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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Verbreitung der neuen Lehre ihre Anhänger und Gegner.
nimmt er keine Rücksicht. Er stellt aber die Annahme auf, die
jungen Samen seien unbefruchteten Eiern vergleichbar, der
Pollenstaub (farina) enthalte Samenpflänzchen, von denen je
eines in jede Samenanlage (ovum) gelangen müsse, damit diese
fruchtbar werde; demnach müsse der Stilus eine Röhre sein,
durch welche jene Samenpflänzchen in ihre Brutnester hinein-
gleiten. Bei der Kaiserkrone (Fritillaria imperialis) läßt er
den Blüthenstaub sogar durch Wind und Regen von der Narbe
aus durch den Griffelkanal hindurch in den Fruchtknoten gespült
werden, ohne zu beachten, daß diese Bewegung in der hängenden
Blüthe aufwärts stattfinden müßte. Wenn ich nachweisen könnte,
sagt er, daß man in den unbefruchteten Samen niemals Em-
bryonen findet, so würde der Beweis zur Demonstration werden;
er aber sei nicht so glücklich gewesen, dies zu entscheiden; davon,
daß Camerarius gerade dies bereits zehn Jahre früher ge-
leistet hatte, erwähnt Morland Nichts. Statt dessen findet er
nun den Hauptbeweis für seine Vermuthung darin, daß bei den
Bohnen der Embryo nahe an dem Loche (der Mikropyle) der
Samenschale liegt, woraus wir zugleich ersehen, daß Morland
nicht einmal wußte, daß die beiden großen Körper in Bohnen-
samen (die Cotyledonen) zum Embryo gehören, worüber seine
Landsleute Grew und Ray bereits das Nöthige publicirt
hatten. Die Frage, auf welche Weise die Befruchtung stattfinde,
hat also Morland in keiner Weise beantwortet; seine Abhand-
lung enthält Nichts als die Behauptung, daß die Embryonen
bereits in den Pollenkörnern enthalten sind und durch einen
hohlen Griffel in die Samen gelangen, wo sie ausgebrütet
werden, eine durchaus irrige Vorstellung, die noch dazu nichts
Originelles bietet, da sie sich ganz und gar an die damals herr-
schende Evolutionstheorie anschließt.

Geoffroy's Mittheilungen (Hist. de l'acad. roy. d. sc.
Paris
1714 p. 210) sind ein wenig reicher an thatsächlichen
Angaben; ohne Grew, Camerarius oder selbst nur Mor-
land zu erwähnen, knüpfte er seine schon 1711 gemachten
"Beobachtungen über die Structur und den Nutzen der wichtigeren

Verbreitung der neuen Lehre ihre Anhänger und Gegner.
nimmt er keine Rückſicht. Er ſtellt aber die Annahme auf, die
jungen Samen ſeien unbefruchteten Eiern vergleichbar, der
Pollenſtaub (farina) enthalte Samenpflänzchen, von denen je
eines in jede Samenanlage (ovum) gelangen müſſe, damit dieſe
fruchtbar werde; demnach müſſe der Stilus eine Röhre ſein,
durch welche jene Samenpflänzchen in ihre Brutneſter hinein-
gleiten. Bei der Kaiſerkrone (Fritillaria imperialis) läßt er
den Blüthenſtaub ſogar durch Wind und Regen von der Narbe
aus durch den Griffelkanal hindurch in den Fruchtknoten geſpült
werden, ohne zu beachten, daß dieſe Bewegung in der hängenden
Blüthe aufwärts ſtattfinden müßte. Wenn ich nachweiſen könnte,
ſagt er, daß man in den unbefruchteten Samen niemals Em-
bryonen findet, ſo würde der Beweis zur Demonſtration werden;
er aber ſei nicht ſo glücklich geweſen, dies zu entſcheiden; davon,
daß Camerarius gerade dies bereits zehn Jahre früher ge-
leiſtet hatte, erwähnt Morland Nichts. Statt deſſen findet er
nun den Hauptbeweis für ſeine Vermuthung darin, daß bei den
Bohnen der Embryo nahe an dem Loche (der Mikropyle) der
Samenſchale liegt, woraus wir zugleich erſehen, daß Morland
nicht einmal wußte, daß die beiden großen Körper in Bohnen-
ſamen (die Cotyledonen) zum Embryo gehören, worüber ſeine
Landsleute Grew und Ray bereits das Nöthige publicirt
hatten. Die Frage, auf welche Weiſe die Befruchtung ſtattfinde,
hat alſo Morland in keiner Weiſe beantwortet; ſeine Abhand-
lung enthält Nichts als die Behauptung, daß die Embryonen
bereits in den Pollenkörnern enthalten ſind und durch einen
hohlen Griffel in die Samen gelangen, wo ſie ausgebrütet
werden, eine durchaus irrige Vorſtellung, die noch dazu nichts
Originelles bietet, da ſie ſich ganz und gar an die damals herr-
ſchende Evolutionstheorie anſchließt.

