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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Die künstlichen Systeme und die Nomenclatur
tanik, Physiologie, Materia medica und Chemie in Leipzig;
außerdem beschäftigte er sich aber noch mit Astronomie so ange-
legentlich, daß er sich durch Beobachtung von Sonnenflecken die
Augen verdarb. Bei so vielseitiger Beschäftigung kann es nicht
Wunder nehmen, daß seine Specialkenntniß der Pflanzen im
Vergleich zu der der drei anderen Genannten nur unbeträchtlich
war; desto besser wußte er aber die von Jungius aufgestellten
Grundsätze der Morphologie zu würdigen, sie für die Beurthei-
lung der Systematik zu benutzen. Sein Verdienst liegt jedoch
mehr in der scharfen Kritik der hervorragendsten Irrthümer, welche
sich bis dahin bei allen Botanikern erhalten hatten, wogegen
seine eigenen positiven Leistungen, wenigstens soweit es die Er-
kennung von Verwandtschaften betrifft, unbeträchtlich sind; für
uns ist von besonderem Interesse seine Introductio gene-
ralis in rem herbariam
, welche 1690 erschien und 39
Seiten des größten Formates umfaßt; er weist darin das viele
unnöthige Beiwerk, mit welchem sich die Botaniker befaßten, zu
rück und setzt den Zweck der Botanik allein in die wissenschaft-
liche Betrachtung der Pflanzen selbst. Zuerst handelt er von
der Namengebung, wo sich zeigt, daß Rivinus bezüglich der
Gattungs- und Speciesnamen bereits die Grundsätze auf-
stellte, welche später Linne zu konsequenter Anwendung
brachte, denn Rivinus selbst befolgte seine eigenen Vorschriften
nicht und verdarb seinen Ruf als Botaniker, durch eine geschmack-
lose Nomenclatur. Trotzdem sprach er es ganz deutlich aus,
daß jede Pflanze am Besten durch zwei Worte, deren eines der
Gattungs- das andere den Speciesnamen darstellt, bezeichnet
werden solle und geistreich zeigte er den großen Nutzen dieser
binären Nomenclatur bei der Behandlung der Medicinalpflanzen
und dem Aufschreiben der Recepte. Die Culturvarietäten ließ
er nicht, wie z. B. Tournefort nach ihm noch that, für Species
gelten.

In der Systematik verwirft er mit Entschiedenheit die Ein-
theilung in Bäume, Sträucher und Kräuter, deren ojective Un-
gültigkeit er an Beispielen gut erläuterte. Merkwürdig ist in

Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur
tanik, Phyſiologie, Materia medica und Chemie in Leipzig;
außerdem beſchäftigte er ſich aber noch mit Aſtronomie ſo ange-
legentlich, daß er ſich durch Beobachtung von Sonnenflecken die
Augen verdarb. Bei ſo vielſeitiger Beſchäftigung kann es nicht
Wunder nehmen, daß ſeine Specialkenntniß der Pflanzen im
Vergleich zu der der drei anderen Genannten nur unbeträchtlich
war; deſto beſſer wußte er aber die von Jungius aufgeſtellten
Grundſätze der Morphologie zu würdigen, ſie für die Beurthei-
lung der Syſtematik zu benutzen. Sein Verdienſt liegt jedoch
mehr in der ſcharfen Kritik der hervorragendſten Irrthümer, welche
ſich bis dahin bei allen Botanikern erhalten hatten, wogegen
ſeine eigenen poſitiven Leiſtungen, wenigſtens ſoweit es die Er-
kennung von Verwandtſchaften betrifft, unbeträchtlich ſind; für
uns iſt von beſonderem Intereſſe ſeine Introductio gene-
ralis in rem herbariam
, welche 1690 erſchien und 39
Seiten des größten Formates umfaßt; er weiſt darin das viele
unnöthige Beiwerk, mit welchem ſich die Botaniker befaßten, zu
rück und ſetzt den Zweck der Botanik allein in die wiſſenſchaft-
liche Betrachtung der Pflanzen ſelbſt. Zuerſt handelt er von
der Namengebung, wo ſich zeigt, daß Rivinus bezüglich der
Gattungs- und Speciesnamen bereits die Grundſätze auf-
ſtellte, welche ſpäter Linné zu konſequenter Anwendung
brachte, denn Rivinus ſelbſt befolgte ſeine eigenen Vorſchriften
nicht und verdarb ſeinen Ruf als Botaniker, durch eine geſchmack-
loſe Nomenclatur. Trotzdem ſprach er es ganz deutlich aus,
daß jede Pflanze am Beſten durch zwei Worte, deren eines der
Gattungs- das andere den Speciesnamen darſtellt, bezeichnet
werden ſolle und geiſtreich zeigte er den großen Nutzen dieſer
binären Nomenclatur bei der Behandlung der Medicinalpflanzen
und dem Aufſchreiben der Recepte. Die Culturvarietäten ließ
er nicht, wie z. B. Tournefort nach ihm noch that, für Species
gelten.

