Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Geschichte der Phytodynamik. die Mißfärbung der Blätter und die starke Streckung der Stengelverantwortlich machte; dafür aber brachte er die echt naturwissen- schaftliche Methode zur Geltung, deren Geist sich auch darin aus- sprach, daß Senebier den Linne'schen Ausdruck Pflanzen- schlaf unzutreffend fand, weil, wie er bemerkte, die schlafenden Blätter keineswegs erschlafft, sondern ebenso schraff wie am Tage sind. -- Aehnlich wie Senebier experimentirte auch De Can- dolle über den Einfluß des Lichts auf die Vegetation (1806) und es gelang ihm nachzuweisen, daß die tägliche Periode der Blätter sich durch künstliche Beleuchtung umkehren läßt; wie schon in der Geschichte der Ernährungslehre erwähnt, war er zwar Anhänger der Lebenskraft, von der er jedoch nur dann Gebrauch machte, wenn physikalische Erklärungen versagten. -- In das Jahr 1806 fällt aber noch eine der glänzendsten Entdeckungen, die den Naturphilosophen und Anhängern der Lebenskraft um jeden Preis, sehr unbequem wurde und gewiß dazu beigetragen hat, die wissenschaftliche Behandlung der Pflanzenbewegungen wieder auf die rechte Bahn zu leiten. Es war der von Andrew Knight 1) gelieferte, experimentelle Nachweis, daß der ver- ticale Wuchs der Stämme und Hauptwurzeln durch die Schwer- kraft verursacht wird, indem er keimende Pflanzen an einem sich rasch drehenden Rade befestigte und sie so der Centrifugalkraft allein oder unter Mitwirkung der Schwere aussetzte; wie sonst der letzteren, so folgten hier die Keimwurzeln der Richtung der Centrifugalkraft, während die Keimstengel die entgegengesetzte Richtung annahmen. Die Frage war nun aber, auf welche Art die Schwere, resp. die Centrifugalkraft, es bewirkt, daß Wurzel und Stengel gerade entgegengesetzte Richtungen einschlagen, warum z. B. bei einer horizontal gelegten Pflanze die Wurzelspitze sich abwärts, der Stengel sich aufwärts krümmt. Knight nahm an, daß jene, wie eine halbweiche Masse durch ihr eigenes Ge- 1) Thomas Andrew Knight war Präsident der horticultural
society, zu Wormsley Grange bei Herford 1758 geboren, zu London 1838 gest. Geſchichte der Phytodynamik. die Mißfärbung der Blätter und die ſtarke Streckung der Stengelverantwortlich machte; dafür aber brachte er die echt naturwiſſen- ſchaftliche Methode zur Geltung, deren Geiſt ſich auch darin aus- ſprach, daß Senebier den Linné'ſchen Ausdruck Pflanzen- ſchlaf unzutreffend fand, weil, wie er bemerkte, die ſchlafenden Blätter keineswegs erſchlafft, ſondern ebenſo ſchraff wie am Tage ſind. — Aehnlich wie Senebier experimentirte auch De Can- dolle über den Einfluß des Lichts auf die Vegetation (1806) und es gelang ihm nachzuweiſen, daß die tägliche Periode der Blätter ſich durch künſtliche Beleuchtung umkehren läßt; wie ſchon in der Geſchichte der Ernährungslehre erwähnt, war er zwar Anhänger der Lebenskraft, von der er jedoch nur dann Gebrauch machte, wenn phyſikaliſche Erklärungen verſagten. — In das Jahr 1806 fällt aber noch eine der glänzendſten Entdeckungen, die den Naturphiloſophen und Anhängern der Lebenskraft um jeden Preis, ſehr unbequem wurde und gewiß dazu beigetragen hat, die wiſſenſchaftliche Behandlung der Pflanzenbewegungen wieder auf die rechte Bahn zu leiten. Es war der von Andrew Knight 1) gelieferte, experimentelle Nachweis, daß der ver- ticale Wuchs der Stämme und Hauptwurzeln durch die Schwer- kraft verurſacht wird, indem er keimende Pflanzen an einem ſich raſch drehenden Rade befeſtigte und ſie ſo der Centrifugalkraft allein oder unter Mitwirkung der Schwere ausſetzte; wie ſonſt der letzteren, ſo folgten hier die Keimwurzeln der Richtung der Centrifugalkraft, während die Keimſtengel die entgegengeſetzte Richtung annahmen. Die Frage war nun aber, auf welche Art die Schwere, reſp. die Centrifugalkraft, es bewirkt, daß Wurzel und Stengel gerade entgegengeſetzte Richtungen einſchlagen, warum z. B. bei einer horizontal gelegten Pflanze die Wurzelſpitze ſich abwärts, der Stengel ſich aufwärts krümmt. Knight nahm an, daß jene, wie eine halbweiche Maſſe durch ihr eigenes Ge- 1) Thomas Andrew Knight war Präſident der horticultural
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Geſchichte der Phytodynamik.
die Mißfärbung der Blätter und die ſtarke Streckung der Stengel
verantwortlich machte; dafür aber brachte er die echt naturwiſſen-
ſchaftliche Methode zur Geltung, deren Geiſt ſich auch darin aus-
ſprach, daß Senebier den Linné'ſchen Ausdruck Pflanzen-
ſchlaf unzutreffend fand, weil, wie er bemerkte, die ſchlafenden
Blätter keineswegs erſchlafft, ſondern ebenſo ſchraff wie am Tage
ſind. — Aehnlich wie Senebier experimentirte auch De Can-
dolle über den Einfluß des Lichts auf die Vegetation (1806)
und es gelang ihm nachzuweiſen, daß die tägliche Periode der
Blätter ſich durch künſtliche Beleuchtung umkehren läßt; wie ſchon
in der Geſchichte der Ernährungslehre erwähnt, war er zwar
Anhänger der Lebenskraft, von der er jedoch nur dann Gebrauch
machte, wenn phyſikaliſche Erklärungen verſagten. — In das
Jahr 1806 fällt aber noch eine der glänzendſten Entdeckungen,
die den Naturphiloſophen und Anhängern der Lebenskraft um
jeden Preis, ſehr unbequem wurde und gewiß dazu beigetragen
hat, die wiſſenſchaftliche Behandlung der Pflanzenbewegungen
wieder auf die rechte Bahn zu leiten. Es war der von Andrew
Knight 1) gelieferte, experimentelle Nachweis, daß der ver-
ticale Wuchs der Stämme und Hauptwurzeln durch die Schwer-
kraft verurſacht wird, indem er keimende Pflanzen an einem ſich
raſch drehenden Rade befeſtigte und ſie ſo der Centrifugalkraft
allein oder unter Mitwirkung der Schwere ausſetzte; wie ſonſt
der letzteren, ſo folgten hier die Keimwurzeln der Richtung der
Centrifugalkraft, während die Keimſtengel die entgegengeſetzte
Richtung annahmen. Die Frage war nun aber, auf welche Art
die Schwere, reſp. die Centrifugalkraft, es bewirkt, daß Wurzel
und Stengel gerade entgegengeſetzte Richtungen einſchlagen, warum
z. B. bei einer horizontal gelegten Pflanze die Wurzelſpitze ſich
abwärts, der Stengel ſich aufwärts krümmt. Knight nahm
an, daß jene, wie eine halbweiche Maſſe durch ihr eigenes Ge-
1) Thomas Andrew Knight war Präſident der horticultural
society, zu Wormsley Grange bei Herford 1758 geboren, zu London
1838 geſt.
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