um diese Zeit eine Reihe von Thatsachen bekannt war, welche darauf hinzuweisen schienen, daß auch bei ihnen im Lauf der Entwicklung eher oder später ein Moment eintritt, wo ein Ge- schlechtsact sich vollzieht. Es fehlte jedoch bis dahin an einer methodischen Bearbeitung der Frage, vor Allem an experimen- tellen Untersuchungen oder solchen Beobachtungen, welche die Nothwendigkeit einer sexuellen Vereinigung auch hier dargethan hätten.
Als in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die große Mehrzahl der Botaniker an der sexuellen Bedeutung der Staubgefäße der Phanerogamen nicht mehr zweifelte, ließ man es sich angelegen sein, auch bei kryptogamischen Pflanzen Organe von ähnlicher Funktion nachzuweisen; man stützte sich dabei auf äußerliche Aehnlichkeiten und Analogieen, die man mehr oder weniger willkürlich zu deuten suchte. Die ziemlich auffallende äußerliche Aehnlichkeit der Antheridien und Archegonien der Moose mit den Geschlechtsorganen der Phanerogamen veranlaßten schon Schmidel und Hedwig dieselben als Staubgefäße- und Frucht- knoten in Anspruch zu nehmen und hier errieth man in der That etwas Richtiges, wenn auch freilich die wahre Bedeutung der Moosfrucht auf diesem Wege nicht erkannt werden konnte. Früher hatten Micheli, Linne, Dillen, noch mehr auf Aeußerlich- keiten und geringe Kenntniß dieser Pflanzen gestützt, die Moos- frucht selbst für eine männliche Blüthe gehalten und was die übrigen Kryptogamen betraf, überließen sich selbst die hervor- ragendsten Botaniker einem Herumtasten ohne jeden festen empi- rischen Anhaltspunct. Es ist unnöthig, speciell auf die Ansichten, die dabei zum Vorschein kamen, einzugehen; nur beispielsweise sei Einzelnes erwähnt: Koelreuter z. B. betrachtete die Volva der Hutschwämme, Gleditsch und Hedwig dagegen schlauchförmige Zellen an den Lamellen derselben als die männlichen Befrucht- ungsorgane. Gleichen nahm die Spaltöffnung der Farne, Koel- reuter ihr Indusium, Hedwig sogar ihre Drüsenhaare für An- theren. Man ahnte noch nicht, daß der Entwicklungsgang und die gesammte morphologische Gliederung der kryptogamischen
Geſchichte der Sexualtheorie.
um dieſe Zeit eine Reihe von Thatſachen bekannt war, welche darauf hinzuweiſen ſchienen, daß auch bei ihnen im Lauf der Entwicklung eher oder ſpäter ein Moment eintritt, wo ein Ge- ſchlechtsact ſich vollzieht. Es fehlte jedoch bis dahin an einer methodiſchen Bearbeitung der Frage, vor Allem an experimen- tellen Unterſuchungen oder ſolchen Beobachtungen, welche die Nothwendigkeit einer ſexuellen Vereinigung auch hier dargethan hätten.
