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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Die deutschen und niederländischen Botaniker
zeichnen, unterschieden und sogar oft mit noch jetzt geltenden
Namen belegt; schon im 16. Jahrhundert haben sich die Gruppen
und Namen: Coniferen, Umbelliferen, Verticillaten (Labia-
ten), Capillares (Farne)
u. s. w. gebildet. Abgrenzungen die-
ser Gruppen nach bestimmten Merkmalen wurden freilich noch
nicht versucht, aber immer wieder werden die Pflanzen, welche
diesen Gruppen angehören, in besonderen Capiteln behandelt oder
in der Reihenfolge hintereinander aufgeführt. Indem dies jedoch
gewissermaßen unabsichtlich geschah, der wahre Werth dieser ver-
wandtschaftlichen Verhältnisse noch nicht erkannt wurde, traten
bei der Darstellung in den Büchern gleichzeitig die verschiedensten
anderen Rücksichten mit hervor und störten die natürliche Anord-
nung. Zuerst bei Lobelius und dann in viel vollendeterer
Form bei Caspar Bauhinverdrängt das Gefühl für die
natürliche Verwandtschaft alle anderen Rücksichten.

Das bisher Mitgetheilte mag dem Leser das Hauptresultat
der botanischen Bestrebungen des hier betrachteten Zeitraumes
verständlich machen; eine Anschauung von der Art und Weise,
wie man damals Pflanzen beschrieb und in welcher Weise die
Systematik zum Ausdrucke gelangte, kann jedoch nur an Beispie-
len erläutert werden und wenn ich es unternehme, hier eine
Reihe von solchen vorzuführen, so geschieht es in derselben Ab-
sicht, wie man naturwissenschaftlichen Abhandlungen möglichst
naturgetreue Abbildungen beifügt, weil nur auf diese Weise ein
wirkliches Verständniß zu erzielen ist. Die botanische Literatur
des 16. Jahrhunderts ist so verschieden von der gegenwärtigen,
daß man durch Angabe der Resultate in unserer jetzigen Aus-
drucksweise doch nur eine ganz unbestimmte Vorstellung von ihr
gewinnt.

Fuchs historia stirpium 1542.

Die jetzt unter dem Namen Ackerwinde (Convolvulus arvensis)
bekannte gemeine Pflanze heißt dort Helxine cissampelos. Sie wird
folgendermaßen beschrieben:
Nomina:

Elxine kiddampelos Graecis, Helxine cissampelos et Convolvulus
Latinis nominatur. Vulgus herbariorum et officinae, Volubilem mediam
&

Die deutſchen und niederländiſchen Botaniker
zeichnen, unterſchieden und ſogar oft mit noch jetzt geltenden
Namen belegt; ſchon im 16. Jahrhundert haben ſich die Gruppen
und Namen: Coniferen, Umbelliferen, Verticillaten (Labia-
ten), Capillares (Farne)
u. ſ. w. gebildet. Abgrenzungen die-
ſer Gruppen nach beſtimmten Merkmalen wurden freilich noch
nicht verſucht, aber immer wieder werden die Pflanzen, welche
dieſen Gruppen angehören, in beſonderen Capiteln behandelt oder
in der Reihenfolge hintereinander aufgeführt. Indem dies jedoch
gewiſſermaßen unabſichtlich geſchah, der wahre Werth dieſer ver-
wandtſchaftlichen Verhältniſſe noch nicht erkannt wurde, traten
bei der Darſtellung in den Büchern gleichzeitig die verſchiedenſten
anderen Rückſichten mit hervor und ſtörten die natürliche Anord-
nung. Zuerſt bei Lobelius und dann in viel vollendeterer
Form bei Caspar Bauhinverdrängt das Gefühl für die
natürliche Verwandtſchaft alle anderen Rückſichten.

