Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

der Organe von Caesalpin bis auf Linne.
anerkennen muß, daß Ray mit Jungius an der Entstehung
der Krypogamen ohne Samen zweifelt, so fällt es anderseits
auf, daß er ebensowenig wie seine Vorgänger, Zeitgenossen und
nächsten Nachfolger an der vegetabilischen Natur der Polypen
und Spongien etwas auszusetzen findet. Schlimmer als dies
ist jedoch die höchst mangelhafte Subordination und Coordination
in seinem System: während die Classe der Moose die Con-
serven, Flechten, Lebermoose, Laubmoose und Baer-
lappe, also Dinge enthält, welche von einander soweit verschieden
sind, wie Infusorien, Würmer, Krebse und Mollusken; finden wir
dagegen die eine Familie der Compositen nach ganz kleinlichen
unbedeutenden Verschiedenheiten in vier Classen gespalten. Es ist
endlich hervorzuheben, daß wenn Ray auch die Blattbildung
des Embryos in ihrer Bedeutung für die Systematik im Allge-
meinen erkannte, er doch weit davon entfernt war, alle Mono-
und Dicotyledonen scharf zu sondern.

Bei alldem bleibt Ray's Hauptverdienst, daß er zuerst die
natürlichen Verwandtschaftsverhältnisse in ihren großartigeren Zügen
einigermaßen erkannte, während dagegen die systematische Glie-
derung der kleineren Gruppen durch ihn kaum gefördert wurde.
Wie Morison, fand auch Ray in Deutschland zwei An-
hänger, in Christoph Knauth (1638-94) der nach Ray's
Methode geordnet 1687 eine Flora von Halle herausgab, und
in Christian Schellhammer (1649-1716) Professor in
Helmstädt, dann in Jena.

Was Morison und Ray für England, Tournefort für
Frankreich, das war Augustus Quirinus Rivinus 1) (1652 bis
1725) für die Deutschen. Er war seit 1691 Professor der Bo-

1) A. Q. Rivinus (Bachmann) war der dritte Sohn des Andreas
Bachmann eines Mediziners und Philologen zu Halle; er soll 80,000 fl.
auf seine Werke und deren Ausstattung mit ca. 500 Kupfertafeln ver-
ausgabt haben, bis die Mittel ausgingen. Eine Biographie und richtige
Würdigung seiner Leistungen von Du Petit-Thouars findet sich in der
Biographie universelle ancienne et moderne.

der Organe von Caeſalpin bis auf Linné.
anerkennen muß, daß Ray mit Jungius an der Entſtehung
der Krypogamen ohne Samen zweifelt, ſo fällt es anderſeits
auf, daß er ebenſowenig wie ſeine Vorgänger, Zeitgenoſſen und
nächſten Nachfolger an der vegetabiliſchen Natur der Polypen
und Spongien etwas auszuſetzen findet. Schlimmer als dies
iſt jedoch die höchſt mangelhafte Subordination und Coordination
in ſeinem Syſtem: während die Claſſe der Mooſe die Con-
ſerven, Flechten, Lebermooſe, Laubmooſe und Baer-
lappe, alſo Dinge enthält, welche von einander ſoweit verſchieden
ſind, wie Infuſorien, Würmer, Krebſe und Mollusken; finden wir
dagegen die eine Familie der Compoſiten nach ganz kleinlichen
unbedeutenden Verſchiedenheiten in vier Claſſen geſpalten. Es iſt
endlich hervorzuheben, daß wenn Ray auch die Blattbildung
des Embryos in ihrer Bedeutung für die Syſtematik im Allge-
meinen erkannte, er doch weit davon entfernt war, alle Mono-
und Dicotyledonen ſcharf zu ſondern.

Bei alldem bleibt Ray's Hauptverdienſt, daß er zuerſt die
natürlichen Verwandtſchaftsverhältniſſe in ihren großartigeren Zügen
einigermaßen erkannte, während dagegen die ſyſtematiſche Glie-
derung der kleineren Gruppen durch ihn kaum gefördert wurde.
Wie Moriſon, fand auch Ray in Deutſchland zwei An-
hänger, in Chriſtoph Knauth (1638-94) der nach Ray's
Methode geordnet 1687 eine Flora von Halle herausgab, und
in Chriſtian Schellhammer (1649-1716) Profeſſor in
Helmſtädt, dann in Jena.

