die Befähigung zu schwierigeren Verstandesoperationen leiden, da diese eben nicht geübt wurden.
So war es aber nicht bei einem Manne, der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Deutschland die Pflanzenwelt ähnlich behandelte, wie früher Caesalpin gethan hatte, der aber ebenso wie dieser einstweilen bei den zeitgenössischen Botani- kern keine Beachtung fand; dieser Mann war der bekannte Phi- losoph Joachim Jungius, der nicht nur eine vergleichende Nomenclatur der Pflanzentheile schuf, sondern auch über die Theorie des Systems, über Benennung der Arten u. a. in zahl- reichen Aphorismen kritisch sich bethätigte. Frei von der geist- tödtenden Last, zu welcher die Einzelkenntniß der Arten heran- gewachsen war, ausgestattet mit Kenntnissen der verschiedensten Art, ein geschulter Denker, war J. Jungius besser befähigt, als die Botaniker von Fach, zu sehen, was der Botanik Noth that und sie fördern konnte; eine in der Geschichte der Botanik sich mehrfach wiederholende Erscheinung. Allein abgesehen von den unmittelbaren Schülern des Jungius blieben seine Leistungen unbekannt, bis Ray 1693 dieselben in sein großes Pflanzenwerk aufnahm und sie seiner theoretischen Botanik zu Grunde legte. Durch gute morphologische Bemerkungen Ray's bereichert, ging Jungius' Nomenclatur der Pflanzentheile auf Linne über, der sie, wie anderes Brauchbare, was ihm die Literatur bot, auf- nahm, im Einzelnen förderte, ihren Geist aber durch trockene Schematisirung verdarb.
Die in C. Bauhin gipfelnde Leistung der deutschen und niederländischen Botaniker des 16. Jahrhunderts blieb jedoch nicht ohne tiefgreifenden Einfluß auf die durch Caesalpin begründete weitere Entwicklung der Systematik. Als Caesalpin sein epochemachendes Werk schrieb, war ihm allerdings die na- türliche Anordnung des Lobelius 1576 vielleicht noch nicht bekannt; wenigstens weist nichts in seinem Werk darauf hin; es scheint sogar, als ob Caesapin sebstständig die Thatsache gefunden habe, daß es einen objectiven, in der Gesammtorgani- sation ausgesprochenen verwandtschaftlichen Zusammenhang unter
der Organe von Caeſalpin bis auf Linné.
die Befähigung zu ſchwierigeren Verſtandesoperationen leiden, da dieſe eben nicht geübt wurden.
So war es aber nicht bei einem Manne, der in der erſten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Deutſchland die Pflanzenwelt ähnlich behandelte, wie früher Caeſalpin gethan hatte, der aber ebenſo wie dieſer einſtweilen bei den zeitgenöſſiſchen Botani- kern keine Beachtung fand; dieſer Mann war der bekannte Phi- loſoph Joachim Jungius, der nicht nur eine vergleichende Nomenclatur der Pflanzentheile ſchuf, ſondern auch über die Theorie des Syſtems, über Benennung der Arten u. a. in zahl- reichen Aphorismen kritiſch ſich bethätigte. Frei von der geiſt- tödtenden Laſt, zu welcher die Einzelkenntniß der Arten heran- gewachſen war, ausgeſtattet mit Kenntniſſen der verſchiedenſten Art, ein geſchulter Denker, war J. Jungius beſſer befähigt, als die Botaniker von Fach, zu ſehen, was der Botanik Noth that und ſie fördern konnte; eine in der Geſchichte der Botanik ſich mehrfach wiederholende Erſcheinung. Allein abgeſehen von den unmittelbaren Schülern des Jungius blieben ſeine Leiſtungen unbekannt, bis Ray 1693 dieſelben in ſein großes Pflanzenwerk aufnahm und ſie ſeiner theoretiſchen Botanik zu Grunde legte. Durch gute morphologiſche Bemerkungen Ray's bereichert, ging Jungius' Nomenclatur der Pflanzentheile auf Linné über, der ſie, wie anderes Brauchbare, was ihm die Literatur bot, auf- nahm, im Einzelnen förderte, ihren Geiſt aber durch trockene Schematiſirung verdarb.
Die in C. Bauhin gipfelnde Leiſtung der deutſchen und niederländiſchen Botaniker des 16. Jahrhunderts blieb jedoch nicht ohne tiefgreifenden Einfluß auf die durch Caeſalpin begründete weitere Entwicklung der Syſtematik. Als Caeſalpin ſein epochemachendes Werk ſchrieb, war ihm allerdings die na- türliche Anordnung des Lobelius 1576 vielleicht noch nicht bekannt; wenigſtens weiſt nichts in ſeinem Werk darauf hin; es ſcheint ſogar, als ob Caeſapin ſebſtſtändig die Thatſache gefunden habe, daß es einen objectiven, in der Geſammtorgani- ſation ausgeſprochenen verwandtſchaftlichen Zuſammenhang unter
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[43/0055]
der Organe von Caeſalpin bis auf Linné.
die Befähigung zu ſchwierigeren Verſtandesoperationen leiden, da
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So war es aber nicht bei einem Manne, der in der erſten
Hälfte des 17. Jahrhunderts in Deutſchland die Pflanzenwelt
ähnlich behandelte, wie früher Caeſalpin gethan hatte, der
aber ebenſo wie dieſer einſtweilen bei den zeitgenöſſiſchen Botani-
kern keine Beachtung fand; dieſer Mann war der bekannte Phi-
loſoph Joachim Jungius, der nicht nur eine vergleichende
Nomenclatur der Pflanzentheile ſchuf, ſondern auch über die
Theorie des Syſtems, über Benennung der Arten u. a. in zahl-
reichen Aphorismen kritiſch ſich bethätigte. Frei von der geiſt-
tödtenden Laſt, zu welcher die Einzelkenntniß der Arten heran-
gewachſen war, ausgeſtattet mit Kenntniſſen der verſchiedenſten
Art, ein geſchulter Denker, war J. Jungius beſſer befähigt,
als die Botaniker von Fach, zu ſehen, was der Botanik Noth
that und ſie fördern konnte; eine in der Geſchichte der Botanik
ſich mehrfach wiederholende Erſcheinung. Allein abgeſehen von
den unmittelbaren Schülern des Jungius blieben ſeine Leiſtungen
unbekannt, bis Ray 1693 dieſelben in ſein großes Pflanzenwerk
aufnahm und ſie ſeiner theoretiſchen Botanik zu Grunde legte.
Durch gute morphologiſche Bemerkungen Ray's bereichert, ging
Jungius' Nomenclatur der Pflanzentheile auf Linné über,
der ſie, wie anderes Brauchbare, was ihm die Literatur bot, auf-
nahm, im Einzelnen förderte, ihren Geiſt aber durch trockene
Schematiſirung verdarb.
Die in C. Bauhin gipfelnde Leiſtung der deutſchen und
niederländiſchen Botaniker des 16. Jahrhunderts blieb jedoch
nicht ohne tiefgreifenden Einfluß auf die durch Caeſalpin
begründete weitere Entwicklung der Syſtematik. Als Caeſalpin
ſein epochemachendes Werk ſchrieb, war ihm allerdings die na-
türliche Anordnung des Lobelius 1576 vielleicht noch nicht
bekannt; wenigſtens weiſt nichts in ſeinem Werk darauf hin; es
ſcheint ſogar, als ob Caeſapin ſebſtſtändig die Thatſache
gefunden habe, daß es einen objectiven, in der Geſammtorgani-
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/55>, abgerufen am 22.11.2024.
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