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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Phytodynamik.
immer wiederholte, wenn auch nur verschämt ausgedrückte Ansicht,
daß die Ranken und Schlingpflanzen ihre Stützen "gleichsam
aufsuchen", die seit Grew oft wiederholte, ganz gedankenlose
Annahme, daß die verschiedene Richtung des Schlingens der
Stengel durch den verschiedenen Einfluß des Laufs der Sonne
und des Mondes bewirkt werde, wies er schlagend ab; dafür
zeigte er, wie die Nutationsbewegungen der schlingenden Stengel
vollkommen hinreichen, das sogenannte Aufsuchen der Stützen zu
erklären und wenn er die entsprechende Erscheinung bei den
Ranken auch nicht entdeckte, so genügte das, was er sah, doch
zur Abweisung jener veralteten Meinung. Auf die sehr zahl-
reichen, meist guten Einzelheiten einzugehen ist hier nicht der Ort,
und daß manche derselben später berichtigt werden mußten, braucht
kaum erwähnt zu werden. Hauptsache war, daß durch Mohl's
umfangreiche Untersuchung ein Muster geliefert war, wie phyto-
dynamische Erscheinungen allseitig zu studiren sind, bevor man
an eine eigentlich mechanische Erklärung derselben denken kann.

Auch wenn es Mohl versucht hätte, die Vorgänge im Ge-
webe windender Organe mechanisch zu erklären, so hätte dieser
Versuch doch scheitern müssen, da ein Agens, welches hier sicherlich
mit in Betracht kommen mußte, die Diffusionsvorgänge, erst in
demselben Jahr (1826), wo er die Bearbeitung unternahm, von
Dutrochet entdeckt und erst später soweit studirt wurde, daß
es sich zur Erklärung von Vegetationserscheinungen benutzen
ließ. Dutrochet suchte die Endosmose schon 1828 in die
Phytodynamik einzuführen, und insofern es sich dabei nur um
den Nachweis handelt, wie überhaupt und im Allgemeinen durch
Endosmose und Exosmose Turgescenzänderungen des Gewebes
zu Stande kommen, war damit auch in der That ein neues
mechanisches Erklärungsmittel für solche Vorgänge gewonnen, die
man bis dahin vitalistisch glaubte auffassen zu müssen; allein in
seinen späteren, ausführlichen Bearbeitungen des Geotropismus,
Heliotropismus, der periodischen und Reizbewegungen u. s. w.,
die er in den "Memoires" 1837 zusammenstellte, gerieth Du-
trochet in einen zwiefachen Irrthum; einerseits nahm er, um

Geſchichte der Phytodynamik.
immer wiederholte, wenn auch nur verſchämt ausgedrückte Anſicht,
daß die Ranken und Schlingpflanzen ihre Stützen „gleichſam
aufſuchen“, die ſeit Grew oft wiederholte, ganz gedankenloſe
Annahme, daß die verſchiedene Richtung des Schlingens der
Stengel durch den verſchiedenen Einfluß des Laufs der Sonne
und des Mondes bewirkt werde, wies er ſchlagend ab; dafür
zeigte er, wie die Nutationsbewegungen der ſchlingenden Stengel
vollkommen hinreichen, das ſogenannte Aufſuchen der Stützen zu
erklären und wenn er die entſprechende Erſcheinung bei den
Ranken auch nicht entdeckte, ſo genügte das, was er ſah, doch
zur Abweiſung jener veralteten Meinung. Auf die ſehr zahl-
reichen, meiſt guten Einzelheiten einzugehen iſt hier nicht der Ort,
und daß manche derſelben ſpäter berichtigt werden mußten, braucht
kaum erwähnt zu werden. Hauptſache war, daß durch Mohl's
umfangreiche Unterſuchung ein Muſter geliefert war, wie phyto-
dynamiſche Erſcheinungen allſeitig zu ſtudiren ſind, bevor man
an eine eigentlich mechaniſche Erklärung derſelben denken kann.

