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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Gewebeform, Molecularstruktur der organischen Gebilde.
des Cytoblasten fängt die Bildung sekundäre[r] Ablagerungen,
wovon jedoch einige Ausnahmen statuirt werden, auf der inneren
Fläche der Zellwand an. Schleiden glaubt nun (p. 148) mit
Recht annehmen zu dürfen, daß der geschilderte Vorgang das
allgemeine Bildungsgesetz für das vegetabilische Zellengewebe bei
Phanerogamen sei. Es wird noch ausdrücklich hinzugefügt, daß
der Cytoblast niemals frei im Innern der Zelle liegen könne,
daß er vielmehr immer in eine Duplikatur der Zellwandung ein-
geschlossen sei und ferner wird hervorgehoben, es sei ein ganz
unbedingtes Gesetz, daß jede Zelle (abgesehen vorläufig vom
Cambium) als ganz kleines Bläschen entsteht und erst allmählig
zu der Größe sich ausdehnt, die sie im ausgebildeten Zustand
zeigt. Die Aehnlichkeit dieser Ansicht mit der von Sprengel
und Treviranus aufgestellten wird noch erhöht, wenn wir
weiterhin lesen, daß von den in den Sporen von Marchantia
enthaltenen Zellkeimen meist nur zwei bis vier zur Bildung von
Zellen dienen, die anderen dagegen sich mit Chlorophyll über-
ziehen und so dem Lebensprozeß entzogen werden. Wer die auf
ebenso zahlreiche als sorgfältige spätere Untersuchungen gegründete
neuere Ansicht von den Vorgängen der freien Zellbildung kennt,
wird in dem Voranstehenden schwerlich eine einzige richtige Be-
obachtung finden.

Bald darauf (Linnaea 1839 p. 272) theilte Mohl seine
sorgfältigen und in allen Hauptpuncten zutreffenden Beobachtungen
über die Theilung der Sporenmutterzellen von Anthoceros
mit, wo er mit Bezugnahme auf Mirbel's frühere Angaben
hervorhebt, daß die Theilung durch den schleimigen Inhalt selbst
bewirkt werde, daß nicht das Hineinwachsen von Zellhautleisten
eine pasive Theilung des Inhalts der Mutterzelle bewirke.

Der Erste, der sich direkt gegen Schleiden's Lehre aus-
sprach, war Unger 1), der in der Linaea 18[4]1 p. 389 seine

1) Franz Unger wurde 1800 auf dem Gute Amthof bei Leutschach
in Südsteiermark als Sohn eines Geschäftsmannes geboren. Seine Gym-
nasialbildung bis zum 16. Jahr empfing er in dem von Benediktinern ge-

Gewebeform, Molecularſtruktur der organiſchen Gebilde.
des Cytoblaſten fängt die Bildung ſekundäre[r] Ablagerungen,
wovon jedoch einige Ausnahmen ſtatuirt werden, auf der inneren
Fläche der Zellwand an. Schleiden glaubt nun (p. 148) mit
Recht annehmen zu dürfen, daß der geſchilderte Vorgang das
allgemeine Bildungsgeſetz für das vegetabiliſche Zellengewebe bei
Phanerogamen ſei. Es wird noch ausdrücklich hinzugefügt, daß
der Cytoblaſt niemals frei im Innern der Zelle liegen könne,
daß er vielmehr immer in eine Duplikatur der Zellwandung ein-
geſchloſſen ſei und ferner wird hervorgehoben, es ſei ein ganz
unbedingtes Geſetz, daß jede Zelle (abgeſehen vorläufig vom
Cambium) als ganz kleines Bläschen entſteht und erſt allmählig
zu der Größe ſich ausdehnt, die ſie im ausgebildeten Zuſtand
zeigt. Die Aehnlichkeit dieſer Anſicht mit der von Sprengel
und Treviranus aufgeſtellten wird noch erhöht, wenn wir
weiterhin leſen, daß von den in den Sporen von Marchantia
enthaltenen Zellkeimen meiſt nur zwei bis vier zur Bildung von
Zellen dienen, die anderen dagegen ſich mit Chlorophyll über-
ziehen und ſo dem Lebensprozeß entzogen werden. Wer die auf
ebenſo zahlreiche als ſorgfältige ſpätere Unterſuchungen gegründete
neuere Anſicht von den Vorgängen der freien Zellbildung kennt,
wird in dem Voranſtehenden ſchwerlich eine einzige richtige Be-
obachtung finden.

