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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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der Organe von Caesalpin bis auf Linne
Meinungsaustausch, zum Theil polemische Schriften hervor, wie
solche auf dem Gebiete der Botanik noch nicht stattgefunden hatten;
die Literatur kam in Fluß und gewann an Lebhaftigkeit und
nachhaltigerem Interesse, welches sich auch über weitere Kreise,
als die der Fachmänner verbreitete. Indem die genannten
Systematiker auch zugleich die Formenlehre und Nomenclatur der
Theile auszubilden suchten, fanden sie bereits einen beträchtlichen
Vorrath von Beobachtungen und Gedanken vor, welche sie aus
den Werken der Vorgänger zu weiterer Verarbeitung übernahmen.
Abgesehen von der bereits sehr großen Zahl von Einzelbeschrei-
bungen, welche sich seit Fuchs und Bock angehäuft hatten, war
die Thatsache der natürlichen Verwandtschaft durch den Pinax
des Caspar Bauhin als das Fundament der natürlichen
Systematik erkannt; Caesalpin hatte auf die Fructifications-
Organe als auf die für das System werthvollsten hingewiesen
und Jungius an die Stelle bloßer Namenerklärungen die
Anfänge einer auf Vergleichung beruhenden Morphologie gesetzt.
Die Botaniker in den letzten drei Decennien des 17. Jahrhunderts
mußten erkennen, daß die von Lobelius und Bauhin auf-
gestellten Verwandtschaftsreihen auf dem von Caesalpin betre-
tenen Wege durch a priori festgestellte Merkmale nicht charakterisirt
und nicht zu einem wohlgegliederten System ausgebildet werden
können. Indem sie es aber besser zu machen suchten, behielten
sie doch dem Princip nach das Verfahren Caesalpin's bei;
nur glaubten sie die a priori festgesetzten Eintheilungs-
gründe nicht wie dieser vorwiegend von der Organisation des
Samens und der Frucht, sondern von anderen Blüthentheilen
hernehmen zu müssen: man versuchte es aus den Verschieden-
heiten der Blumenkrone, des Kelches, des Habitus Systeme
abzuleiten, aus denen die natürliche Verwandtschaft erkannt
werden sollte. War schon das Mittel selbst verfehlt, so wurde
auch der Zweck nicht klar und bestimmt festgehalten; vielmehr
wünschte man durch die Aufstellung eines Systems auch eine
Erleichterung für eine möglichst reichhaltige Einzelkenntniß zu
gewinnen; die immer drückender werdende Last, welche man sich

der Organe von Caeſalpin bis auf Linné
Meinungsaustauſch, zum Theil polemiſche Schriften hervor, wie
ſolche auf dem Gebiete der Botanik noch nicht ſtattgefunden hatten;
die Literatur kam in Fluß und gewann an Lebhaftigkeit und
nachhaltigerem Intereſſe, welches ſich auch über weitere Kreiſe,
als die der Fachmänner verbreitete. Indem die genannten
Syſtematiker auch zugleich die Formenlehre und Nomenclatur der
Theile auszubilden ſuchten, fanden ſie bereits einen beträchtlichen
Vorrath von Beobachtungen und Gedanken vor, welche ſie aus
den Werken der Vorgänger zu weiterer Verarbeitung übernahmen.
Abgeſehen von der bereits ſehr großen Zahl von Einzelbeſchrei-
bungen, welche ſich ſeit Fuchs und Bock angehäuft hatten, war
die Thatſache der natürlichen Verwandtſchaft durch den Pinax
des Caspar Bauhin als das Fundament der natürlichen
Syſtematik erkannt; Caeſalpin hatte auf die Fructifications-
Organe als auf die für das Syſtem werthvollſten hingewieſen
und Jungius an die Stelle bloßer Namenerklärungen die
Anfänge einer auf Vergleichung beruhenden Morphologie geſetzt.
Die Botaniker in den letzten drei Decennien des 17. Jahrhunderts
mußten erkennen, daß die von Lobelius und Bauhin auf-
geſtellten Verwandtſchaftsreihen auf dem von Caeſalpin betre-
tenen Wege durch a priori feſtgeſtellte Merkmale nicht charakteriſirt
und nicht zu einem wohlgegliederten Syſtem ausgebildet werden
können. Indem ſie es aber beſſer zu machen ſuchten, behielten
ſie doch dem Princip nach das Verfahren Caeſalpin's bei;
nur glaubten ſie die a priori feſtgeſetzten Eintheilungs-
gründe nicht wie dieſer vorwiegend von der Organiſation des
Samens und der Frucht, ſondern von anderen Blüthentheilen
hernehmen zu müſſen: man verſuchte es aus den Verſchieden-
heiten der Blumenkrone, des Kelches, des Habitus Syſteme
abzuleiten, aus denen die natürliche Verwandtſchaft erkannt
werden ſollte. War ſchon das Mittel ſelbſt verfehlt, ſo wurde
auch der Zweck nicht klar und beſtimmt feſtgehalten; vielmehr
wünſchte man durch die Aufſtellung eines Syſtems auch eine
Erleichterung für eine möglichſt reichhaltige Einzelkenntniß zu
gewinnen; die immer drückender werdende Laſt, welche man ſich