Auch wenn es Mohl verſucht hätte, die Vorgänge im Ge-
webe windender Organe mechaniſch zu erklären, ſo hätte dieſer
Verſuch doch ſcheitern müſſen, da ein Agens, welches hier ſicherlich
mit in Betracht kommen mußte, die Diffuſionsvorgänge, erſt in
demſelben Jahr (1826), wo er die Bearbeitung unternahm, von
Dutrochet entdeckt und erſt ſpäter ſoweit ſtudirt wurde, daß
es ſich zur Erklärung von Vegetationserſcheinungen benutzen
ließ. Dutrochet ſuchte die Endosmoſe ſchon 1828 in die
Phytodynamik einzuführen, und inſofern es ſich dabei nur um
den Nachweis handelt, wie überhaupt und im Allgemeinen durch
Endosmoſe und Exosmoſe Turgescenzänderungen des Gewebes
zu Stande kommen, war damit auch in der That ein neues
mechaniſches Erklärungsmittel für ſolche Vorgänge gewonnen, die
man bis dahin vitaliſtiſch glaubte auffaſſen zu müſſen; allein in
ſeinen ſpäteren, ausführlichen Bearbeitungen des Geotropismus,
Heliotropismus, der periodiſchen und Reizbewegungen u. ſ. w.,
die er in den „Mémoires“ 1837 zuſammenſtellte, gerieth Du-
trochet in einen zwiefachen Irrthum; einerſeits nahm er, um

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[596/0608] Geſchichte der Phytodynamik. immer wiederholte, wenn auch nur verſchämt ausgedrückte Anſicht, daß die Ranken und Schlingpflanzen ihre Stützen „gleichſam aufſuchen“, die ſeit Grew oft wiederholte, ganz gedankenloſe Annahme, daß die verſchiedene Richtung des Schlingens der Stengel durch den verſchiedenen Einfluß des Laufs der Sonne und des Mondes bewirkt werde, wies er ſchlagend ab; dafür zeigte er, wie die Nutationsbewegungen der ſchlingenden Stengel vollkommen hinreichen, das ſogenannte Aufſuchen der Stützen zu erklären und wenn er die entſprechende Erſcheinung bei den Ranken auch nicht entdeckte, ſo genügte das, was er ſah, doch zur Abweiſung jener veralteten Meinung. Auf die ſehr zahl- reichen, meiſt guten Einzelheiten einzugehen iſt hier nicht der Ort, und daß manche derſelben ſpäter berichtigt werden mußten, braucht kaum erwähnt zu werden. Hauptſache war, daß durch Mohl's umfangreiche Unterſuchung ein Muſter geliefert war, wie phyto- dynamiſche Erſcheinungen allſeitig zu ſtudiren ſind, bevor man an eine eigentlich mechaniſche Erklärung derſelben denken kann. Auch wenn es Mohl verſucht hätte, die Vorgänge im Ge- webe windender Organe mechaniſch zu erklären, ſo hätte dieſer Verſuch doch ſcheitern müſſen, da ein Agens, welches hier ſicherlich mit in Betracht kommen mußte, die Diffuſionsvorgänge, erſt in demſelben Jahr (1826), wo er die Bearbeitung unternahm, von Dutrochet entdeckt und erſt ſpäter ſoweit ſtudirt wurde, daß es ſich zur Erklärung von Vegetationserſcheinungen benutzen ließ. Dutrochet ſuchte die Endosmoſe ſchon 1828 in die Phytodynamik einzuführen, und inſofern es ſich dabei nur um den Nachweis handelt, wie überhaupt und im Allgemeinen durch Endosmoſe und Exosmoſe Turgescenzänderungen des Gewebes zu Stande kommen, war damit auch in der That ein neues mechaniſches Erklärungsmittel für ſolche Vorgänge gewonnen, die man bis dahin vitaliſtiſch glaubte auffaſſen zu müſſen; allein in ſeinen ſpäteren, ausführlichen Bearbeitungen des Geotropismus, Heliotropismus, der periodiſchen und Reizbewegungen u. ſ. w., die er in den „Mémoires“ 1837 zuſammenſtellte, gerieth Du- trochet in einen zwiefachen Irrthum; einerſeits nahm er, um

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/608>, abgerufen am 23.11.2024.