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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Phytodynamik.
zu widmen und nur sehr langsam gelang es später, die zum
Theil sehr verwickelten, hier in Betracht kommenden Verhältnisse
zu entwirren, die Abhängigkeit der phytodynamischen Erschein-
ungen von äußeren Einflüssen zu bestimmen und die mechanischen
Bedingungen ihres Geschehens einigermaßen klar zu legen.

Einzelne Bewegungen von Pflanzentheilen zogen schon in
alter Zeit die Aufmerksamkeit verschiedener Schriftsteller auf sich, die
ihrer jedoch nur flüchtig erwähnen; so rührt die erste Nachricht
über die heliotropischen Bewegungen mancher Blüthenstiele schon
von Varro her, nach welchem man damals solche Blumen als
heliotropische bezeichnete und im folgenden Jahrhundert erwähnte
Plinius, daß bei herannahendem Unwetter die Blätter des Klees
sich schließen; Albertus Magnus im 13., Valerius
Cordus
und Garcias del Huerto im 16. Jahrhundert
hielten zuerst die täglichen periodischen Bewegungen der Fieder-
blättchen einiger Leguminosen der Erwähnung werth; Caesalpin
aber beachtete auch schon die Bewegungen der Ranken und
Schlingpflanzen und wunderte sich darüber, daß die letzteren
ihre Stützen gewissermaßen aufsuchen. Mehr als diese alltäg-
lichen Erscheinungen mußte die auffallende Reizbarkeit der Blätter
der aus Amerika eingeführten Mimosa pudica die Aufmerksam-
keit auf sich ziehen, und so finden wir schon in Robert Hooke's
Mikrographie 1667 eine Abhandlung über die Ursachen derselben.
Aber auch die Reizbarkeit der Staubgefäße von Centaurea
wurde schon 1653 von Borelli erwähnt.

1) Die ersten theoretischen Bestrebungen treten uns auch auf
diesem Gebiet am Ende des 17. Jahrhunderts entgegen. Eine
zusammenfassende Darstellung phytodynamischer Erscheinungen gab
Ray in seiner Historia plantarum 1693 und zwar sogleich im
Beginn seiner allgemeinen Betrachtungen über das Wesen der
Pflanze, die er an den Satz des Jungius: Planta est corpus
vivens, non sentiens etc.
anknüpft. Obgleich er noch ähnlich,
wie Caesalpin, an eine aristotelische Pflanzenseele zu glauben
scheint, geht seine Behandlung doch wesentlich darauf aus, die
Bewegungen, über welche er berichtet, mechanisch-physikalisch zu

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Geſchichte der Phytodynamik.
zu widmen und nur ſehr langſam gelang es ſpäter, die zum
Theil ſehr verwickelten, hier in Betracht kommenden Verhältniſſe
zu entwirren, die Abhängigkeit der phytodynamiſchen Erſchein-
ungen von äußeren Einflüſſen zu beſtimmen und die mechaniſchen
Bedingungen ihres Geſchehens einigermaßen klar zu legen.

Einzelne Bewegungen von Pflanzentheilen zogen ſchon in
alter Zeit die Aufmerkſamkeit verſchiedener Schriftſteller auf ſich, die
ihrer jedoch nur flüchtig erwähnen; ſo rührt die erſte Nachricht
über die heliotropiſchen Bewegungen mancher Blüthenſtiele ſchon
von Varro her, nach welchem man damals ſolche Blumen als
heliotropiſche bezeichnete und im folgenden Jahrhundert erwähnte
Plinius, daß bei herannahendem Unwetter die Blätter des Klees
ſich ſchließen; Albertus Magnus im 13., Valerius
Cordus
und Garcias del Huerto im 16. Jahrhundert
hielten zuerſt die täglichen periodiſchen Bewegungen der Fieder-
blättchen einiger Leguminoſen der Erwähnung werth; Caeſalpin
aber beachtete auch ſchon die Bewegungen der Ranken und
Schlingpflanzen und wunderte ſich darüber, daß die letzteren
ihre Stützen gewiſſermaßen aufſuchen. Mehr als dieſe alltäg-
lichen Erſcheinungen mußte die auffallende Reizbarkeit der Blätter
der aus Amerika eingeführten Mimosa pudica die Aufmerkſam-
keit auf ſich ziehen, und ſo finden wir ſchon in Robert Hooke's
Mikrographie 1667 eine Abhandlung über die Urſachen derſelben.
Aber auch die Reizbarkeit der Staubgefäße von Centaurea
wurde ſchon 1653 von Borelli erwähnt.