Das bisher Mitgetheilte mag dem Leſer das Hauptreſultat
der botaniſchen Beſtrebungen des hier betrachteten Zeitraumes
verſtändlich machen; eine Anſchauung von der Art und Weiſe,
wie man damals Pflanzen beſchrieb und in welcher Weiſe die
Syſtematik zum Ausdrucke gelangte, kann jedoch nur an Beiſpie-
len erläutert werden und wenn ich es unternehme, hier eine
Reihe von ſolchen vorzuführen, ſo geſchieht es in derſelben Ab-
ſicht, wie man naturwiſſenſchaftlichen Abhandlungen möglichſt
naturgetreue Abbildungen beifügt, weil nur auf dieſe Weiſe ein
wirkliches Verſtändniß zu erzielen iſt. Die botaniſche Literatur
des 16. Jahrhunderts iſt ſo verſchieden von der gegenwärtigen,
daß man durch Angabe der Reſultate in unſerer jetzigen Aus-
drucksweiſe doch nur eine ganz unbeſtimmte Vorſtellung von ihr
gewinnt.

Fuchs historia stirpium 1542.

Die jetzt unter dem Namen Ackerwinde (Convolvulus arvensis)
bekannte gemeine Pflanze heißt dort Helxine cissampelos. Sie wird
folgendermaßen beſchrieben:
Nomina:

Ελξινὴ κιδδάμπελος Graecis, Helxine cissampelos et Convolvulus
Latinis nominatur. Vulgus herbariorum et officinae, Volubilem mediam
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[28/0040] Die deutſchen und niederländiſchen Botaniker zeichnen, unterſchieden und ſogar oft mit noch jetzt geltenden Namen belegt; ſchon im 16. Jahrhundert haben ſich die Gruppen und Namen: Coniferen, Umbelliferen, Verticillaten (Labia- ten), Capillares (Farne) u. ſ. w. gebildet. Abgrenzungen die- ſer Gruppen nach beſtimmten Merkmalen wurden freilich noch nicht verſucht, aber immer wieder werden die Pflanzen, welche dieſen Gruppen angehören, in beſonderen Capiteln behandelt oder in der Reihenfolge hintereinander aufgeführt. Indem dies jedoch gewiſſermaßen unabſichtlich geſchah, der wahre Werth dieſer ver- wandtſchaftlichen Verhältniſſe noch nicht erkannt wurde, traten bei der Darſtellung in den Büchern gleichzeitig die verſchiedenſten anderen Rückſichten mit hervor und ſtörten die natürliche Anord- nung. Zuerſt bei Lobelius und dann in viel vollendeterer Form bei Caspar Bauhinverdrängt das Gefühl für die natürliche Verwandtſchaft alle anderen Rückſichten. Das bisher Mitgetheilte mag dem Leſer das Hauptreſultat der botaniſchen Beſtrebungen des hier betrachteten Zeitraumes verſtändlich machen; eine Anſchauung von der Art und Weiſe, wie man damals Pflanzen beſchrieb und in welcher Weiſe die Syſtematik zum Ausdrucke gelangte, kann jedoch nur an Beiſpie- len erläutert werden und wenn ich es unternehme, hier eine Reihe von ſolchen vorzuführen, ſo geſchieht es in derſelben Ab- ſicht, wie man naturwiſſenſchaftlichen Abhandlungen möglichſt naturgetreue Abbildungen beifügt, weil nur auf dieſe Weiſe ein wirkliches Verſtändniß zu erzielen iſt. Die botaniſche Literatur des 16. Jahrhunderts iſt ſo verſchieden von der gegenwärtigen, daß man durch Angabe der Reſultate in unſerer jetzigen Aus- drucksweiſe doch nur eine ganz unbeſtimmte Vorſtellung von ihr gewinnt. Fuchs historia stirpium 1542. Die jetzt unter dem Namen Ackerwinde (Convolvulus arvensis) bekannte gemeine Pflanze heißt dort Helxine cissampelos. Sie wird folgendermaßen beſchrieben: Nomina: Ελξινὴ κιδδάμπελος Graecis, Helxine cissampelos et Convolvulus Latinis nominatur. Vulgus herbariorum et officinae, Volubilem mediam &

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/40>, abgerufen am 21.11.2024.