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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Phytodynamik.
aber von sehr verschiedenem Werth; Palm's Schrift ist eine
gute fleißige Schülerarbeit, die von Mohl hat durchaus nichts
von einer solchen an sich; die Art der Darstellung, die genaue
Literaturkenntniß, die Fülle eigener Erfahrung, die durchschla-
gende Kritik, die Hervorhebung des principiell Wichtigen, das
Gefühl der Sicherheit und Ueberlegenheit, das sich hier aus-
spricht, läßt den Leser vergessen, daß er nicht die Arbeit eines
gereiften Fachmannes, sondern die eines zweiundzwanzigjährigen
Studenten vor sich hat. Diese akademische Preisschrift: über
den Bau und das Winden der Ranken und Schlingpflanzen war
nicht nur eine von Mohl's besten Abhandlungen, sondern über-
haupt das Beste, was über diesen Gegenstand bis auf Dar-
win's denselben behandelnde Schrift 1865 geleistet worden ist.
Es muß hier aber sogleich gesagt werden, daß Mohl die eigent-
lich mechanischen Vorgänge im Gewebe windender Ranken und
Schlingpflanzen nicht erklärte, da er in beiden Fällen zur An-
nahme einer Reizbarkeit gelangte, in Folge deren die Umwind-
ung der Stütze stattfindet und er diese Reizbarkeit nur "dyna-
misch" nicht aber "mechanisch" glaubte auffassen zu müssen; das
hinderte jedoch nicht, daß Mohl seine Untersuchung bis auf
diesen Punct durchaus im Sinne einer streng naturwissenschaft-
lichen durchführte und diejenigen Thatsachen, welche sich durch
Beobachtung und Experiment feststellen ließen, so genau studirte,
wie es bis dahin noch bei keiner Pflanzenbewegung geschehen
war. Es war eine echt Mohl'sche Arbeit: streng inductiv bis
zu dem Puncte, wo die deductive Forschung hätte anfangen
müssen. Sehr werthvoll war zunächst die zweckmäßige Unter-
scheidung der hier in Betracht kommenden Organe in Ranken
und schlingende Stengel, da das Verhalten beider wesentliche
Verschiedenheiten zeigt; noch werthvoller die Entdeckung, daß die
Berührung mit der Stütze als Reiz auf die Ranke wirkt, was
er allerdings irrthümlich auch auf die schlingenden Stengel aus-
dehnte. Mohl trat sofort der neuen Ansicht Dutrochet's
bei, daß es nicht die Gefäßbündel, sondern die Parenchymschichten
sind, welche die Bewegungen vermitteln; die seit Caesalpin

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Geſchichte der Phytodynamik.
aber von ſehr verſchiedenem Werth; Palm's Schrift iſt eine
gute fleißige Schülerarbeit, die von Mohl hat durchaus nichts
von einer ſolchen an ſich; die Art der Darſtellung, die genaue
Literaturkenntniß, die Fülle eigener Erfahrung, die durchſchla-
gende Kritik, die Hervorhebung des principiell Wichtigen, das
Gefühl der Sicherheit und Ueberlegenheit, das ſich hier aus-
ſpricht, läßt den Leſer vergeſſen, daß er nicht die Arbeit eines
gereiften Fachmannes, ſondern die eines zweiundzwanzigjährigen
Studenten vor ſich hat. Dieſe akademiſche Preisſchrift: über
den Bau und das Winden der Ranken und Schlingpflanzen war
nicht nur eine von Mohl's beſten Abhandlungen, ſondern über-
haupt das Beſte, was über dieſen Gegenſtand bis auf Dar-
win's denſelben behandelnde Schrift 1865 geleiſtet worden iſt.
Es muß hier aber ſogleich geſagt werden, daß Mohl die eigent-
lich mechaniſchen Vorgänge im Gewebe windender Ranken und
Schlingpflanzen nicht erklärte, da er in beiden Fällen zur An-
nahme einer Reizbarkeit gelangte, in Folge deren die Umwind-
ung der Stütze ſtattfindet und er dieſe Reizbarkeit nur „dyna-
miſch“ nicht aber „mechaniſch“ glaubte auffaſſen zu müſſen; das
hinderte jedoch nicht, daß Mohl ſeine Unterſuchung bis auf
dieſen Punct durchaus im Sinne einer ſtreng naturwiſſenſchaft-
lichen durchführte und diejenigen Thatſachen, welche ſich durch
Beobachtung und Experiment feſtſtellen ließen, ſo genau ſtudirte,
wie es bis dahin noch bei keiner Pflanzenbewegung geſchehen
war. Es war eine echt Mohl'ſche Arbeit: ſtreng inductiv bis
zu dem Puncte, wo die deductive Forſchung hätte anfangen
müſſen. Sehr werthvoll war zunächſt die zweckmäßige Unter-
ſcheidung der hier in Betracht kommenden Organe in Ranken
und ſchlingende Stengel, da das Verhalten beider weſentliche
Verſchiedenheiten zeigt; noch werthvoller die Entdeckung, daß die
Berührung mit der Stütze als Reiz auf die Ranke wirkt, was
er allerdings irrthümlich auch auf die ſchlingenden Stengel aus-
dehnte. Mohl trat ſofort der neuen Anſicht Dutrochet's
bei, daß es nicht die Gefäßbündel, ſondern die Parenchymſchichten
ſind, welche die Bewegungen vermitteln; die ſeit Caeſalpin

