Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Feststellung des Nahrungsmaterials der Pflanzen. nöthigen Bildungsstoffe aus den Blättern dorthin geleitetwerden müssen. Die Frage konnte gar nicht mehr sein, ob überhaupt eine derartige Bewegung assimilirter Stoffe statt- finde, vielmehr trat jetzt die neue Frage heran, welche Gewebe- formen diese Fortleitung vermitteln und von welcher Natur die in den Blättern erzeugten und in den übrigen Organen fortgeleiteten Substanzen sind. Beide Fragen ließen sich der Organisation der Pflanze entsprechend wesentlich nur auf mi- krochemischem Wege entscheiden, ein Weg, der jedoch erst seit 1857 betreten und dann weiter ausgebildet wurde. Ueber die chemischen Verbindungen, welche durch die Assimilation in den Blättern zuerst erzeugt werden, wußte man, wie schon erwähnt, auch in den vierziger und fünfziger Jahren nichts Gewisses; De Candolle hatte, wie wir sahen eine gummi- artige Substanz als primären Bildungssaft daselbst entstehen lassen, aus welchem sich nun in den verschiedenen Gewebe- formen die verschiedensten anderen Pflanzenstoffe abscheiden sollten. Theodor Hartig der sich in den fünfziger Jahren durch seine Untersuchungen über die Stärke im Holz der Bäume, das Klebermehl in den Samen, durch die Entdeckung der Siebröhren, durch Beobachtung des Wassergehaltes der Hölzer in verschiedenen Jahreszeiten und durch verschiedene andere Beiträge verdient gemacht hatte, beschäftigte sich auch mit der Theorie des ab- steigenden Saftes, den er sich als einen formlosen Urschleim dachte, aus welchem ähnlich, wie aus De Candolle's Gummi, unterwegs die verschiedensten anderen Pflanzenstoffe sich absetzen. "In den Blättern, sagt Hartig bot. Zeitung 1858 p. 341, wird der rohe Nahrungssaft zu primitivem Bildungssaft umge- wandelt," und ferner "die Bildung der festen Reservestoffe (aus jenem) kann nicht ohne Abscheidung bedeutender Mengen wässriger Flüssigkeit geschehen." Die gelegentlichen Bemerkungen der ver- schiedensten Pflanzenphysiologen in den vierziger und fünfziger Jahren beweisen, daß ähnliche Vorstellungen von der Bildung eines derartigen Urschleims in den Blättern allgemein verbreitet waren. Sachs, Geschichte der Botanik. 37
Feſtſtellung des Nahrungsmaterials der Pflanzen. nöthigen Bildungsſtoffe aus den Blättern dorthin geleitetwerden müſſen. Die Frage konnte gar nicht mehr ſein, ob überhaupt eine derartige Bewegung aſſimilirter Stoffe ſtatt- finde, vielmehr trat jetzt die neue Frage heran, welche Gewebe- formen dieſe Fortleitung vermitteln und von welcher Natur die in den Blättern erzeugten und in den übrigen Organen fortgeleiteten Subſtanzen ſind. Beide Fragen ließen ſich der Organiſation der Pflanze entſprechend weſentlich nur auf mi- krochemiſchem Wege entſcheiden, ein Weg, der jedoch erſt ſeit 1857 betreten und dann weiter ausgebildet wurde. Ueber die chemiſchen Verbindungen, welche durch die Aſſimilation in den Blättern zuerſt erzeugt werden, wußte man, wie ſchon erwähnt, auch in den vierziger und fünfziger Jahren nichts Gewiſſes; De Candolle hatte, wie wir ſahen eine gummi- artige Subſtanz als primären Bildungsſaft daſelbſt entſtehen laſſen, aus welchem ſich nun in den verſchiedenen Gewebe- formen die verſchiedenſten anderen Pflanzenſtoffe abſcheiden ſollten. Theodor Hartig der ſich in den fünfziger Jahren durch ſeine Unterſuchungen über die Stärke im Holz der Bäume, das Klebermehl in den Samen, durch die Entdeckung der Siebröhren, durch Beobachtung des Waſſergehaltes der Hölzer in verſchiedenen Jahreszeiten und durch verſchiedene andere Beiträge verdient gemacht hatte, beſchäftigte ſich auch mit der Theorie des ab- ſteigenden Saftes, den er ſich als einen formloſen Urſchleim dachte, aus welchem ähnlich, wie aus De Candolle's Gummi, unterwegs die verſchiedenſten anderen Pflanzenſtoffe ſich abſetzen. „In den Blättern, ſagt Hartig bot. Zeitung 1858 p. 341, wird der rohe Nahrungsſaft zu primitivem Bildungsſaft umge- wandelt,“ und ferner „die Bildung der feſten Reſerveſtoffe (aus jenem) kann nicht ohne Abſcheidung bedeutender Mengen wäſſriger Flüſſigkeit geſchehen.“ Die gelegentlichen Bemerkungen der ver- ſchiedenſten Pflanzenphyſiologen in den vierziger und fünfziger Jahren beweiſen, daß ähnliche Vorſtellungen von der Bildung eines derartigen Urſchleims in den Blättern allgemein verbreitet waren. Sachs, Geſchichte der Botanik. 37
