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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Erste inductive Versuche und Eröffnung neuer Gesichtspuncte etc.
Gesetzes der Gase, einer der bedeutendsten Physiker in der letzten
Hälfte des 17. Jahrhunderts, der auch die menschliche Physio-
logie mit werthvollen Entdeckungen bereichert hat. Uns ist ein
Brief Mariotte's an einen Herrn Lantin vom Jahre 1679
erhalten, der sich in den Oeuvres de Mariotte (Leyden 1717)
unter dem Titel: Sur le sujet des plantes, als ziemlich um-
fangreiche Abhandlung vorfindet. Es ist in hohem Grade lehr-
reich, aus diesem Briefe zu erfahren, wie einige Jahre nach
Malpighi's epochemachendem Werk und ungefähr gleichzeitig
mit der Herausgabe von Grew's Phytotomie einer der be-
rühmtesten und geistreichsten Physiker über die chemischen Vor-
gänge und Bedingungen der Pflanzenernährung dachte. Daß
Mariotte dabei nur ganz nebensächlich und oberflächlich auf
die feinere Struktur der Pflanzen Rücksicht nimmt, ist beinahe
selbstverständlich; dafür entschädigt uns aber die Hervorhebung
des principiell Wichtigen und Neuen, was sich damals über die
chemische Seite der Ernährungsvorgänge der Pflanzen sagen ließ.
Ueber die "Elemente" oder "Principien" der Pflanzen stellt
Mariotte drei Hypothesen auf, deren erste in der Annahme
liegt, daß es viele unmittelbare Principien (princips grossiers
et visibles
, offenbar was wir nähere Bestandtheile nennen
würden) der Pflanzen giebt, wie das Wasser, den Schwefel oder
das Oel, das gemeine Salz, den Salpeter, das flüchtige Salz
oder Ammoniak, einige Erden u. s. w.; und daß diese unmittel-
baren Bestandtheile selbst wieder zusammengesetzt sind aus drei
oder vier einfacheren Principien, die sich mit einander verbunden
haben; der Salpeter z. B. habe sein Phlegma oder geschmack-
loses Wasser, seinen Spiritus, sein fixes Salz u. s. w.; ebenso
habe das gemeine Salz dieselben Bestandtheile und man könne
mit viel Wahrscheinlichkeit annehmen, daß auch diese einfacheren

Dijon. Er war Geistleicher und wurde Prior von St. Martin sous Beaune
bei Dijon; der Akademie der Wiss. zu Paris gehörte er seit deren Gründung
1666 an; er war einer der Ersten, die sich in Frankreich der experimen-
tirenden Physik widmeten und die Mathematik auf dieselbe anwandten. Er
starb zu Paris 1684 (Biogr. univ.)
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Erſte inductive Verſuche und Eröffnung neuer Geſichtspuncte etc.
Geſetzes der Gaſe, einer der bedeutendſten Phyſiker in der letzten
Hälfte des 17. Jahrhunderts, der auch die menſchliche Phyſio-
logie mit werthvollen Entdeckungen bereichert hat. Uns iſt ein
Brief Mariotte's an einen Herrn Lantin vom Jahre 1679
erhalten, der ſich in den Oeuvres de Mariotte (Leyden 1717)
unter dem Titel: Sur le sujet des plantes, als ziemlich um-
fangreiche Abhandlung vorfindet. Es iſt in hohem Grade lehr-
reich, aus dieſem Briefe zu erfahren, wie einige Jahre nach
Malpighi's epochemachendem Werk und ungefähr gleichzeitig
mit der Herausgabe von Grew's Phytotomie einer der be-
rühmteſten und geiſtreichſten Phyſiker über die chemiſchen Vor-
gänge und Bedingungen der Pflanzenernährung dachte. Daß
Mariotte dabei nur ganz nebenſächlich und oberflächlich auf
die feinere Struktur der Pflanzen Rückſicht nimmt, iſt beinahe
ſelbſtverſtändlich; dafür entſchädigt uns aber die Hervorhebung
des principiell Wichtigen und Neuen, was ſich damals über die
chemiſche Seite der Ernährungsvorgänge der Pflanzen ſagen ließ.
Ueber die „Elemente“ oder „Principien“ der Pflanzen ſtellt
Mariotte drei Hypotheſen auf, deren erſte in der Annahme
liegt, daß es viele unmittelbare Principien (princips grossiers
et visibles
, offenbar was wir nähere Beſtandtheile nennen
würden) der Pflanzen giebt, wie das Waſſer, den Schwefel oder
das Oel, das gemeine Salz, den Salpeter, das flüchtige Salz
oder Ammoniak, einige Erden u. ſ. w.; und daß dieſe unmittel-
baren Beſtandtheile ſelbſt wieder zuſammengeſetzt ſind aus drei
oder vier einfacheren Principien, die ſich mit einander verbunden
haben; der Salpeter z. B. habe ſein Phlegma oder geſchmack-
loſes Waſſer, ſeinen Spiritus, ſein fixes Salz u. ſ. w.; ebenſo
habe das gemeine Salz dieſelben Beſtandtheile und man könne
mit viel Wahrſcheinlichkeit annehmen, daß auch dieſe einfacheren