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[595/0607] Geſchichte der Phytodynamik. aber von ſehr verſchiedenem Werth; Palm's Schrift iſt eine gute fleißige Schülerarbeit, die von Mohl hat durchaus nichts von einer ſolchen an ſich; die Art der Darſtellung, die genaue Literaturkenntniß, die Fülle eigener Erfahrung, die durchſchla- gende Kritik, die Hervorhebung des principiell Wichtigen, das Gefühl der Sicherheit und Ueberlegenheit, das ſich hier aus- ſpricht, läßt den Leſer vergeſſen, daß er nicht die Arbeit eines gereiften Fachmannes, ſondern die eines zweiundzwanzigjährigen Studenten vor ſich hat. Dieſe akademiſche Preisſchrift: über den Bau und das Winden der Ranken und Schlingpflanzen war nicht nur eine von Mohl's beſten Abhandlungen, ſondern über- haupt das Beſte, was über dieſen Gegenſtand bis auf Dar- win's denſelben behandelnde Schrift 1865 geleiſtet worden iſt. Es muß hier aber ſogleich geſagt werden, daß Mohl die eigent- lich mechaniſchen Vorgänge im Gewebe windender Ranken und Schlingpflanzen nicht erklärte, da er in beiden Fällen zur An- nahme einer Reizbarkeit gelangte, in Folge deren die Umwind- ung der Stütze ſtattfindet und er dieſe Reizbarkeit nur „dyna- miſch“ nicht aber „mechaniſch“ glaubte auffaſſen zu müſſen; das hinderte jedoch nicht, daß Mohl ſeine Unterſuchung bis auf dieſen Punct durchaus im Sinne einer ſtreng naturwiſſenſchaft- lichen durchführte und diejenigen Thatſachen, welche ſich durch Beobachtung und Experiment feſtſtellen ließen, ſo genau ſtudirte, wie es bis dahin noch bei keiner Pflanzenbewegung geſchehen war. Es war eine echt Mohl'ſche Arbeit: ſtreng inductiv bis zu dem Puncte, wo die deductive Forſchung hätte anfangen müſſen. Sehr werthvoll war zunächſt die zweckmäßige Unter- ſcheidung der hier in Betracht kommenden Organe in Ranken und ſchlingende Stengel, da das Verhalten beider weſentliche Verſchiedenheiten zeigt; noch werthvoller die Entdeckung, daß die Berührung mit der Stütze als Reiz auf die Ranke wirkt, was er allerdings irrthümlich auch auf die ſchlingenden Stengel aus- dehnte. Mohl trat ſofort der neuen Anſicht Dutrochet's bei, daß es nicht die Gefäßbündel, ſondern die Parenchymſchichten ſind, welche die Bewegungen vermitteln; die ſeit Caeſalpin 38*

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/607>, abgerufen am 23.11.2024.