In der Syſtematik verwirft er mit Entſchiedenheit die Ein-
theilung in Bäume, Sträucher und Kräuter, deren ojective Un-
gültigkeit er an Beiſpielen gut erläuterte. Merkwürdig iſt in

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[80/0092] Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur tanik, Phyſiologie, Materia medica und Chemie in Leipzig; außerdem beſchäftigte er ſich aber noch mit Aſtronomie ſo ange- legentlich, daß er ſich durch Beobachtung von Sonnenflecken die Augen verdarb. Bei ſo vielſeitiger Beſchäftigung kann es nicht Wunder nehmen, daß ſeine Specialkenntniß der Pflanzen im Vergleich zu der der drei anderen Genannten nur unbeträchtlich war; deſto beſſer wußte er aber die von Jungius aufgeſtellten Grundſätze der Morphologie zu würdigen, ſie für die Beurthei- lung der Syſtematik zu benutzen. Sein Verdienſt liegt jedoch mehr in der ſcharfen Kritik der hervorragendſten Irrthümer, welche ſich bis dahin bei allen Botanikern erhalten hatten, wogegen ſeine eigenen poſitiven Leiſtungen, wenigſtens ſoweit es die Er- kennung von Verwandtſchaften betrifft, unbeträchtlich ſind; für uns iſt von beſonderem Intereſſe ſeine Introductio gene- ralis in rem herbariam, welche 1690 erſchien und 39 Seiten des größten Formates umfaßt; er weiſt darin das viele unnöthige Beiwerk, mit welchem ſich die Botaniker befaßten, zu rück und ſetzt den Zweck der Botanik allein in die wiſſenſchaft- liche Betrachtung der Pflanzen ſelbſt. Zuerſt handelt er von der Namengebung, wo ſich zeigt, daß Rivinus bezüglich der Gattungs- und Speciesnamen bereits die Grundſätze auf- ſtellte, welche ſpäter Linné zu konſequenter Anwendung brachte, denn Rivinus ſelbſt befolgte ſeine eigenen Vorſchriften nicht und verdarb ſeinen Ruf als Botaniker, durch eine geſchmack- loſe Nomenclatur. Trotzdem ſprach er es ganz deutlich aus, daß jede Pflanze am Beſten durch zwei Worte, deren eines der Gattungs- das andere den Speciesnamen darſtellt, bezeichnet werden ſolle und geiſtreich zeigte er den großen Nutzen dieſer binären Nomenclatur bei der Behandlung der Medicinalpflanzen und dem Aufſchreiben der Recepte. Die Culturvarietäten ließ er nicht, wie z. B. Tournefort nach ihm noch that, für Species gelten. In der Syſtematik verwirft er mit Entſchiedenheit die Ein- theilung in Bäume, Sträucher und Kräuter, deren ojective Un- gültigkeit er an Beiſpielen gut erläuterte. Merkwürdig iſt in

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/92>, abgerufen am 27.11.2024.