Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.von Brunfels bis auf Caspar Bauhin. ist vielmehr, daß die descriptive Botanik ebenso oft vielleicht nochöfter von den Gattungen und Familien, wie von einzelnen Species ausgegangen ist, daß sehr häufig zuerst ganze Gruppen von Formen als einheitliche Objecte aufgefaßt wurden, die man erst später in einzelne Formen absichtlich spalten mußte; und bis auf den heutigen Tag liegt ja ein Theil der systematischen Beschäftigung darin, solche Spaltungen von vorher für identisch gehaltenen Formen vorzunehmen. Es ist eine erst in der nach- linne'schen Zeit unter der Herrschaft des Dogmas von der Con- stanz der Arten erfundene Fabel, daß die Species das dem Be- obachter ursprünglich gegebene Object sei und daß man erst nachträglich gewisse Species in Gattungen vereinigt habe; zu- weilen ist dies geschehen, ebenso oft aber war die Gattung das zunächst Gegebene und die Aufgabe der Beschreibungskunst die, sie in eine Anzahl von Species aufzulösen. Im 16. Jahrhundert war aber weder der Gattungs- noch der Species-Begriff definirt, für die damaligen Botaniker hatten Gattungen und Species die- selbe objective Realität. Indem man aber die Einzelbeschreibung immer genauer zu machen suchte, verknüpften sich vorher geson- derte Formen und traten vorher identisch genommene auseinander, bis es nach und nach zum Bewußtsein kam, daß Beides metho- disch betrieben werden müsse. Man kann daher eigentlich gar nicht sagen, daß irgend Jemand zuerst die Species, ein Anderer die Gattung und noch ein Anderer die größeren Gruppen aufge- stellt habe. Vielmehr vollzog sich dieser Scheidungsproceß bis zu einem gewissen Grade bei den Botanikern des 16. Jahrhun- derts unabsichtlich, indem sie ihren Einzelbeschreibungen möglichste Bestimmtheit zu geben suchten. Es lag dabei in der Natur der Sache, daß zuerst diejenigen Formgruppen, die wir jetzt als Species und Gattung bezeichnen, sich klären mußten, und so finden wir denn in der That am Schluß dieser Periode bei Caspar Bauhin schon die Gattungen durch Namen, wenn auch nicht durch Diagnosen, die Species aber durch Namen und Diagnosen unterschieden. -- Aber gleichzeitig wurden auch schon zahlreiche umfassendere Gruppen, die wir jetzt als Familien be- von Brunfels bis auf Caspar Bauhin. iſt vielmehr, daß die deſcriptive Botanik ebenſo oft vielleicht nochöfter von den Gattungen und Familien, wie von einzelnen Species ausgegangen iſt, daß ſehr häufig zuerſt ganze Gruppen von Formen als einheitliche Objecte aufgefaßt wurden, die man erſt ſpäter in einzelne Formen abſichtlich ſpalten mußte; und bis auf den heutigen Tag liegt ja ein Theil der ſyſtematiſchen Beſchäftigung darin, ſolche Spaltungen von vorher für identiſch gehaltenen Formen vorzunehmen. Es iſt eine erſt in der nach- linné'ſchen Zeit unter der Herrſchaft des Dogmas von der Con- ſtanz der Arten erfundene Fabel, daß die Species das dem Be- obachter urſprünglich gegebene Object ſei und daß man erſt nachträglich gewiſſe Species in Gattungen vereinigt habe; zu- weilen iſt dies geſchehen, ebenſo oft aber war die Gattung das zunächſt Gegebene und die Aufgabe der Beſchreibungskunſt die, ſie in eine Anzahl von Species aufzulöſen. Im 16. Jahrhundert war aber weder der Gattungs- noch der Species-Begriff definirt, für die damaligen Botaniker hatten Gattungen und Species die- ſelbe objective Realität. Indem man aber die Einzelbeſchreibung immer genauer zu machen ſuchte, verknüpften ſich vorher geſon- derte Formen und traten vorher identiſch genommene auseinander, bis es nach und nach zum Bewußtſein kam, daß Beides metho- diſch betrieben werden müſſe. Man kann daher eigentlich gar nicht ſagen, daß