Dijon. Er war Geiſtleicher und wurde Prior von St. Martin ſous Beaune
bei Dijon; der Akademie der Wiſſ. zu Paris gehörte er ſeit deren Gründung
1666 an; er war einer der Erſten, die ſich in Frankreich der experimen-
tirenden Phyſik widmeten und die Mathematik auf dieſelbe anwandten. Er
ſtarb zu Paris 1684 (Biogr. univ.)
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[499/0511] Erſte inductive Verſuche und Eröffnung neuer Geſichtspuncte etc. Geſetzes der Gaſe, einer der bedeutendſten Phyſiker in der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts, der auch die menſchliche Phyſio- logie mit werthvollen Entdeckungen bereichert hat. Uns iſt ein Brief Mariotte's an einen Herrn Lantin vom Jahre 1679 erhalten, der ſich in den Oeuvres de Mariotte (Leyden 1717) unter dem Titel: Sur le sujet des plantes, als ziemlich um- fangreiche Abhandlung vorfindet. Es iſt in hohem Grade lehr- reich, aus dieſem Briefe zu erfahren, wie einige Jahre nach Malpighi's epochemachendem Werk und ungefähr gleichzeitig mit der Herausgabe von Grew's Phytotomie einer der be- rühmteſten und geiſtreichſten Phyſiker über die chemiſchen Vor- gänge und Bedingungen der Pflanzenernährung dachte. Daß Mariotte dabei nur ganz nebenſächlich und oberflächlich auf die feinere Struktur der Pflanzen Rückſicht nimmt, iſt beinahe ſelbſtverſtändlich; dafür entſchädigt uns aber die Hervorhebung des principiell Wichtigen und Neuen, was ſich damals über die chemiſche Seite der Ernährungsvorgänge der Pflanzen ſagen ließ. Ueber die „Elemente“ oder „Principien“ der Pflanzen ſtellt Mariotte drei Hypotheſen auf, deren erſte in der Annahme liegt, daß es viele unmittelbare Principien (princips grossiers et visibles, offenbar was wir nähere Beſtandtheile nennen würden) der Pflanzen giebt, wie das Waſſer, den Schwefel oder das Oel, das gemeine Salz, den Salpeter, das flüchtige Salz oder Ammoniak, einige Erden u. ſ. w.; und daß dieſe unmittel- baren Beſtandtheile ſelbſt wieder zuſammengeſetzt ſind aus drei oder vier einfacheren Principien, die ſich mit einander verbunden haben; der Salpeter z. B. habe ſein Phlegma oder geſchmack- loſes Waſſer, ſeinen Spiritus, ſein fixes Salz u. ſ. w.; ebenſo habe das gemeine Salz dieſelben Beſtandtheile und man könne mit viel Wahrſcheinlichkeit annehmen, daß auch dieſe einfacheren 1) 1) Dijon. Er war Geiſtleicher und wurde Prior von St. Martin ſous Beaune bei Dijon; der Akademie der Wiſſ. zu Paris gehörte er ſeit deren Gründung 1666 an; er war einer der Erſten, die ſich in Frankreich der experimen- tirenden Phyſik widmeten und die Mathematik auf dieſelbe anwandten. Er ſtarb zu Paris 1684 (Biogr. univ.) 32*

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/511>, abgerufen am 22.11.2024.