Joseph Gärtner machte nicht selbst neue Beobachtungen über die Sexualität, benutzte jedoch Koelreuter's Ergebnisse in der Einleitung zu seiner Carpologie 1788 dazu, die verschie- denen Arten der Fortpflanzung strenger von einander zu unter- scheiden und zugleich auch seinerseits der Evolutionstheorie ent- gegenzutreten. Die Keimkörner oder Sporen der kryptogamischen Pflanzen, die man damals vielfach ohne genügenden Grund für wirkliche Samen hielt, stellte er diesen gerade deßhalb gegen- über, weil sie ohne Befruchtung entstehen und keimfähig sind, wogegen der Same erst durch den Pollen keimfähig gemacht werde. Die Sexualität der Kryptogamen leugnete Joseph Gärtner entschieden; denn erst ein halbes Jahrhundert später gelang es, auch auf diesem Gebiet an die Stelle vager Ver- muthungen streng wissenschaftliche Nachweisungen zu setzen und im Interesse methodischer Wissenschaft war es zu Gärtner's Zeit in der That besser, die Sexualität der Kryptogamen ganz zu läugnen, als die Spaltöffnungen der Farne, wie Gleichen that, oder das Indusium der Farnkräuter mit Koelreuter oder selbst die Volva der Hutpilze für männliche Befruchtungsorgane zu halten. Den Vertheidigern der Evolutionstheorie hielt Gärtner sehr richtig die Bastarde Koelreuter's entgegen, und denen, welche in den Samen nur eine andere Form vegetativer Knospen sahen, sagte er, daß eben die Knospe ohne Befruchtung, der Samen jedoch nur durch diese zur Bildung einer neuen Pflanze befähigt werde. Welche Verdienste sich Gärtner um die Kennt- niß des unreifen und reifen Samens erwarb, wurde schon in der Geschichte der Systematik mitgetheilt. Was den Vorgang der Befruchtung selbst betrifft, so adoptirte er im Wesentlichen Koelreuter's Ansicht, daß es auf die Vermischung einer männli- chen und einer weiblichen Flüssigkeit ankomme, aus welcher das Keimkörperchen in der Samenknospe gewissermassen herauskrystal- lisire. Auch Konrad Sprengel schloß sich dieser Ansicht vollständig an, die ihn jedoch hinderte, den Befruchtungsvorgang bei den Asclepiadeen richtig aufzufassen.
Weiterer Ausbau der Sexualtheorie etc. etc.
Joſeph Gärtner machte nicht ſelbſt neue Beobachtungen über die Sexualität, benutzte jedoch Koelreuter's Ergebniſſe in der Einleitung zu ſeiner Carpologie 1788 dazu, die verſchie- denen Arten der Fortpflanzung ſtrenger von einander zu unter- ſcheiden und zugleich auch ſeinerſeits der Evolutionstheorie ent- gegenzutreten. Die Keimkörner oder Sporen der kryptogamiſchen Pflanzen, die man damals vielfach ohne genügenden Grund für wirkliche Samen hielt, ſtellte er dieſen gerade deßhalb gegen- über, weil ſie ohne Befruchtung entſtehen und keimfähig ſind, wogegen der Same erſt durch den Pollen keimfähig gemacht werde. Die Sexualität der Kryptogamen leugnete Joſeph Gärtner entſchieden; denn erſt ein halbes Jahrhundert ſpäter gelang es, auch auf dieſem Gebiet an die Stelle vager Ver- muthungen ſtreng wiſſenſchaftliche Nachweiſungen zu ſetzen und im Intereſſe methodiſcher Wiſſenſchaft war es zu Gärtner's Zeit in der That beſſer, die Sexualität der Kryptogamen ganz zu läugnen, als die Spaltöffnungen der Farne, wie Gleichen that, oder das Induſium der Farnkräuter mit Koelreuter oder ſelbſt die