Als in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die große Mehrzahl der Botaniker an der ſexuellen Bedeutung der Staubgefäße der Phanerogamen nicht mehr zweifelte, ließ man es ſich angelegen ſein, auch bei kryptogamiſchen Pflanzen Organe von ähnlicher Funktion nachzuweiſen; man ſtützte ſich dabei auf äußerliche Aehnlichkeiten und Analogieen, die man mehr oder weniger willkürlich zu deuten ſuchte. Die ziemlich auffallende äußerliche Aehnlichkeit der Antheridien und Archegonien der Mooſe mit den Geſchlechtsorganen der Phanerogamen veranlaßten ſchon Schmidel und Hedwig dieſelben als Staubgefäße- und Frucht- knoten in Anſpruch zu nehmen und hier errieth man in der That etwas Richtiges, wenn auch freilich die wahre Bedeutung der Moosfrucht auf dieſem Wege nicht erkannt werden konnte. Früher hatten Micheli, Linné, Dillen, noch mehr auf Aeußerlich- keiten und geringe Kenntniß dieſer Pflanzen geſtützt, die Moos- frucht ſelbſt für eine männliche Blüthe gehalten und was die übrigen Kryptogamen betraf, überließen ſich ſelbſt die hervor- ragendſten Botaniker einem Herumtaſten ohne jeden feſten empi- riſchen Anhaltspunct. Es iſt unnöthig, ſpeciell auf die Anſichten, die dabei zum Vorſchein kamen, einzugehen; nur beiſpielsweiſe ſei Einzelnes erwähnt: Koelreuter z. B. betrachtete die Volva der Hutſchwämme, Gleditſch und Hedwig dagegen ſchlauchförmige Zellen an den Lamellen derſelben als die männlichen Befrucht- ungsorgane. Gleichen nahm die Spaltöffnung der Farne, Koel- reuter ihr Induſium, Hedwig ſogar ihre Drüſenhaare für An- theren. Man ahnte noch nicht, daß der Entwicklungsgang und die geſammte morphologiſche Gliederung der kryptogamiſchen
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[472/0484]
Geſchichte der Sexualtheorie.
um dieſe Zeit eine Reihe von Thatſachen bekannt war, welche
darauf hinzuweiſen ſchienen, daß auch bei ihnen im Lauf der
Entwicklung eher oder ſpäter ein Moment eintritt, wo ein Ge-
ſchlechtsact ſich vollzieht. Es fehlte jedoch bis dahin an einer
methodiſchen Bearbeitung der Frage, vor Allem an experimen-
tellen Unterſuchungen oder ſolchen Beobachtungen, welche die
Nothwendigkeit einer ſexuellen Vereinigung auch hier dargethan
hätten.
Als in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die
große Mehrzahl der Botaniker an der ſexuellen Bedeutung der
Staubgefäße der Phanerogamen nicht mehr zweifelte, ließ man
es ſich angelegen ſein, auch bei kryptogamiſchen Pflanzen Organe
von ähnlicher Funktion nachzuweiſen; man ſtützte ſich dabei auf
äußerliche Aehnlichkeiten und Analogieen, die man mehr oder
weniger willkürlich zu deuten ſuchte. Die ziemlich auffallende
äußerliche Aehnlichkeit der Antheridien und Archegonien der Mooſe
mit den Geſchlechtsorganen der Phanerogamen veranlaßten ſchon
Schmidel und Hedwig dieſelben als Staubgefäße- und Frucht-
knoten in Anſpruch zu nehmen und hier errieth man in der That
etwas Richtiges, wenn auch freilich die wahre Bedeutung der
Moosfrucht auf dieſem Wege nicht erkannt werden konnte. Früher
hatten Micheli, Linné, Dillen, noch mehr auf Aeußerlich-
keiten und geringe Kenntniß dieſer Pflanzen geſtützt, die Moos-
frucht ſelbſt für eine männliche Blüthe gehalten und was die
übrigen Kryptogamen betraf, überließen ſich ſelbſt die hervor-
ragendſten Botaniker einem Herumtaſten ohne jeden feſten empi-
riſchen Anhaltspunct. Es iſt unnöthig, ſpeciell auf die Anſichten,
die dabei zum Vorſchein kamen, einzugehen; nur beiſpielsweiſe
ſei Einzelnes erwähnt: Koelreuter z. B. betrachtete die Volva
der Hutſchwämme, Gleditſch und Hedwig dagegen ſchlauchförmige
Zellen an den Lamellen derſelben als die männlichen Befrucht-
ungsorgane. Gleichen nahm die Spaltöffnung der Farne, Koel-
reuter ihr Induſium, Hedwig ſogar ihre Drüſenhaare für An-
theren. Man ahnte noch nicht, daß der Entwicklungsgang und
die geſammte morphologiſche Gliederung der kryptogamiſchen
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/484>, abgerufen am 22.11.2024.
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