hier das nachträgliche Dickenwachsthum und die Thätigkeit der Cambiumschicht mitbehandelt.
Wie überall, wo es galt, die fundamentalen Begriffe unserer Wissenschaft festzustellen, sich in den Thatsachen nach umfassenden Gesichtspuncten zu orientiren und die Prinzipien dazu in der Entwicklungsgeschichte zu suchen, so finden wir auch hier wieder Nägeli's Arbeiten als die grundlegenden und bahnbrechenden. In seinen "Beiträgen zur wissenschaftlichen Botanik" stellte Nägeli 1858 eine Classification der Gewebeformen nach rein morpholo- gischen Gesichtspunkten auf. Als Hauptabtheilungen unterschied er zunächst die Theilungsgewebe von den Dauergeweben; in jeder Abtheilung sind wieder zwei Hauptformen, die prosenchymatischen und parenchymatischen Gewebe unterschieden. Das parenchyma- tische Theilungsgewebe, aus welchem anfänglich jedes junge Organ besteht, nannte er das Urmeristem im Gegensatz zu dem prosenchymatischen Theilungsgewebe, welches sich in Form von Strängen und Schichten differenzirt und von ihm allgemein Cam- bium genannt wurde; eine allerdings nicht glückliche Unter- scheidung schon deßhalb, weil Nägeli's Cambium keineswegs überall aus prosenchymatischem Gewebe besteht. Als Folge- meristem bezeichnete Nägeli solche Gewebestränge und Gewebe- schichten, welche zwischen dem Dauergewebe älterer Theile auf- treten. Aus dem Urmeristem scheidet sich nach Nägeli zunächst das Cambium aus. -- Die zweite Hauptform, das Dauerge- webe, theilt er nicht nach der Gestalt der Zellen oder nach phy- siologischen Beziehungen ein, sondern zunächst nach ihrer Ab- stammung in zwei Classen: Alles Dauergewebe, welches vom Urmeristem unmittelbar abstammt, ist Protenchym, und Alles, was direkt oder indirekt aus dem Cambium entsteht, Epenchym. Die bisher als Gefäßbündel bezeichneten Gewebestränge glaubte Nägeli, da sie keineswegs bloß Gefäße enthalten, sondern wie schon Bernhardi 1805 hervorgehoben, auch immer faserige Elemente besitzen, deßhalb als Fibrovasalstränge bezeichnen zu sollen. -- Wenn auch nicht zu verkennen ist, daß bei dieser Ein- theilung die so klar daliegende Verschiedenheit der Hautgewebe
Entwicklungsgeſchichte der Zelle, Entſtehung der
hier das nachträgliche Dickenwachsthum und die Thätigkeit der Cambiumſchicht mitbehandelt.
Wie überall, wo es galt, die fundamentalen Begriffe unſerer Wiſſenſchaft feſtzuſtellen, ſich in den Thatſachen nach umfaſſenden Geſichtspuncten zu orientiren und die Prinzipien dazu in der Entwicklungsgeſchichte zu ſuchen, ſo finden wir auch hier wieder Nägeli's Arbeiten als die grundlegenden und bahnbrechenden. In ſeinen „Beiträgen zur wiſſenſchaftlichen Botanik“ ſtellte Nägeli 1858 eine Claſſification der Gewebeformen nach rein morpholo- giſchen Geſichtspunkten auf. Als Hauptabtheilungen unterſchied er zunächſt die Theilungsgewebe von den Dauergeweben; in jeder Abtheilung ſind wieder zwei Hauptformen, die prosenchymatiſchen und parenchymatiſchen Gewebe unterſchieden. Das parenchyma- tiſche Theilungsgewebe, aus welchem anfänglich jedes junge Organ beſteht, nannte er das Urmeriſtem im Gegenſatz zu dem prosenchymatiſchen Theilungsgewebe, welches ſich in Form von Strängen und Schichten differenzirt und von ihm allgemein Cam- bium genannt wurde; eine allerdings nicht glückliche Unter- ſcheidung ſchon deßhalb, weil Nägeli's Cambium keineswegs überall