Was Moriſon und Ray für England, Tournefort für
Frankreich, das war Auguſtus Quirinus Rivinus 1) (1652 bis
1725) für die Deutſchen. Er war ſeit 1691 Profeſſor der Bo-

1) A. Q. Rivinus (Bachmann) war der dritte Sohn des Andreas
Bachmann eines Mediziners und Philologen zu Halle; er ſoll 80,000 fl.
auf ſeine Werke und deren Ausſtattung mit ca. 500 Kupfertafeln ver-
ausgabt haben, bis die Mittel ausgingen. Eine Biographie und richtige
Würdigung ſeiner Leiſtungen von Du Petit-Thouars findet ſich in der
Biographie universelle ancienne et moderne.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0091" n="79"/><fw place="top" type="header">der Organe von Cae&#x017F;alpin bis auf Linn<hi rendition="#aq">é.</hi></fw><lb/>
anerkennen muß, daß <hi rendition="#g">Ray</hi> mit <hi rendition="#g">Jungius</hi> an der Ent&#x017F;tehung<lb/>
der <hi rendition="#g">Krypogamen</hi> ohne Samen zweifelt, &#x017F;o fällt es ander&#x017F;eits<lb/>
auf, daß er eben&#x017F;owenig wie &#x017F;eine Vorgänger, Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
näch&#x017F;ten Nachfolger an der vegetabili&#x017F;chen Natur der Polypen<lb/>
und Spongien etwas auszu&#x017F;etzen findet. Schlimmer als dies<lb/>
i&#x017F;t jedoch die höch&#x017F;t mangelhafte Subordination und Coordination<lb/>
in &#x017F;einem Sy&#x017F;tem: während die Cla&#x017F;&#x017F;e der <hi rendition="#g">Moo&#x017F;e</hi> die <hi rendition="#g">Con</hi>-<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;erven</hi>, <hi rendition="#g">Flechten</hi>, <hi rendition="#g">Lebermoo&#x017F;e</hi>, <hi rendition="#g">Laubmoo&#x017F;e</hi> und <hi rendition="#g">Baer</hi>-<lb/><hi rendition="#g">lappe</hi>, al&#x017F;o Dinge enthält, welche von einander &#x017F;oweit ver&#x017F;chieden<lb/>
&#x017F;ind, wie Infu&#x017F;orien, Würmer, Kreb&#x017F;e und Mollusken; finden wir<lb/>
dagegen die eine Familie der Compo&#x017F;iten nach ganz kleinlichen<lb/>
unbedeutenden Ver&#x017F;chiedenheiten in vier Cla&#x017F;&#x017F;en ge&#x017F;palten. Es i&#x017F;t<lb/>
endlich hervorzuheben, daß wenn <hi rendition="#g">Ray</hi> auch die Blattbildung<lb/>
des Embryos in ihrer Bedeutung für die Sy&#x017F;tematik im Allge-<lb/>
meinen erkannte, er doch weit davon entfernt war, alle Mono-<lb/>
und Dicotyledonen &#x017F;charf zu &#x017F;ondern.</p><lb/>
          <p>Bei alldem bleibt Ray's Hauptverdien&#x017F;t, daß er zuer&#x017F;t die<lb/>
natürlichen Verwandt&#x017F;chaftsverhältni&#x017F;&#x017F;e in ihren großartigeren Zügen<lb/>
einigermaßen erkannte, während dagegen die &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;che Glie-<lb/>
derung der kleineren Gruppen durch ihn kaum gefördert wurde.<lb/>
Wie <hi rendition="#g">Mori&#x017F;on</hi>, fand auch <hi rendition="#g">Ray</hi> in Deut&#x017F;chland zwei An-<lb/>
hänger, in <hi rendition="#g">Chri&#x017F;toph Knauth</hi> (1638-94) der nach <hi rendition="#g">Ray</hi>'s<lb/>
Methode geordnet 1687 eine Flora von Halle herausgab, und<lb/>
in <hi rendition="#g">Chri&#x017F;tian Schellhammer</hi> (1649-1716) Profe&#x017F;&#x017F;or in<lb/>
Helm&#x017F;tädt, dann in Jena.</p><lb/>