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0589" n="577"/><fw place="top" type="header">Feſtſtellung des Nahrungsmaterials der Pflanzen.</fw><lb/> nöthigen Bildungsſtoffe aus den Blättern dorthin geleitet<lb/> werden müſſen. Die Frage konnte gar nicht mehr ſein, ob<lb/> überhaupt eine derartige Bewegung aſſimilirter Stoffe ſtatt-<lb/> finde, vielmehr trat jetzt die neue Frage heran, welche Gewebe-<lb/> formen dieſe Fortleitung vermitteln und von welcher Natur<lb/> die in den Blättern erzeugten und in den übrigen Organen<lb/> fortgeleiteten Subſtanzen ſind. Beide Fragen ließen ſich der<lb/> Organiſation der Pflanze entſprechend weſentlich nur auf mi-<lb/> krochemiſchem Wege entſcheiden, ein Weg, der jedoch erſt ſeit<lb/> 1857 betreten und dann weiter ausgebildet wurde. Ueber<lb/> die chemiſchen Verbindungen, welche durch die Aſſimilation in<lb/> den Blättern zuerſt erzeugt werden, wußte man, wie ſchon<lb/> erwähnt, auch in den vierziger und fünfziger Jahren nichts<lb/> Gewiſſes; <hi rendition="#g">De Candolle</hi> hatte, wie wir ſahen eine gummi-<lb/> artige Subſtanz als primären Bildungsſaft daſelbſt entſtehen<lb/> laſſen, aus welchem ſich nun in den verſchiedenen Gewebe-<lb/> formen die verſchiedenſten anderen Pflanzenſtoffe abſcheiden ſollten.<lb/> Theodor Hartig der ſich in den fünfziger Jahren durch ſeine<lb/> Unterſuchungen über die Stärke im Holz der Bäume, das<lb/> Klebermehl in den Samen, durch die Entdeckung der Siebröhren,<lb/> durch Beobachtung des Waſſergehaltes der Hölzer in verſchiedenen<lb/> Jahreszeiten und durch verſchiedene andere Beiträge verdient<lb/> gemacht hatte, beſchäftigte ſich auch mit der Theorie des ab-<lb/> ſteigenden Saftes, den er ſich als einen formloſen Urſchleim<lb/> dachte, aus welchem ähnlich, wie aus <hi rendition="#g">De Candolle</hi>'s Gummi,<lb/> unterwegs die verſchiedenſten anderen Pflanzenſtoffe ſich abſetzen.<lb/> „In den Blättern, ſagt Hartig bot. Zeitung 1858 <hi rendition="#aq">p.</hi> 341,<lb/> wird der rohe Nahrungsſaft zu primitivem Bildungsſaft umge-<lb/> wandelt,“ und ferner „die Bildung der feſten Reſerveſtoffe (aus<lb/> jenem) kann nicht ohne Abſcheidung bedeutender Mengen wäſſriger<lb/> Flüſſigkeit geſchehen.“ Die gelegentlichen Bemerkungen der ver-<lb/> ſchiedenſten Pflanzenphyſiologen in den vierziger und fünfziger<lb/> Jahren beweiſen, daß ähnliche Vorſtellungen von der Bildung eines<lb/> derartigen Urſchleims in den Blättern allgemein verbreitet waren.</p> </div> </div><lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Sachs</hi>, Geſchichte der Botanik. 37</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [577/0589]
Feſtſtellung des Nahrungsmaterials der Pflanzen.
nöthigen Bildungsſtoffe aus den Blättern dorthin geleitet
werden müſſen. Die Frage konnte gar nicht mehr ſein, ob
überhaupt eine derartige Bewegung aſſimilirter Stoffe ſtatt-
finde, vielmehr trat jetzt die neue Frage heran, welche Gewebe-
formen dieſe Fortleitung vermitteln und von welcher Natur
die in den Blättern erzeugten und in den übrigen Organen
fortgeleiteten Subſtanzen ſind. Beide Fragen ließen ſich der
Organiſation der Pflanze entſprechend weſentlich nur auf mi-
krochemiſchem Wege entſcheiden, ein Weg, der jedoch erſt ſeit
1857 betreten und dann weiter ausgebildet wurde. Ueber
die chemiſchen Verbindungen, welche durch die Aſſimilation in
den Blättern zuerſt erzeugt werden, wußte man, wie ſchon
erwähnt, auch in den vierziger und fünfziger Jahren nichts
Gewiſſes; De Candolle hatte, wie wir ſahen eine gummi-
artige Subſtanz als primären Bildungsſaft daſelbſt entſtehen
laſſen, aus welchem ſich nun in den verſchiedenen Gewebe-
formen die verſchiedenſten anderen Pflanzenſtoffe abſcheiden ſollten.
Theodor Hartig der ſich in den fünfziger Jahren durch ſeine
Unterſuchungen über die Stärke im Holz der Bäume, das
Klebermehl in den Samen, durch die Entdeckung der Siebröhren,
durch Beobachtung des Waſſergehaltes der Hölzer in verſchiedenen
Jahreszeiten und durch verſchiedene andere Beiträge verdient
gemacht hatte, beſchäftigte ſich auch mit der Theorie des ab-
ſteigenden Saftes, den er ſich als einen formloſen Urſchleim
dachte, aus welchem ähnlich, wie aus De Candolle's Gummi,
unterwegs die verſchiedenſten anderen Pflanzenſtoffe ſich abſetzen.
„In den Blättern, ſagt Hartig bot. Zeitung 1858 p. 341,
wird der rohe Nahrungsſaft zu primitivem Bildungsſaft umge-
wandelt,“ und ferner „die Bildung der feſten Reſerveſtoffe (aus
jenem) kann nicht ohne Abſcheidung bedeutender Mengen wäſſriger
Flüſſigkeit geſchehen.“ Die gelegentlichen Bemerkungen der ver-
ſchiedenſten Pflanzenphyſiologen in den vierziger und fünfziger
Jahren beweiſen, daß ähnliche Vorſtellungen von der Bildung eines
derartigen Urſchleims in den Blättern allgemein verbreitet waren.
Sachs, Geſchichte der Botanik. 37
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |