscheidung es sich handelte, desto mehr
Gewebeform, Molecularſtruktur der organiſchen Gebilde.
beſteht, iſt es ſehr ſchwer, das herauszufinden, was als wiſſen- ſchaftliches Gemeingut betrachtet werden darf, ein Uebelſtand, an welchem vielleicht keine andere Wiſſenſchaft ſo ſehr wie die Botanik leidet.
In wieweit die einzelnen Botaniker an der Fortbildung der Phytotomie während des hier betrachteten Zeitraums ſich be- theiligt haben, wird aus der folgenden Darſtellung von ſelbſt hervorgehen; wenn dabei faſt nur von Deutſchen die Rede iſt, ſo liegt die Urſache einfach darin, daß die Engländer ſeit Grew bis auf die neueſte Zeit zur Fortbildung der Phytotomie ſo gut wie gar Nichts beigetragen haben; auch die früher durch Mal- pighi ſo großartig vertretenen Italiener bei den hier behandelten Fragen kaum noch in Betracht kommen, während die franzöſiſchen Botaniker, in dem vorigen Zeitraum durch Mirbel vertreten, zwar auch ſpäter noch zahlreiche phytotomiſche Arbeiten lieferten, ohne ſich jedoch an der Entſcheidung der hier allein behandelten fundamentalen Fragen weſentlich zu betheiligen.
Wenn wir in der vorhergehenden Periode noch der fort- ſchreitenden Ausbildung des Mikroſkops Rechnung tragen mußten, um die Entwicklung der Anſichten von der Pflanzenſtruktur zu verſtehen, ſo iſt dieß dagegen nach 1840 kaum noch nöthig. Gute und brauchbare Mikroſkope mit ſtarker Vergrößerung und klarem Geſichtsfeld ſtanden ſeit dieſer Zeit jedem Phytotomen zu Gebote und wenn die Inſtrumente auch bis auf den heutigen Tag noch immer vervollkommnet werden, ſo waren doch die in den vier- ziger und fünfziger Jahren allgemein verbreiteten in den Händen geſchickter Beobachter völlig ausreichend zur Entſcheidung der neu- geſtellten Fragen. Die weſentlichſte Verbeſſerung, welche das Mikroſkop in dieſem Zeitraum erfuhr, war offenbar die Ein- richtung desſelben für den Polariſationsapparat und für be- quemere Meſſung der Objekte; wir werden weiter unten ſehen, welchen Einfluß zumal die erſtgenannte Einrichtung auf die Ausbildung von Nägeli's Molekulartheorie gewann. — Je beſſer die Mikroſkope wurden, und je ſchwieriger die Fragen, um deren Entſcheidung es ſich handelte, deſto mehr
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Gewebeform, Molecularſtruktur der organiſchen Gebilde.
beſteht, iſt es ſehr ſchwer, das herauszufinden, was als wiſſen-
ſchaftliches Gemeingut betrachtet werden darf, ein Uebelſtand, an
welchem vielleicht keine andere Wiſſenſchaft ſo ſehr wie die Botanik
leidet.
In wieweit die einzelnen Botaniker an der Fortbildung der
Phytotomie während des hier betrachteten Zeitraums ſich be-
theiligt haben, wird aus der folgenden Darſtellung von ſelbſt
hervorgehen; wenn dabei faſt nur von Deutſchen die Rede iſt,
ſo liegt die Urſache einfach darin, daß die Engländer ſeit Grew
bis auf die neueſte Zeit zur Fortbildung der Phytotomie ſo gut
wie gar Nichts beigetragen haben; auch die früher durch Mal-
pighi ſo großartig vertretenen Italiener bei den hier behandelten
Fragen kaum noch in Betracht kommen, während die franzöſiſchen
Botaniker, in dem vorigen Zeitraum durch Mirbel vertreten,
zwar auch ſpäter noch zahlreiche phytotomiſche Arbeiten lieferten,
ohne ſich jedoch an der Entſcheidung der hier allein behandelten
fundamentalen Fragen weſentlich zu betheiligen.
Wenn wir in der vorhergehenden Periode noch der fort-
ſchreitenden Ausbildung des Mikroſkops Rechnung tragen mußten,
um die Entwicklung der Anſichten von der Pflanzenſtruktur zu
verſtehen, ſo iſt dieß dagegen nach 1840 kaum noch nöthig. Gute
und brauchbare Mikroſkope mit ſtarker Vergrößerung und klarem
Geſichtsfeld ſtanden ſeit dieſer Zeit jedem Phytotomen zu Gebote
und wenn die Inſtrumente auch bis auf den heutigen Tag noch
immer vervollkommnet werden, ſo waren doch die in den vier-
ziger und fünfziger Jahren allgemein verbreiteten in den Händen
geſchickter Beobachter völlig ausreichend zur Entſcheidung der neu-
geſtellten Fragen. Die weſentlichſte Verbeſſerung, welche das
Mikroſkop in dieſem Zeitraum erfuhr, war offenbar die Ein-
richtung desſelben für den Polariſationsapparat und für be-
quemere Meſſung der Objekte; wir werden weiter unten
ſehen, welchen Einfluß zumal die erſtgenannte Einrichtung auf
die Ausbildung von Nägeli's Molekulartheorie gewann. —
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/355>, abgerufen am 23.11.2024.
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