1) Die erſten theoretiſchen Beſtrebungen treten uns auch auf
dieſem Gebiet am Ende des 17. Jahrhunderts entgegen. Eine
zuſammenfaſſende Darſtellung phytodynamiſcher Erſcheinungen gab
Ray in ſeiner Historia plantarum 1693 und zwar ſogleich im
Beginn ſeiner allgemeinen Betrachtungen über das Weſen der
Pflanze, die er an den Satz des Jungius: Planta est corpus
vivens, non sentiens etc.
anknüpft. Obgleich er noch ähnlich,
wie Caeſalpin, an eine ariſtoteliſche Pflanzenſeele zu glauben
ſcheint, geht ſeine Behandlung doch weſentlich darauf aus, die
Bewegungen, über welche er berichtet, mechaniſch-phyſikaliſch zu

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[579/0591] Geſchichte der Phytodynamik. zu widmen und nur ſehr langſam gelang es ſpäter, die zum Theil ſehr verwickelten, hier in Betracht kommenden Verhältniſſe zu entwirren, die Abhängigkeit der phytodynamiſchen Erſchein- ungen von äußeren Einflüſſen zu beſtimmen und die mechaniſchen Bedingungen ihres Geſchehens einigermaßen klar zu legen. Einzelne Bewegungen von Pflanzentheilen zogen ſchon in alter Zeit die Aufmerkſamkeit verſchiedener Schriftſteller auf ſich, die ihrer jedoch nur flüchtig erwähnen; ſo rührt die erſte Nachricht über die heliotropiſchen Bewegungen mancher Blüthenſtiele ſchon von Varro her, nach welchem man damals ſolche Blumen als heliotropiſche bezeichnete und im folgenden Jahrhundert erwähnte Plinius, daß bei herannahendem Unwetter die Blätter des Klees ſich ſchließen; Albertus Magnus im 13., Valerius Cordus und Garcias del Huerto im 16. Jahrhundert hielten zuerſt die täglichen periodiſchen Bewegungen der Fieder- blättchen einiger Leguminoſen der Erwähnung werth; Caeſalpin aber beachtete auch ſchon die Bewegungen der Ranken und Schlingpflanzen und wunderte ſich darüber, daß die letzteren ihre Stützen gewiſſermaßen aufſuchen. Mehr als dieſe alltäg- lichen Erſcheinungen mußte die auffallende Reizbarkeit der Blätter der aus Amerika eingeführten Mimosa pudica die Aufmerkſam- keit auf ſich ziehen, und ſo finden wir ſchon in Robert Hooke's Mikrographie 1667 eine Abhandlung über die Urſachen derſelben. Aber auch die Reizbarkeit der Staubgefäße von Centaurea wurde ſchon 1653 von Borelli erwähnt. 1) Die erſten theoretiſchen Beſtrebungen treten uns auch auf dieſem Gebiet am Ende des 17. Jahrhunderts entgegen. Eine zuſammenfaſſende Darſtellung phytodynamiſcher Erſcheinungen gab Ray in ſeiner Historia plantarum 1693 und zwar ſogleich im Beginn ſeiner allgemeinen Betrachtungen über das Weſen der Pflanze, die er an den Satz des Jungius: Planta est corpus vivens, non sentiens etc. anknüpft. Obgleich er noch ähnlich, wie Caeſalpin, an eine ariſtoteliſche Pflanzenſeele zu glauben ſcheint, geht ſeine Behandlung doch weſentlich darauf aus, die Bewegungen, über welche er berichtet, mechaniſch-phyſikaliſch zu 37*

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/591>, abgerufen am 22.11.2024.