Volva der Hutpilze für männliche Befruchtungsorgane zu halten. Den Vertheidigern der Evolutionstheorie hielt Gärtner ſehr richtig die Baſtarde Koelreuter's entgegen, und denen, welche in den Samen nur eine andere Form vegetativer Knoſpen ſahen, ſagte er, daß eben die Knoſpe ohne Befruchtung, der Samen jedoch nur durch dieſe zur Bildung einer neuen Pflanze befähigt werde. Welche Verdienſte ſich Gärtner um die Kennt- niß des unreifen und reifen Samens erwarb, wurde ſchon in der Geſchichte der Syſtematik mitgetheilt. Was den Vorgang der Befruchtung ſelbſt betrifft, ſo adoptirte er im Weſentlichen Koelreuter's Anſicht, daß es auf die Vermiſchung einer männli- chen und einer weiblichen Flüſſigkeit ankomme, aus welcher das Keimkörperchen in der Samenknoſpe gewiſſermaſſen herauskryſtal- liſire. Auch Konrad Sprengel ſchloß ſich dieſer Anſicht vollſtändig an, die ihn jedoch hinderte, den Befruchtungsvorgang bei den Asclepiadeen richtig aufzufaſſen.
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Weiterer Ausbau der Sexualtheorie etc. etc.
Joſeph Gärtner machte nicht ſelbſt neue Beobachtungen
über die Sexualität, benutzte jedoch Koelreuter's Ergebniſſe
in der Einleitung zu ſeiner Carpologie 1788 dazu, die verſchie-
denen Arten der Fortpflanzung ſtrenger von einander zu unter-
ſcheiden und zugleich auch ſeinerſeits der Evolutionstheorie ent-
gegenzutreten. Die Keimkörner oder Sporen der kryptogamiſchen
Pflanzen, die man damals vielfach ohne genügenden Grund für
wirkliche Samen hielt, ſtellte er dieſen gerade deßhalb gegen-
über, weil ſie ohne Befruchtung entſtehen und keimfähig ſind,
wogegen der Same erſt durch den Pollen keimfähig gemacht
werde. Die Sexualität der Kryptogamen leugnete Joſeph
Gärtner entſchieden; denn erſt ein halbes Jahrhundert ſpäter
gelang es, auch auf dieſem Gebiet an die Stelle vager Ver-
muthungen ſtreng wiſſenſchaftliche Nachweiſungen zu ſetzen und
im Intereſſe methodiſcher Wiſſenſchaft war es zu Gärtner's
Zeit in der That beſſer, die Sexualität der Kryptogamen ganz
zu läugnen, als die Spaltöffnungen der Farne, wie Gleichen that,
oder das Induſium der Farnkräuter mit Koelreuter oder ſelbſt
die Volva der Hutpilze für männliche Befruchtungsorgane zu
halten. Den Vertheidigern der Evolutionstheorie hielt Gärtner
ſehr richtig die Baſtarde Koelreuter's entgegen, und denen, welche
in den Samen nur eine andere Form vegetativer Knoſpen
ſahen, ſagte er, daß eben die Knoſpe ohne Befruchtung, der
Samen jedoch nur durch dieſe zur Bildung einer neuen Pflanze
befähigt werde. Welche Verdienſte ſich Gärtner um die Kennt-
niß des unreifen und reifen Samens erwarb, wurde ſchon in
der Geſchichte der Syſtematik mitgetheilt. Was den Vorgang
der Befruchtung ſelbſt betrifft, ſo adoptirte er im Weſentlichen
Koelreuter's Anſicht, daß es auf die Vermiſchung einer männli-
chen und einer weiblichen Flüſſigkeit ankomme, aus welcher das
Keimkörperchen in der Samenknoſpe gewiſſermaſſen herauskryſtal-
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vollſtändig an, die ihn jedoch hinderte, den Befruchtungsvorgang
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/459>, abgerufen am 22.11.2024.
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