Geoffroy's Mittheilungen (Hist. de l'acad. roy. d. sc.
Paris
1714 p. 210) ſind ein wenig reicher an thatſächlichen
Angaben; ohne Grew, Camerarius oder ſelbſt nur Mor-
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„Beobachtungen über die Structur und den Nutzen der wichtigeren

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[427/0439] Verbreitung der neuen Lehre ihre Anhänger und Gegner. nimmt er keine Rückſicht. Er ſtellt aber die Annahme auf, die jungen Samen ſeien unbefruchteten Eiern vergleichbar, der Pollenſtaub (farina) enthalte Samenpflänzchen, von denen je eines in jede Samenanlage (ovum) gelangen müſſe, damit dieſe fruchtbar werde; demnach müſſe der Stilus eine Röhre ſein, durch welche jene Samenpflänzchen in ihre Brutneſter hinein- gleiten. Bei der Kaiſerkrone (Fritillaria imperialis) läßt er den Blüthenſtaub ſogar durch Wind und Regen von der Narbe aus durch den Griffelkanal hindurch in den Fruchtknoten geſpült werden, ohne zu beachten, daß dieſe Bewegung in der hängenden Blüthe aufwärts ſtattfinden müßte. Wenn ich nachweiſen könnte, ſagt er, daß man in den unbefruchteten Samen niemals Em- bryonen findet, ſo würde der Beweis zur Demonſtration werden; er aber ſei nicht ſo glücklich geweſen, dies zu entſcheiden; davon, daß Camerarius gerade dies bereits zehn Jahre früher ge- leiſtet hatte, erwähnt Morland Nichts. Statt deſſen findet er nun den Hauptbeweis für ſeine Vermuthung darin, daß bei den Bohnen der Embryo nahe an dem Loche (der Mikropyle) der Samenſchale liegt, woraus wir zugleich erſehen, daß Morland nicht einmal wußte, daß die beiden großen Körper in Bohnen- ſamen (die Cotyledonen) zum Embryo gehören, worüber ſeine Landsleute Grew und Ray bereits das Nöthige publicirt hatten. Die Frage, auf welche Weiſe die Befruchtung ſtattfinde, hat alſo Morland in keiner Weiſe beantwortet; ſeine Abhand- lung enthält Nichts als die Behauptung, daß die Embryonen bereits in den Pollenkörnern enthalten ſind und durch einen hohlen Griffel in die Samen gelangen, wo ſie ausgebrütet werden, eine durchaus irrige Vorſtellung, die noch dazu nichts Originelles bietet, da ſie ſich ganz und gar an die damals herr- ſchende Evolutionstheorie anſchließt. Geoffroy's Mittheilungen (Hist. de l'acad. roy. d. sc. Paris 1714 p. 210) ſind ein wenig reicher an thatſächlichen Angaben; ohne Grew, Camerarius oder ſelbſt nur Mor- land zu erwähnen, knüpfte er ſeine ſchon 1711 gemachten „Beobachtungen über die Structur und den Nutzen der wichtigeren

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/439>, abgerufen am 27.11.2024.