aus prosenchymatiſchem Gewebe beſteht. Als Folge- meriſtem bezeichnete Nägeli ſolche Gewebeſtränge und Gewebe- ſchichten, welche zwiſchen dem Dauergewebe älterer Theile auf- treten. Aus dem Urmeriſtem ſcheidet ſich nach Nägeli zunächſt das Cambium aus. — Die zweite Hauptform, das Dauerge- webe, theilt er nicht nach der Geſtalt der Zellen oder nach phy- ſiologiſchen Beziehungen ein, ſondern zunächſt nach ihrer Ab- ſtammung in zwei Claſſen: Alles Dauergewebe, welches vom Urmeriſtem unmittelbar abſtammt, iſt Protenchym, und Alles, was direkt oder indirekt aus dem Cambium entſteht, Epenchym. Die bisher als Gefäßbündel bezeichneten Gewebeſtränge glaubte Nägeli, da ſie keineswegs bloß Gefäße enthalten, ſondern wie ſchon Bernhardi 1805 hervorgehoben, auch immer faſerige Elemente beſitzen, deßhalb als Fibrovaſalſtränge bezeichnen zu ſollen. — Wenn auch nicht zu verkennen iſt, daß bei dieſer Ein- theilung die ſo klar daliegende Verſchiedenheit der Hautgewebe
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Entwicklungsgeſchichte der Zelle, Entſtehung der
hier das nachträgliche Dickenwachsthum und die Thätigkeit der
Cambiumſchicht mitbehandelt.
Wie überall, wo es galt, die fundamentalen Begriffe unſerer
Wiſſenſchaft feſtzuſtellen, ſich in den Thatſachen nach umfaſſenden
Geſichtspuncten zu orientiren und die Prinzipien dazu in der
Entwicklungsgeſchichte zu ſuchen, ſo finden wir auch hier wieder
Nägeli's Arbeiten als die grundlegenden und bahnbrechenden.
In ſeinen „Beiträgen zur wiſſenſchaftlichen Botanik“ ſtellte Nägeli
1858 eine Claſſification der Gewebeformen nach rein morpholo-
giſchen Geſichtspunkten auf. Als Hauptabtheilungen unterſchied er
zunächſt die Theilungsgewebe von den Dauergeweben; in jeder
Abtheilung ſind wieder zwei Hauptformen, die prosenchymatiſchen
und parenchymatiſchen Gewebe unterſchieden. Das parenchyma-
tiſche Theilungsgewebe, aus welchem anfänglich jedes junge
Organ beſteht, nannte er das Urmeriſtem im Gegenſatz zu dem
prosenchymatiſchen Theilungsgewebe, welches ſich in Form von
Strängen und Schichten differenzirt und von ihm allgemein Cam-
bium genannt wurde; eine allerdings nicht glückliche Unter-
ſcheidung ſchon deßhalb, weil Nägeli's Cambium keineswegs
überall aus prosenchymatiſchem Gewebe beſteht. Als Folge-
meriſtem bezeichnete Nägeli ſolche Gewebeſtränge und Gewebe-
ſchichten, welche zwiſchen dem Dauergewebe älterer Theile auf-
treten. Aus dem Urmeriſtem ſcheidet ſich nach Nägeli zunächſt
das Cambium aus. — Die zweite Hauptform, das Dauerge-
webe, theilt er nicht nach der Geſtalt der Zellen oder nach phy-
ſiologiſchen Beziehungen ein, ſondern zunächſt nach ihrer Ab-
ſtammung in zwei Claſſen: Alles Dauergewebe, welches vom
Urmeriſtem unmittelbar abſtammt, iſt Protenchym, und Alles,
was direkt oder indirekt aus dem Cambium entſteht, Epenchym.
Die bisher als Gefäßbündel bezeichneten Gewebeſtränge glaubte
Nägeli, da ſie keineswegs bloß Gefäße enthalten, ſondern wie
ſchon Bernhardi 1805 hervorgehoben, auch immer faſerige
Elemente beſitzen, deßhalb als Fibrovaſalſtränge bezeichnen zu
ſollen. — Wenn auch nicht zu verkennen iſt, daß bei dieſer Ein-
theilung die ſo klar daliegende Verſchiedenheit der Hautgewebe
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/386>, abgerufen am 24.11.2024.
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