irgend Jemand zuerſt die Species, ein Anderer die Gattung und noch ein Anderer die größeren Gruppen aufge- ſtellt habe. Vielmehr vollzog ſich dieſer Scheidungsproceß bis zu einem gewiſſen Grade bei den Botanikern des 16. Jahrhun- derts unabſichtlich, indem ſie ihren Einzelbeſchreibungen möglichſte Beſtimmtheit zu geben ſuchten. Es lag dabei in der Natur der Sache, daß zuerſt diejenigen Formgruppen, die wir jetzt als Species und Gattung bezeichnen, ſich klären mußten, und ſo finden wir denn in der That am Schluß dieſer Periode bei Caspar Bauhin ſchon die Gattungen durch Namen, wenn auch nicht durch Diagnoſen, die Species aber durch Namen und Diagnoſen unterſchieden. — Aber gleichzeitig wurden auch ſchon zahlreiche umfaſſendere Gruppen, die wir jetzt als Familien be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0039" n="27"/><fw place="top" type="header">von Brunfels bis auf Caspar Bauhin.</fw><lb/> iſt vielmehr, daß die deſcriptive Botanik ebenſo oft vielleicht noch<lb/> öfter von den Gattungen und Familien, wie von einzelnen Species<lb/> ausgegangen iſt, daß ſehr häufig zuerſt ganze Gruppen von<lb/> Formen als einheitliche Objecte aufgefaßt wurden, die man erſt<lb/> ſpäter in einzelne Formen abſichtlich ſpalten mußte; und bis<lb/> auf den heutigen Tag liegt ja ein Theil der ſyſtematiſchen<lb/> Beſchäftigung darin, ſolche Spaltungen von vorher für identiſch<lb/> gehaltenen Formen vorzunehmen. 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von Brunfels bis auf Caspar Bauhin.
iſt vielmehr, daß die deſcriptive Botanik ebenſo oft vielleicht noch
öfter von den Gattungen und Familien, wie von einzelnen Species
ausgegangen iſt, daß ſehr häufig zuerſt ganze Gruppen von
Formen als einheitliche Objecte aufgefaßt wurden, die man erſt
ſpäter in einzelne Formen abſichtlich ſpalten mußte; und bis
auf den heutigen Tag liegt ja ein Theil der ſyſtematiſchen
Beſchäftigung darin, ſolche Spaltungen von vorher für identiſch
gehaltenen Formen vorzunehmen. Es iſt eine erſt in der nach-
linné'ſchen Zeit unter der Herrſchaft des Dogmas von der Con-
ſtanz der Arten erfundene Fabel, daß die Species das dem Be-
obachter urſprünglich gegebene Object ſei und daß man erſt
nachträglich gewiſſe Species in Gattungen vereinigt habe; zu-
weilen iſt dies geſchehen, ebenſo oft aber war die Gattung das
zunächſt Gegebene und die Aufgabe der Beſchreibungskunſt die,
ſie in eine Anzahl von Species aufzulöſen. Im 16. Jahrhundert
war aber weder der Gattungs- noch der Species-Begriff definirt,
für die damaligen Botaniker hatten Gattungen und Species die-
ſelbe objective Realität. Indem man aber die Einzelbeſchreibung
immer genauer zu machen ſuchte, verknüpften ſich vorher geſon-
derte Formen und traten vorher identiſch genommene auseinander,
bis es nach und nach zum Bewußtſein kam, daß Beides metho-
diſch betrieben werden müſſe. Man kann daher eigentlich gar
nicht ſagen, daß irgend Jemand zuerſt die Species, ein Anderer
die Gattung und noch ein Anderer die größeren Gruppen aufge-
ſtellt habe. Vielmehr vollzog ſich dieſer Scheidungsproceß bis
zu einem gewiſſen Grade bei den Botanikern des 16. Jahrhun-
derts unabſichtlich, indem ſie ihren Einzelbeſchreibungen möglichſte
Beſtimmtheit zu geben ſuchten. Es lag dabei in der Natur der
Sache, daß zuerſt diejenigen Formgruppen, die wir jetzt als
Species und Gattung bezeichnen, ſich klären mußten, und ſo
finden wir denn in der That am Schluß dieſer Periode bei
Caspar Bauhin ſchon die Gattungen durch Namen, wenn
auch nicht durch Diagnoſen, die Species aber durch Namen und
Diagnoſen unterſchieden. — Aber gleichzeitig wurden auch ſchon
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