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[69/0081] der Organe von Caeſalpin bis auf Linné Meinungsaustauſch, zum Theil polemiſche Schriften hervor, wie ſolche auf dem Gebiete der Botanik noch nicht ſtattgefunden hatten; die Literatur kam in Fluß und gewann an Lebhaftigkeit und nachhaltigerem Intereſſe, welches ſich auch über weitere Kreiſe, als die der Fachmänner verbreitete. Indem die genannten Syſtematiker auch zugleich die Formenlehre und Nomenclatur der Theile auszubilden ſuchten, fanden ſie bereits einen beträchtlichen Vorrath von Beobachtungen und Gedanken vor, welche ſie aus den Werken der Vorgänger zu weiterer Verarbeitung übernahmen. Abgeſehen von der bereits ſehr großen Zahl von Einzelbeſchrei- bungen, welche ſich ſeit Fuchs und Bock angehäuft hatten, war die Thatſache der natürlichen Verwandtſchaft durch den Pinax des Caspar Bauhin als das Fundament der natürlichen Syſtematik erkannt; Caeſalpin hatte auf die Fructifications- Organe als auf die für das Syſtem werthvollſten hingewieſen und Jungius an die Stelle bloßer Namenerklärungen die Anfänge einer auf Vergleichung beruhenden Morphologie geſetzt. Die Botaniker in den letzten drei Decennien des 17. Jahrhunderts mußten erkennen, daß die von Lobelius und Bauhin auf- geſtellten Verwandtſchaftsreihen auf dem von Caeſalpin betre- tenen Wege durch a priori feſtgeſtellte Merkmale nicht charakteriſirt und nicht zu einem wohlgegliederten Syſtem ausgebildet werden können. Indem ſie es aber beſſer zu machen ſuchten, behielten ſie doch dem Princip nach das Verfahren Caeſalpin's bei; nur glaubten ſie die a priori feſtgeſetzten Eintheilungs- gründe nicht wie dieſer vorwiegend von der Organiſation des Samens und der Frucht, ſondern von anderen Blüthentheilen hernehmen zu müſſen: man verſuchte es aus den Verſchieden- heiten der Blumenkrone, des Kelches, des Habitus Syſteme abzuleiten, aus denen die natürliche Verwandtſchaft erkannt werden ſollte. War ſchon das Mittel ſelbſt verfehlt, ſo wurde auch der Zweck nicht klar und beſtimmt feſtgehalten; vielmehr wünſchte man durch die Aufſtellung eines Syſtems auch eine Erleichterung für eine möglichſt reichhaltige Einzelkenntniß zu gewinnen; die immer drückender werdende Laſt, welche man ſich

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/81>, abgerufen am 23.11.2024.