Bald darauf (Linnaea 1839 p. 272) theilte Mohl ſeine
ſorgfältigen und in allen Hauptpuncten zutreffenden Beobachtungen
über die Theilung der Sporenmutterzellen von Anthoceros
mit, wo er mit Bezugnahme auf Mirbel's frühere Angaben
hervorhebt, daß die Theilung durch den ſchleimigen Inhalt ſelbſt
bewirkt werde, daß nicht das Hineinwachſen von Zellhautleiſten
eine paſive Theilung des Inhalts der Mutterzelle bewirke.

Der Erſte, der ſich direkt gegen Schleiden's Lehre aus-
ſprach, war Unger 1), der in der Linaea 18[4]1 p. 389 ſeine

1) Franz Unger wurde 1800 auf dem Gute Amthof bei Leutſchach
in Südſteiermark als Sohn eines Geſchäftsmannes geboren. Seine Gym-
naſialbildung bis zum 16. Jahr empfing er in dem von Benediktinern ge-
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[351/0363] Gewebeform, Molecularſtruktur der organiſchen Gebilde. des Cytoblaſten fängt die Bildung ſekundärer Ablagerungen, wovon jedoch einige Ausnahmen ſtatuirt werden, auf der inneren Fläche der Zellwand an. Schleiden glaubt nun (p. 148) mit Recht annehmen zu dürfen, daß der geſchilderte Vorgang das allgemeine Bildungsgeſetz für das vegetabiliſche Zellengewebe bei Phanerogamen ſei. Es wird noch ausdrücklich hinzugefügt, daß der Cytoblaſt niemals frei im Innern der Zelle liegen könne, daß er vielmehr immer in eine Duplikatur der Zellwandung ein- geſchloſſen ſei und ferner wird hervorgehoben, es ſei ein ganz unbedingtes Geſetz, daß jede Zelle (abgeſehen vorläufig vom Cambium) als ganz kleines Bläschen entſteht und erſt allmählig zu der Größe ſich ausdehnt, die ſie im ausgebildeten Zuſtand zeigt. Die Aehnlichkeit dieſer Anſicht mit der von Sprengel und Treviranus aufgeſtellten wird noch erhöht, wenn wir weiterhin leſen, daß von den in den Sporen von Marchantia enthaltenen Zellkeimen meiſt nur zwei bis vier zur Bildung von Zellen dienen, die anderen dagegen ſich mit Chlorophyll über- ziehen und ſo dem Lebensprozeß entzogen werden. Wer die auf ebenſo zahlreiche als ſorgfältige ſpätere Unterſuchungen gegründete neuere Anſicht von den Vorgängen der freien Zellbildung kennt, wird in dem Voranſtehenden ſchwerlich eine einzige richtige Be- obachtung finden. Bald darauf (Linnaea 1839 p. 272) theilte Mohl ſeine ſorgfältigen und in allen Hauptpuncten zutreffenden Beobachtungen über die Theilung der Sporenmutterzellen von Anthoceros mit, wo er mit Bezugnahme auf Mirbel's frühere Angaben hervorhebt, daß die Theilung durch den ſchleimigen Inhalt ſelbſt bewirkt werde, daß nicht das Hineinwachſen von Zellhautleiſten eine paſive Theilung des Inhalts der Mutterzelle bewirke. Der Erſte, der ſich direkt gegen Schleiden's Lehre aus- ſprach, war Unger 1), der in der Linaea 1841 p. 389 ſeine 1) Franz Unger wurde 1800 auf dem Gute Amthof bei Leutſchach in Südſteiermark als Sohn eines Geſchäftsmannes geboren. Seine Gym- naſialbildung bis zum 16. Jahr empfing er in dem von Benediktinern ge-

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/363>, abgerufen am 24.11.2024.