          <p>Was <hi rendition="#g">Mori&#x017F;on</hi> und <hi rendition="#g">Ray</hi> für England, Tournefort für<lb/>
Frankreich, das war <hi rendition="#b">Augu&#x017F;tus Quirinus Rivinus</hi> <note place="foot" n="1)">A. Q. <hi rendition="#g">Rivinus</hi> (<hi rendition="#g">Bachmann</hi>) war der dritte Sohn des Andreas<lb/><hi rendition="#g">Bachmann</hi> eines Mediziners und Philologen zu Halle; er &#x017F;oll 80,000 fl.<lb/>
auf &#x017F;eine Werke und deren Aus&#x017F;tattung mit <hi rendition="#aq">ca.</hi> 500 Kupfertafeln ver-<lb/>
ausgabt haben, bis die Mittel ausgingen. Eine Biographie und richtige<lb/>
Würdigung &#x017F;einer Lei&#x017F;tungen von <hi rendition="#g">Du Petit</hi>-<hi rendition="#g">Thouars</hi> findet &#x017F;ich in der<lb/><hi rendition="#aq">Biographie universelle ancienne et moderne.</hi></note> (1652 bis<lb/>
1725) für die Deut&#x017F;chen. Er war &#x017F;eit 1691 Profe&#x017F;&#x017F;or der Bo-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0091] der Organe von Caeſalpin bis auf Linné. anerkennen muß, daß Ray mit Jungius an der Entſtehung der Krypogamen ohne Samen zweifelt, ſo fällt es anderſeits auf, daß er ebenſowenig wie ſeine Vorgänger, Zeitgenoſſen und nächſten Nachfolger an der vegetabiliſchen Natur der Polypen und Spongien etwas auszuſetzen findet. Schlimmer als dies iſt jedoch die höchſt mangelhafte Subordination und Coordination in ſeinem Syſtem: während die Claſſe der Mooſe die Con- ſerven, Flechten, Lebermooſe, Laubmooſe und Baer- lappe, alſo Dinge enthält, welche von einander ſoweit verſchieden ſind, wie Infuſorien, Würmer, Krebſe und Mollusken; finden wir dagegen die eine Familie der Compoſiten nach ganz kleinlichen unbedeutenden Verſchiedenheiten in vier Claſſen geſpalten. Es iſt endlich hervorzuheben, daß wenn Ray auch die Blattbildung des Embryos in ihrer Bedeutung für die Syſtematik im Allge- meinen erkannte, er doch weit davon entfernt war, alle Mono- und Dicotyledonen ſcharf zu ſondern. Bei alldem bleibt Ray's Hauptverdienſt, daß er zuerſt die natürlichen Verwandtſchaftsverhältniſſe in ihren großartigeren Zügen einigermaßen erkannte, während dagegen die ſyſtematiſche Glie- derung der kleineren Gruppen durch ihn kaum gefördert wurde. Wie Moriſon, fand auch Ray in Deutſchland zwei An- hänger, in Chriſtoph Knauth (1638-94) der nach Ray's Methode geordnet 1687 eine Flora von Halle herausgab, und in Chriſtian Schellhammer (1649-1716) Profeſſor in Helmſtädt, dann in Jena. Was Moriſon und Ray für England, Tournefort für Frankreich, das war Auguſtus Quirinus Rivinus 1) (1652 bis 1725) für die Deutſchen. Er war ſeit 1691 Profeſſor der Bo- 1) A. Q. Rivinus (Bachmann) war der dritte Sohn des Andreas Bachmann eines Mediziners und Philologen zu Halle; er ſoll 80,000 fl. auf ſeine Werke und deren Ausſtattung mit ca. 500 Kupfertafeln ver- ausgabt haben, bis die Mittel ausgingen. Eine Biographie und richtige Würdigung ſeiner Leiſtungen von Du Petit-Thouars findet ſich in der Biographie universelle ancienne et moderne.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/91
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/91>, abgerufen am 27.11.2024.