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Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791.

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zuverlässig zu bestimmen. Es sind offenbar zwischen
Gehorsam und Gehorsam, zwischen Vertrauen und Ver-
trauen
, unzählige Unterschiede, und man muss un-
zählige
Versuche gemacht haben, bis der Muth zu ge-
horsamen, allen Willen Gottes umfassen und das
Vertrauen alle Furcht besiegen kann.

Die Lehre von dem Gehorsam insbesondere,
wird noch einleuchtender, wenn man bemerkt, dass
Jesus und seine Jünger den Gehorsam oder das Voll-
bringen des göttlichen Willens gerade so allgemein
und so nachdrucksam empfehlen, als die Liebe. So
macht Jesus (Matth. VII. 21.) nur denen, die den Wil-
len seines Vaters thun, die Thür in das Himmelreich
auf. So lehrt uns Paulus prüfen, was dem Herrn
wohlgefällig, und des Herrn Wille sey (Ephes. V. 10. 17.).
So dringt Petrus (I. Br. IV. 2.) darauf, dass wir nicht der
eignen Lust, sondern dem Willen des Herrn folgen.

Die christliche Moral giebt 3) den heiligen
Geist als das thätige Principium dieser Liebe an. "Die
Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz durch den
heiligen Geist
"
(Röm. V. 5.). "Das Reich Gottes be-
steht nicht im Essen und Trinken, sondern in Gerechtig-
keit, und Friede, und Freude in dem heiligen Geist."

(Röm. XIV. 17.) Diese Liebe ist also wahrhaft eine
göttliche Tugend -- göttlich, nicht bloss, weil es ihr
Gegenstand, sondern und vorzüglich, weil es auch
ihre Quelle ist. Das Gesetz, sagt ein Weiser des christ-
lichen Alterthums so wahr als schön, beobachtet man
nicht durch das Gesetz. Nemo potest legem implere per

legem.

zuverläſſig zu beſtimmen. Es ſind offenbar zwiſchen
Gehorſam und Gehorſam, zwiſchen Vertrauen und Ver-
trauen
, unzählige Unterſchiede, und man muſs un-
zählige
Verſuche gemacht haben, bis der Muth zu ge-
horſamen, allen Willen Gottes umfaſſen und das
Vertrauen alle Furcht beſiegen kann.

Die Lehre von dem Gehorſam insbeſondere,
wird noch einleuchtender, wenn man bemerkt, daſs
Jeſus und ſeine Jünger den Gehorſam oder das Voll-
bringen des göttlichen Willens gerade ſo allgemein
und ſo nachdruckſam empfehlen, als die Liebe. So
macht Jeſus (Matth. VII. 21.) nur denen, die den Wil-
len ſeines Vaters thun, die Thür in das Himmelreich
auf. So lehrt uns Paulus prüfen, was dem Herrn
wohlgefällig, und des Herrn Wille ſey (Epheſ. V. 10. 17.).
So dringt Petrus (I. Br. IV. 2.) darauf, daſs wir nicht der
eignen Luſt, ſondern dem Willen des Herrn folgen.

Die chriſtliche Moral giebt 3) den heiligen
Geiſt als das thätige Principium dieſer Liebe an. „Die
Liebe Gottes iſt ausgegoſſen in unſer Herz durch den
heiligen Geiſt
(Röm. V. 5.). „Das Reich Gottes be-
ſteht nicht im Eſſen und Trinken, ſondern in Gerechtig-
keit, und Friede, und Freude in dem heiligen Geiſt.“

(Röm. XIV. 17.) Dieſe Liebe iſt alſo wahrhaft eine
göttliche Tugend — göttlich, nicht bloſs, weil es ihr
Gegenſtand, ſondern und vorzüglich, weil es auch
ihre Quelle iſt. Das Geſetz, ſagt ein Weiſer des chriſt-
lichen Alterthums ſo wahr als ſchön, beobachtet man
nicht durch das Geſetz. Nemo poteſt legem implere per

legem.
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[56/0070] zuverläſſig zu beſtimmen. Es ſind offenbar zwiſchen Gehorſam und Gehorſam, zwiſchen Vertrauen und Ver- trauen, unzählige Unterſchiede, und man muſs un- zählige Verſuche gemacht haben, bis der Muth zu ge- horſamen, allen Willen Gottes umfaſſen und das Vertrauen alle Furcht beſiegen kann. Die Lehre von dem Gehorſam insbeſondere, wird noch einleuchtender, wenn man bemerkt, daſs Jeſus und ſeine Jünger den Gehorſam oder das Voll- bringen des göttlichen Willens gerade ſo allgemein und ſo nachdruckſam empfehlen, als die Liebe. So macht Jeſus (Matth. VII. 21.) nur denen, die den Wil- len ſeines Vaters thun, die Thür in das Himmelreich auf. So lehrt uns Paulus prüfen, was dem Herrn wohlgefällig, und des Herrn Wille ſey (Epheſ. V. 10. 17.). So dringt Petrus (I. Br. IV. 2.) darauf, daſs wir nicht der eignen Luſt, ſondern dem Willen des Herrn folgen. Die chriſtliche Moral giebt 3) den heiligen Geiſt als das thätige Principium dieſer Liebe an. „Die Liebe Gottes iſt ausgegoſſen in unſer Herz durch den heiligen Geiſt“ (Röm. V. 5.). „Das Reich Gottes be- ſteht nicht im Eſſen und Trinken, ſondern in Gerechtig- keit, und Friede, und Freude in dem heiligen Geiſt.“ (Röm. XIV. 17.) Dieſe Liebe iſt alſo wahrhaft eine göttliche Tugend — göttlich, nicht bloſs, weil es ihr Gegenſtand, ſondern und vorzüglich, weil es auch ihre Quelle iſt. Das Geſetz, ſagt ein Weiſer des chriſt- lichen Alterthums ſo wahr als ſchön, beobachtet man nicht durch das Geſetz. Nemo poteſt legem implere per legem.

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Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/70>, abgerufen am 21.11.2024.